Bischöfliche Garten-Gespräche
So mancher Gast äußerte die Vermutung nach einem besonderen „Draht nach oben“, hätte doch das Wetter an diesem Abend schöner nicht sein können. Bei sommerlichen Temperaturen und begleitet von Vogelgezwitscher begrüßte Bischof Manfred Scheuer VertreterInnen der oö. Medienlandschaft in seinem Garten. Er selbst kommt nur selten in den Genuss dieses Paradieses, wie Scheuer zugab: „Heute Abend bin ich das erste Mal in diesem Jahr im Garten – und es ist die erste Veranstaltung, die seit meiner Amtseinführung vor einem Jahr hier heraußen stattfindet.“ Neben Bischof Dr. Manfred Scheuer standen auch VertreterInnen der Diözesanleitung für Gespräche zur Verfügung, unter ihnen Generalvikar DDr. Severin Lederhilger, die Bischofsvikare Mag. Maximilian Mittendorfer, Dr. Johann Hintermaier und Wilhelm Vieböck, die geschäftsführende Vorsitzende des Pastoralrats Mag.a Edeltraud Artner-Papelitzky, die designierte Pastoralamtsleitern Mag.a Gabriele Eder-Cakl, Finanzdirektor Mag. Reinhold Prinz, Caritas-OÖ-Direktor Franz Kehrer MAS, Schulamts-Direktor Mag. Franz Asanger, Ordinariatskanzler Mag. Johann Hainzl und der Leiter der Abteilung Priester Dr. Martin Füreder.
Medienempfang im Garten des Linzer Bischofshofes © Diözese Linz_Appenzeller _ Pressefoto zum Download
Aufmerksamkeit als Währung des 21. Jahrhunderts
Bischof Manfred Scheuer dankte in seiner Ansprache den Medienschaffenden „für die Mühen Ihres Berufes, für das Interesse an der Kirche und auch für Ihren Weg in der Gesellschaft. Sie sammeln Erwartungen und Bedürfnisse unserer Zeit und drücken diese aus.“ Die journalistische Arbeit brauche Kompetenz, Studium, Gespür und Erfahrung. Ihre Qualität sei nicht in Zahlen messbar, sondern messe sich vielmehr in „weichen“ Begriffen wie Angemessenheit, Gerechtigkeit, Urteilsvermögen. Scheuer wörtlich: „Gerade diese Unschärfe erfordert regelmäßigen Diskurs, Nachbesserung, Wiederorientierung. Fairness steht auch zur Debatte, wenn es um etwas wirklich objektiv Messbares geht.“ Auch Kritikfähigkeit gehöre dazu. Der Diözesanbischof ortete in der „Selbstbezogenheit der Kirche den Grund für das Übel in ihren Institutionen“.
Was Kirche und Medienschaffende verbinde, sei Kommunikation, „teilweise als Rivalen, manchmal als Verbündete“, so Scheuer. Die soeben zurückgetretene Grünen-Chefin Eva Glawischnig habe eine massive Zunahme der politischen und medialen Aggressivität geortet. Politische Ereignisse und Rücktritte seien in den letzten Tagen emotional gewesen und in starker Verbindung zu Verletzbarkeit der agierenden und betroffenen Personen gestanden. Bischof Scheuer: „Vielleicht kann das die Frage nach dem 'Wie eines Tuns' in den Raum stellen. Was stellen wir miteinander und aneinander an?“ Das „Wie eines Tuns“ zeige sich etwa als Besonnenheit, die sich durch Reflexion, Überlegtheit und Nachdenklichkeit auszeichne. „Das besonnene Subjekt ist in seinem Vernehmen und Handeln konzentriert, das heißt, es kann alles ausblenden, was nicht im Zentrum steht. Im Denken und Tun bedarf es der Kontemplation – in Kontemplation steckt das Wort 'Tempel', Bezirk der Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit ist vielleicht die Währung des 21. Jahrhunderts“, so Scheuer. Zum Verstehen gehöre auch die Beweglichkeit des eigenen Denkens, was nach Kant auch bedeute, dass sich dieses Denken „immer wieder der Möglichkeit aussetzt, falsch zu liegen“.
Bischof Manfred Scheuer beim Medienempfang im Garten des Linzer Bischofshofes © Diözese Linz_Appenzeller _ Pressefoto zum Download
Fortschritt neu definieren
Das Thema Garten wird heuer mehrfach aufgegriffen: Im Stift Kremsmünster ist noch bis 15. Oktober die OÖ Landesgartenschau 2017 „Dreiklang der Gärten“ zu sehen, die Ökumenische Sommerakademie in Kremsmünster befasst sich von 12. bis 14. Juli mit dem Thema „Gärten in der Wüste – Schöpfungsethik zwischen Wunsch und Wirklichkeit“. Beim Empfang im bischöflichen Garten hatte der inhaltliche Impuls ebenfalls einen unmittelbaren Bezug zum blühenden und grünenden Ambiente.
Mag.a Edeltraud Artner-Papelitzky, Geschäftsführende Vorsitzende des Pastoralrates der Diözese Linz, skizzierte die Grundaussagen der Enzyklika „Laudato si – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ von Papst Franziskus. Zu Beginn stellte sie Kernaussagen der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Namibia (10. - 16. Mai 2017) in den Mittepunkt: „Creation – not for sale. People – not for sale. Salvation – not for sale.“ Dass weder Schöpfung noch Menschen oder Erlösung käuflich seien bzw. zum Ausverkauf stünden, sei ein grundlegendes christliches Bekenntnis, das auch der Papst in „Laudato si“ thematisiere. In seinem Schreiben wende er sich nicht nur an KatholikInnen, sondern an „alle Menschen guten Willens“. „Papst Franziskus geht es in seiner Enzyklika um viel mehr als um Umweltschutz: Es geht um eine gemeinsame Verantwortung aller Menschen für eine gute Art des Miteinander – es geht darum, wie wir als Menschen mit der Schöpfung umgehen, wie wir arbeiten, gestalten, leben und den Glauben verkünden“, so Artner-Papelitzky.
Ausgehend vom Dreischritt „Sehen – urteilen – handeln“ aus der Katholischen Soziallehre spürte die Theologin den wesentlichen Anliegen von „Laudato si“ nach. Der Papst finde sehr klare Worte zum Ist-Zustand der Welt und thematisiere gleich am Beginn seines Schreibens die ständige Beschleunigung der Lebens- und Arbeitsrhythmen. Franziskus benenne sehr deutlich aktuelle Probleme und ihre Auswirkungen: Schad- und Giftstoffe in Luft und Erde, Verschmutzung durch Müll, Verlust der biologischen Vielfalt, Erderwärmung, Klimawandel … „Ein Viertel der Weltbevölkerung lebt an den Küsten – so viele Menschen sind betroffen, wenn der Meeresspiegel steigt“, zeigte Artner-Papelitzky das Ausmaß der Folgen auf. Die Auswirkungen von Klimaveränderungen träfen besonders auch Menschen in Entwicklungsländern. Die Folge: massive Fluchtbewegungen von Menschen, „die nicht als Flüchtlinge anerkannt sind“. Der Papst betone in „Laudato si“ auch die Notwendigkeit des Zugangs zu sauberem Trinkwasser für alle Menschen. Diese kostbare Ressource dürfe nicht von einigen wenigen Unternehmen kontrolliert und vereinnahmt werden.
Der Papst stelle fest, dass diese Missstände und Probleme zwar deutlich sichtbar seien, aber von den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen nicht in ihrer ganzen Tragweite wahrgenommen würden. „Die Ursache liegt für Franziskus darin, dass Menschen in Machtpositionen zu wenig auf Tuchfühlung mit den Leidtragenden gehen“, so Artner-Papelitzky. Der Papst orte soziale Ungerechtigkeit, die ganze Länder betreffe – ein massives weltweites Ungleichgewicht zwischen den Ländern des Nordens und des Südens im Bereich des Handels und beim Verbrauch von Ressourcen.
Die Vision des Papstes, um an dieser Situation etwas zu verändern, sei ein neues Leadership, das Verantwortung für zukünftige Generationen übernehme, so Artner-Papelitzky. Der Papst benenne als Grundproblem die „Globalisierung des technokratischen Paradigmas“: Es führe zur Idee eines grenzenlosen Wachstums und stelle den Ertrag in den Mittelpunkt, ohne auf die Auswirkungen auf den Menschen zu achten. „Auf der einen Seite steht die konsumorientierte Überentwicklung, auf der anderen Seite die Verelendung.“ Ein wichtiger Aspekt für menschenwürdiges Leben sei der Zugang zu Arbeit und damit der Zugang zu Lebenschancen. Der Papst fordere eine Wirtschaft, die sich in den Dienst des Gemeinwohls und der Menschen stelle. Als Voraussetzungen nenne er internationale Vereinbarungen und einen neuen Dialog auf mehreren Ebenen für internationale und lokale politische Konzepte, um der Komplexität der ökologischen und sozialen Krise gerecht zu werden. Die Vision: ein weltweiter Konsens und eine gemeinschaftliche Umkehr – Menschen, die ihren Lebensstil ändern und damit Unternehmen zwingen, ihre Produktionsweise zu ändern. „Was es nach Papst Franziskus braucht, ist ein achtsamer Lebensstil verbunden mit der Fähigkeit zum Staunen“, so Artner-Papelitzky. „Es geht darum, Fortschritt neu zu definieren.“
Medienempfang im Garten des Linzer Bischofshofes, v.l.: Diözesanbischof Manfred Scheuer, Edeltraud Artner-Papelitzky, geschäftsführende Vorsitzende des Pastoralrats, Christian Fürst, musikalische Begleitung, Generalvikar Severin Lederhilger © Diözese Linz_Appenzeller _ Pressefoto zum Download