Freitag 14. März 2025

Krankenhausseelsorge: In der Krankheit nicht nur den Körper, sondern auch die Seele stärken

V. l.: Daniel Neuböck, Doris Wierzbicki und Bischof Manfred Scheuer

Am 11. Februar ist Welttag der Kranken. Eine schwere Erkrankung stellt das Leben von Betroffenen auf den Kopf. In einer solchen Krise braucht nicht nur der Leib, sondern auch die Seele besondere Fürsorge. Krankenhausseelsorger:innen leisten einen wesentlichen Beitrag zur ganzheitlichen Behandlung.

Krankheit ist eine existentielle Erfahrung, die Menschen bewusst macht, dass sie nicht alles im Leben im Griff und unter Kontrolle haben. In einer Gesellschaft, in der Fitness, Leistung und Selbstoptimierung einen hohen Stellenwert haben, gibt es keinen Platz für Krankheit. Für Betroffene ist eine chronische oder lebensbedrohliche Krankheit ein gravierender Einschnitt, durch den jede vermeintliche Sicherheit ins Wanken gerät. In dieser Krisensituation tauchen Fragen, Unsicherheiten und Ängste auf, die im Getriebe des Krankenhausalltags oft zu kurz kommen. Es gilt, das Bild vom bisherigen Leben loszulassen und sich auf ein Leben mit der Krankheit einzustellen. Dieser Prozess geschieht nicht von heute auf morgen und verläuft in Phasen – Trauer, Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit und die Frage: „Warum ich?“ sind typische Begleiter.

 

Genau hier setzt die Krankenhausseelsorge an. Krankenhausseelsorger:innen nehmen die Patient:innen ganzheitlich in den Blick und unterstützen bei der Stärkung der geistig-seelischen Kräfte, auch durch die Gestaltung stimmiger Rituale. Sie hören zu, halten Schweres mit aus und versuchen gemeinsam mit den Betroffenen Perspektiven zu erarbeiten – sei es auf dem Weg zur Heilung, sei es für ein Leben mit der Krankheit. 65 ausgebildete hauptamtliche katholische Seelsorger:innen und rund 60 Ehrenamtliche sind in 22 Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen sowie Palliativ- und Hospizeinrichtungen in ganz Oberösterreich für die Menschen da. Sie stärken die psychischen und spirituellen Ressourcen der Patient:innen und ergänzen damit den heilenden Auftrag der Medizin – im Sinne einer ganzheitlichen Behandlung.

 

Bei einer Pressekonferenz am 5. Februar 2025 im OÖ. Presseclub stellten Bischof Manfred Scheuer, Daniel Neuböck als Leiter des Bereichs Seelsorge & Liturgie der Diözesanen Dienste, und Doris Wierzbicki als Leiterin des Teams Krankenhauspastoral die vielseitigen Aufgaben von Krankenhausseelsorger:innen vor. Sie führten vor Augen, was es braucht, um Krankheit in das eigene Leben zu integrieren und auch mit einer Krankheit ein gutes, sinnvolles Leben zu führen.

 

 

Bischof Scheuer: Zuwendung und Hilfe in der Krankheit als christlicher Identitätsmarker

 

Bischof Manfred Scheuer betonte, Gesundheit und Krankheit seien existentielle Bereiche, die in die Tiefendimension des eigenen Selbstwertgefühls, des Sinnverständnisses oder des Zusammenbruchs von Lebensentwürfen eingriffen. Menschen würden einander zu jedem Anlass „vor allem Gesundheit“ wünschen. Gesundheit stehe ganz oben auf der Rangliste der persönlichen Güter, wenn Meinungsforscher nach persönlichen Wünschen und Hoffnungen für die Zukunft fragten. Gerade bei schwerer Krankheit werde eine Bedrohtheit des Lebens erfahren. „Gesundheit lässt sich weder auf das reibungslose Funktionieren unseres Körpers reduzieren, noch besteht sie in vollkommener seelischer Harmonie. In einem umfassenden Sinn meint Gesundheit die Fähigkeit, die eigenen Lebensaufgaben auch unter Belastungen und Einschränkungen erfüllen zu können. Im äußersten Grenzfall kann sogar die Stabilisierung eines chronisch gewordenen Krankheitszustandes von den Betroffenen noch als Mindestmaß an Gesundheit erlebt werden“, so Scheuer. Gesundheit erfordere das Vermögen, „ein gesundes Verhältnis zur Krankheit zu entwickeln“, sich seelischen Konflikten zu stellen und in produktiver Weise mit ihnen umzugehen.

 

Ein gesundes Verhältnis zur Krankheit zeige sich darin, dass diese als Bestandteil des eigenen Lebens zugelassen werde. Der Kampf gegen die Krankheit und der Wille zum Gesundwerden seien natürliche Tendenzen, die den Heilungsprozess verstärkten. Ernsthafte Krankheiten dagegen müssten in die eigene Lebensführung integriert werden. „Sie führen zu einem Weiterleben unter veränderten Bedingungen und können als eine Grenzsituation erlebt werden, die uns dazu mahnt, das eigene Leben unter ein neues Vorzeichen zu stellen.“ Wichtige Begleiter:innen dabei, so Scheuers Überzeugung, seien Ärztinnen und Ärzte, das Gesundheitspersonal und vor allem „Menschen, die beistehen, die ansprechbar und berührbar sind“. Eine solche liebende Aufmerksamkeit für kranke Menschen habe auch Jesus ausgezeichnet. „Zuwendung und Hilfe in der Krankheit wird zum christlichen Identitätsmarker – in der Krankheit kann die Nähe Gottes erfahrbar gemacht werden“, unterstrich der Bischof. Scheuer dankte all jenen Menschen, die sich kranken und beeinträchtigten Menschen zuwenden und für sie da sind. Sein besonderer Dank galt den haupt- und ehrenamtliche Seelsorger:innen in den Krankenhäusern und den Menschen in den Pfarren, die Krankenbesuchsdienste machen. „Sie alle sind besondere Botschafterinnen und Botschafter der christlichen Nächstenliebe“, betonte Scheuer.

 

 

Neuböck: Krankenhausseelsorge als wesentlicher Teil eines multiprofessionellen Teams

 

Daniel Neuböck, Leiter des Bereichs Seelsorge & Liturgie der Diözesanen Dienste, wies darauf hin, dass Krankheit das Leben verändere: für die betroffene Person und deren Umfeld. Christ:innen hätten vom Evangelium her den Auftrag, Kranke zu besuchen. Diesen Dienst übernehmen 65 ausgebildete hauptamtliche katholische Seelsorger:innen und rund 60 Ehrenamtliche, die in 22 Krankenhäusern inklusive Reha-Einrichtungen sowie Palliativ- und Hospizeinrichtungen in ganz Oberösterreich für die Menschen da sind – und das etwa 90.000 Stunden im Jahr. Begleitet werden sie von der Fachstelle für Krankenhauspastoral. Durch regelmäßige Weiterbildungen wird die hohe Qualität ihrer Arbeit gewährleistet. „Mit einer Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit stellen sie sich in den Dienst aller, die ihre Hilfe, ihren Beistand, ihr Begleiten brauchen und wünschen – unabhängig von religiöser Zugehörigkeit, Weltanschauung oder Kirchenmitgliedschaft“, erklärte Neuböck.

 

Der Leiter des Bereichs Seelsorge & Liturgie hob in diesem Zusammenhang die wertschätzende und professionelle Zusammenarbeit mit Trägern und Trägergruppen in Oberösterreich hervor, die sich im regelmäßigen gemeinsamen Austausch und im Besprechen und Reflektieren von Entwicklungen zeige. Das orchestrierte Zusammenspiel mit den medizinischen und therapeutischen Professionen gelinge sehr gut, so Neuböck. „Nicht zuletzt oder gerade deswegen sind wir auch für die Mitarbeitenden in Krankenhäusern oftmals wichtige Begleiter:innen. Daher versuchen wir Kultur, religiöses Leben und Feiern in den Häusern ansprechend mitzugestalten. Dabei arbeiten wir achtsam und bemüht, integrieren die örtlichen Traditionen und Kulturen und pflegen ein gutes ökumenisches, überkonfessionelles Miteinander, vor allem mit der evangelischen Kirche.“ Die Krankenhausseelsorge der Katholischen Kirche in Oberösterreich leiste einen wesentlichen Beitrag: im Leben von Patient:innen und im System der Krankenanstalten Oberösterreichs als Teil eines multiprofessionellen Teams.

 

 

Wierzbicki: Die psychischen und spirituellen Ressourcen stärken

 

Doris Wierzbicki leitet das Team Krankenhauspastoral der Diözese Linz. Ihre Erfahrung: Krankheit ist eine existentielle Erfahrung, die das Leben verändert. Die Folge: Schockstarre, Hilflosigkeit, Überforderung, Verzweiflung, Wut und häufig auch die Frage: „Warum gerade ich?“ Für die Patient:innen und ihre Angehörigen gelte es, das Bild vom bisherigen Leben loszulassen, die neue Realität zuzulassen und sich auf ein Leben mit der Krankheit einzulassen. Das geschehe nicht von heute auf morgen, sondern sei ein Prozess, der Zeit und auch Begleitung brauche. Genau hier setze die Krankenhausseelsorge an. „Sie ist präsent, wenn das medizinische, pflegerische und therapeutische Team an seine Grenzen stößt. Sie stärkt die psychischen und spirituellen Ressourcen der Patient:innen und ergänzt damit den heilenden Auftrag der Medizin. Seelsorger:innen betrachten kranke Menschen ganzheitlich und gehen von der Überzeugung aus, dass Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden. Die Sorge um das spirituelle Wohlbefinden ist ihr Fachgebiet. Sie ist laut WHO gleichermaßen wichtig wie die um das physische, psychische und soziale Wohlbefinden“, so Wierzbicki.

 

Krankenhausseelsorger:innen nehmen sich Zeit und haben ein offenes Ohr für Sorgen, Ängste und Hoffnungen. Im vertraulichen Gespräch schaffen sie Raum für das, was im medizinischen Alltag oft keinen Platz hat: Fragen, Emotionen und das Bedürfnis nach Orientierung und Halt. Deshalb ist Krankenhausseelsorge ein unverzichtbarer Teil der ganzheitlichen Behandlung. „Gemeinsam mit den Betroffenen möchten Seelsorger:innen Räume eröffnen, in denen es möglich ist, Belastendes loszulassen oder Vergangenes zu betrauern. Denn nur so kann erkannt werden, was das Leben trägt, hält, kräftigt und was wieder Freude schenkt. Aus der Frage nach dem Warum kann sich so mit der Zeit der Fokus hin zur Frage Wozu verschieben. Dieser Perspektivenwechsel öffnet neue Möglichkeiten, dem Erlebten einen Sinn zu geben und nach vorne zu schauen“, weiß die Expertin.

 

Zuhören, mit aushalten, da sein – was so einfach, fast schon banal klingt, erklärt Wierzbicki so: „Es kann heißen, einem Patienten oder einer Patientin auf der Palliativstation schweigend die Hand zu halten. In Momenten der Belastung – sei es eine schwere Diagnose oder ein tragischer Todesfall – bedeutet es, Schock, seelischen Schmerz, Ohnmacht und Wut mit auszuhalten, ohne der Versuchung zu erliegen, ‚kluge‘ Worte finden zu müssen oder sich zurückzuziehen. In der Begleitung von Menschen in einer Reha-Einrichtung geht es darum, ihnen zu helfen, ihre eigenen geistig-seelischen Kräfte neu zu entdecken. Und manchmal ist es einfach die Geste vor einer Operation, jemandem zu sagen: ‚Ich denke an Sie‘ oder ‚Ich bete für Sie‘. Denn so bleibt man verbunden – auch ohne direkten Kontakt.“

 

Wenn es gewünscht ist, bieten Seelsorger:innen auch spirituelle Stärkung durch Rituale an. Sie spenden den Segen oder halten Wortgottesfeiern mit Kommunionspendung auf der Station oder in der Kapelle ab. Sie begleiten Sterbende und stärken Angehörige von Verstorbenen durch Abschiedsrituale. „Durch die Gestaltung von spirituellen Feiern und Ritualen, wenn Menschen im Sterben liegen oder bereits verstorben sind, trägt die Krankenhausseelsorge sowohl in der Institution als auch in der Gesellschaft zu einer Kulturentwicklung bei, die den Menschen in seiner Würde bis zuletzt wertschätzt“, erklärt Wierzbicki.

 

 

Katholische Krankenhausseelsorge in Oberösterreich im Überblick

  • In 22 Krankenhäusern inklusive Reha-Einrichtungen sowie Palliativ- und Hospizeinrichtungen in Oberösterreich (mit insgesamt 8.331 Betten) wird seelsorgliche Begleitung angeboten.
  • 65 hauptamtliche Krankenhausseelsorger:innen (Laienseelsorger:innen, Priester) leisten etwa 80.455 Stunden Seelsorge jährlich. Hinzu kommen 4 Personen in der Organisation (Team Krankenhausseelsorge der Diözesanen Dienste).
  • Rund 60 ehrenamtliche Krankenhausseelsorger:innen unterstützen mit etwa 9.500 Stunden jährlich.

 

Ausgebildete Krankenhausseelsorger:innen

  • arbeiten im Auftrag der Kirche
  • arbeiten in ökumenischer Verantwortung und in Respekt vor den verschiedenen Religionen und Weltanschauungen
  • sind in verschiedenen Bereichen Teil interprofessioneller Teams
  • begleiten Patient:innen, Angehörige und Mitarbeiter:innen
  • bieten situationsadäquate Rituale an
  • sind zur Verschwiegenheit verpflichtet und in Notfällen rund um die Uhr rufbar
  • unterstützen bei Bedarf das Kriseninterventionsteam in einem Krankenhaus

 

Mehr Informationen zum Welttag der Kranken und der katholischen Krankenhausseelsorge
in Oberösterreich und die Botschaft von Papst Franziskus unter:

www.dioezese-linz.at/welttag-der-kranken

www.dioezese-linz.at/krankenhauspastoral

 

 

Kontakt:

Dipl.-PAss.in Dipl. Päd.in Doris Wierzbicki MASSc

Leitung Team Krankenhauspastoral

Fachbereich Lebensbegleitung & Beratung

Kapuzinerstr. 84 | 4020 Linz
Tel.: 0676 8776 1279
doris.wierzbicki@dioezese-linz.at

 

 

 

Presseunterlagen zum Download

 

Statements zur Pressekonferenz (doc / PDF)

Presseaussendung (doc /PDF)

Broschüre „Katholische Krankenhausseelsorge in Oberösterreich“ (PDF)

 

Pressefotos zum Download

Fotos der Pressekonferenz zum Download (honorarfrei) © Diözese Linz / Kienberger

 

 

Fotos von Krankenhausseelsorger:innen zum Download (honorarfrei) © siehe jeweiliges Foto

Kirche vor Ort
Herzlichkeit in einer herzlosen Welt

Vöcklamarkt: Herzlichkeit in einer herzlosen Welt

Anlässlich des 950-Jahr-Jubiläums kam am 11. März 2025 der bekannte Pastoraltheologe Professor Paul Zulehner in die...

Pfarramt eingeweiht

Pfarramt in Zell/Pettenfirst eingeweiht

Am 9. März 2025 wurde bei strahlendem Sonnenschein das neuePfarramt der Pfarre Zell am Pettenfirst gesegnet. Bei...

Pfarrcafé „Erstkommunion"

Erstkommunionvorbereitung in Braunau- St. Stephan

In der Pfarrgemeinde Braunau -St. Stephan läuft die Vorbereitung auf die Erstkommunion: Am 1. Fastensonntag standen...
Katholische Kirche in Oberösterreich
Diözese Linz

Herrenstraße 19
4020 Linz
https://www.dioezese-linz.at/
Darstellung: