Hildegard Hirschmanner: Eine "merk-würdige" Begegnung
Wir hatten schon zusammengepackt, da kam mein Sohn in unser Zimmer mit der Nachricht, dass es Helene sehr schlecht gehe, sie habe schon erbrochen. Auch den Kamillentee, den wir ihr brachten, konnte sie nicht bei sich behalten.
Ich fragte an der Rezeption nach einem Arzt. Dort wurde mir die Auskunft gegeben, dass das am Samstag sehr schwierig wäre, wir sollten mit ihr lieber ins Spital fahren. Wir wollten aber nicht in ein Krankenhaus, sondern nur nach Hause kommen. Es war ja das letzte Ferienwochenende und für uns alle begann Montag wieder die Schule oder die Arbeit. Wir fragten also nach einer offenen Apotheke und besorgten eine Medizin gegen Übelkeit. Wir hofften, so zumindest einmal nach Malaga in die Nähe des Flughafens zu kommen. Es sollten bis dorthin ja nur so circa 1 1/ 2 Stunden Fahrt sein. Doch wir waren kaum losgefahren, da mussten wir schon wieder stehen bleiben, weil Helene erbrechen musste. Und das sollte sich alle paar Kilometer wiederholen. Helene ging es wirklich erbarmungswürdig.
Auf der Rückbank betete ich still vor mich hin. Dabei fiel mir ein Bild ein, das in unserem Hotelzimmer gehangen war und den Erzengel Rafael darstellte, den Schutzpatron der Stadt Cordoba. Da ich wusste, dass sich Rafael besonders der Reisenden und auch der Kranken annimmt, redete ich im Geiste mit ihm: „Wenn du schon der Schutzpatron Cordobas bist und du nicht verhindert hast, dass Helene sich beim Essen einer Fischsuppe diese Misere eingehandelt hat (wie wir alle vermuteten), so mach, dass es ihr wieder besser geht und wir nach Hause kommen." Aber es wurde nicht besser. Ich machte mir große Sorgen, dass ihr Kreislauf das nicht mehr lange mitmacht.
Da sah ich in der Ferne eine kleine weiße Stadt auf einem Hügel liegen, es gab auch eine Abfahrt von der Autobahn. Ich wusste, wir müssten abfahren und einen Arzt finden. Mein Mann war nicht so begeistert davon, denn schließlich wussten wir überhaupt nicht, wohin wir uns wenden sollten. Doch er nahm die Ausfahrt. Gleich nach der Abfahrt kam ein Kreisverkehr und bei Helene ging es wieder los. Mein Mann fuhr mitten im Kreisverkehr, so gut es ging, rechts ran und blieb stehen. Kaum waren wir stehen geblieben, da kam ein Autobahnpolizist auf einem Motorrad, hielt an und fragte, was wir da täten. Mein Sohn, der in der Schule Spanisch gelernt hatte, erklärte ihm unser Problem.
Der Polizist stieg wieder aufs Motorrad, bat uns, ihm zu folgen, und schaltete sogar sein Blaulicht ein. So lotste er uns durch ein Gewirr von schmalen Gassen zu einer Rettungsstation. Als wir so hinter dem Polizisten herfuhren, dachte ich mir, dass ich nicht erwartet hatte, je einem Erzengel auf einem Motorrad mit Blaulicht zu begegnen.
In der Rettungsstation wurde Helene von einem sehr freundlichen Arzt mit einer Infusion soweit wieder hergestellt, dass wir die Heimreise antreten konnten. Wir kamen gut in Linz an und Helene wurde von ihren Eltern ins Krankenhaus gebracht, wo sie noch einige Tage wegen ihrer Fischvergiftung behandelt werden musste.
Diese Begegnung mit einem Engel war wirklich „merk-würdig “ und ich werde sie nie vergessen.
Hildegard Hirschmanner