Femme Chanel - Emma Fenchel: viele neue Geschichten im Kopf!
Zunächst wirkt der Bildschirm mit Sarah Oos' Projekt "Femme Chanel - Emma Fenchel" ganz unscheinbar, doch nimmt man sich die Zeit, den Vierminüter anzuschauen, dann staunt man nicht schlecht.
Die 1994 in Wels geborene Sarah Oos hat da ein Found Footage-Werk erster Güte geschaffen. Found Footage arbeitet mit Elementen aus bereits existierenden Filmen, verfremdet diese und macht so ein neues Video daraus. In dem Falle bildeten die Werbung "Night Train" (R: Jean-Pierre Jeunet) für das Parfum Chanel No. 5 sowie weitere Filme mit Audrey Tautou ("Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft" von Anne Fontaine, "Zusammen ist man weniger allein" von Claude Berri, "Liebe um jeden Preis" von Pierre Salvadori, "Die Haut in der ich wohne" von Pedro Almodóvar) die Basis für "Femme Chanel - Emma Fenchel" - das Resultat hat nun nur noch wenig mit den Originalfilmen zu tun. Und auch wenig damit, wie man die zarte französische Schauspielerin Audrey Tautou eigentlich kennt: aus dem zurückhaltenden, schüchternen, bezaubernden Frauentyp, wie sie ihn meist verkörpert, wird Audrey Tautou bei Sarah Ooas zur Femme Fatale, bei der eine Affäre die nächste jagt. Dass da in einer Person vielleicht mehrere Seiten stecken, zeigt auch der gewählte Titel - Emma Fenchel ist nichts anderes als das Anagramm von "Femme Chanel". Und drum: sind wir nicht alle ein bisschen von allem? Das führt uns Sarah Oos mit ihrem Projekt auch vor Augen.
Nicht umsonst wurde Sarah Oos die Goldene Nica zuerkannt - mit der Begründung: "Der Wechsel von Schwarz-Weiß und Farbe, die musikalischen Übergänge sowie der Gesamtrhythmus des Schnitts sind sehr gelungen. Durch die raffinierte Montage von Bild und Ton kommt das Konzept zu voller Entfaltung. Die Arbeit begeistert durch den großen Interpretationsspielraum, den sie zulässt. Durch das Auseinanderlaufen der französischen Dialoge und der inhaltlich teilweise völlig neu erfundenen deutschen Dialoguntertitel entsteht anfängliche Verwirrung, die jedoch in weiterer Folge im Kopf der Betrachter eine Vielfalt an Assoziationen zulässt und sie zu ganz neuen Gedanken inspiriert. Interessant ist, dass selbst nach mehrmaliger Betrachtung jedes Mal eine neue Geschichte im Kopf entstehen kann."
Es ist Sarah Oos' erstes Found Footage-Projekt, an dem sie besonders fasziniert, welche Rolle es spielt, welche Szenen man zusammenfügt, wie Szenen aufeinander wirken, wie man das durch Schnitte manipulieren kann, was man als Betrachtender schließlich wahrnimmt, welches Bild man sich von der Protagonistin macht... dass sie sich Filme anders anschaut, seit sie sich in der HBLA für künstlerische Gestaltung mit Videoschnitt beschäftigt, liegt nahe. Und man darf gespannt sein, welche Projekte sie in den nächsten Jahren an Land zieht, beginn sie doch nun ihr Grafik und Fotografie-Studium an der Kunstuniversität Linz.
Und vielleicht weiß sie auch da - wie sie das in Bezug auf ihren Film im Interview mit Magdalena Leitner erzählt - nicht so genau, was am Schluss herauskommen wird oder soll. Der Film ist schließlich auch einfach mit der Zeit entstanden - ein Prozess mit vielen Berg- und Talfahrten... und spannenden Ideen: vom Szenendreh (die Liste der Männer...) bis hin zu den deutschen Untertiteln, die nichts mit dem Gesprochenen zu tun haben... und hätte man ihr vorher gesagt, dass sie eine "Goldene Nica" gewinnt, hätte sie's wahrscheinlich nicht geglaubt. Und jetzt gibt's Gratulationen ohne Ende auf Facebook und in der Schule ist sie nun auch bekannt wie ein bunter Hund...
Quellenangabe:
Ars Electronica: Femme Chanel - Emma Fenchel / Einbindung des Videos von dieser Seite. URL: http://prix2014.aec.at/prixwinner/14249/ [Stand: 09/2014]
Leitner, Magdalena: Femme Chanel - Emma Fenchel. URL: http://www.aec.at/aeblog/2014/06/26/femme-chanel-emma-fenchel/ [Stand: 09/2014]
(sp)