Durchs Reden kommen d’Leut zam
Seit Jahren engagiert sich der Theologe Stefan Schlager für interreligiösen Dialog in Oberösterreich. So nennt es sich, wenn Menschen unterschiedlicher Religionen ins Gespräch kommen. Über Gemeinsames, Hoffnungen und Ängste. Und so kam es, dass für Stefan Schlager aus Dialogpartnern Vertraute wurden, mit denen er gerne lacht und über Kinder und Familie plaudert.
„Typisch, die sind doch ...“
Albin Sopa hat Probleme mit seinem Rücken, Erwin Reiterer hat einen gebrochenen Fuß. Sie liegen in einem Zimmer des Landeskrankenhauses [...]. Am Nachmittag erhalten sie Besuch, Frau Reiterer und sieben Familienmitglieder der Sopas [...]. Im Nu sitzen zwei Kinder auf Herrn Sopas Bett [...], die Schwiegertochter verteilt eine mitgebrachte Jause und ein Onkel testet den Fernseher. Erwin Reiterer plaudert leise mit seiner Frau. Als man ihnen Kuchen anbietet, lehnen sie ab. Familie Sopa stammt ursprünglich aus dem Kosovo [...]. Herr Sopa denkt: „Es ist traurig, wie wenig Besuch Herr Reiterer hat. Hat er keine Familie und Freunde? Aber kein Wunder, er ist auch unhöflich, nicht einmal den Kuchen nimmt er an. Wenn bei uns jemand krank ist, wird er häufig besucht, das ist doch selbstverständlich.“ Herr Reiterer hingegen ärgert sich: „Da kommt die ganze Sippschaft und breitet sich im Zimmer aus. Merkt denn niemand, dass wir uns in Ruhe unterhalten wollen?“
Dieser gekürzte und zusammengefasste Text stammt aus dem Büchlein „Jedes Mal anders. Sieben Geschichten über interkulturelle Begegnungen“ (erhältlich bei: www.landdermenschen.at). An der Herausgabe waren verschiedene Vereine und Institutionen aus Oberösterreich und der Diözese Linz beteiligt, u.a. die Theologische Erwachsenenbildung, die Stefan Schlager leitet. Interkulturelle oder -religiöse Begegnungen, die auf beiden Seiten mit Unverständnis enden, sind keine Seltenheit, weiß der Theologe. Das müsste nicht so sein.
Interreligiöser Dialog – wozu?
Vier Menschen verschiedenen Glaubens geben Antwort:
Stefan Schlager: „Es geht um ein gegenseitiges realistisches Bild vom anderen. Es geht um Respekt und Hochachtung voreinander, darum, Vertrauen aufzubauen – gerade in Zeiten des Verdachts. Außerdem lernt man seine eigene Religion besser kennen, je mehr man sich mit anderen befasst.“
Theologe Dr. Stefan Schlager: „Beim interreligiösen Dialog geht es um ein gegenseitiges realistisches Bild vom anderen.“ © Johannes Hagn
Dipl.Päd. Moussa Al-Hassan Diaw, M.A., von der Islamischen Glaubensgemeinschaft und Mitarbeiter am Z.I.M.T. der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz, ist Schlagers Gegenstück für interreligiösen Dialog mit dem Islam. Die Antwort des Experten für religiösen Fundamentalismus: „Es geht ums Kennenlernen und Verstehen des Anderen, um den Abbau von Vorurteilen, Klischees, Feindbildern. Und um das Reflektieren des Eigenen."
Murat Baser ist Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft Linz. Er sagt: „Der interreligiöse Dialog spielt in unserer Zeit eine wichtige Rolle, da durch ihn Vorurteile, Stereotypen, Rassismen, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit abgebaut werden können. So lässt sich behaupten, dass interreligiöser Dialog den Pfeiler für einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt darstellt. Religionen vermitteln allgemein Werte und Normen und damit auch Moral und Ethik. Für einen frommen Menschen, unabhängig von der Konfession, müssen daher Toleranz und Respekt einen verinnerlichten Teil der eigenen Identität darstellen, was im zwischenmenschlichen Umgang einfließen muss.“
Dr.in Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Linz, fasst zusammen: „Es geht darum, das Gemeinsame aller Religionen zu suchen, nicht nur die Unterschiede.“
Das Erspüren des Gemeinsamen
Dieser Blick auf das Gemeinsame unterscheidet Menschen, die den Dialog suchen, von jenen, deren Blick nur auf dem Trennenden liegt. „Wie PEGIDA“, sagt Schlager und fährt fort: „Auf Unterschiede hat auch die Kirche jahrhundertelang geschaut. Aber das änderte sich mit dem II. Vatikanischen Konzil. In ‚Nostra aetate‘, der Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, heißt es, dass die Kirche vor allem das ins Auge fasst‚ ‚was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Gemeinschaft untereinander führt‘. Und: ‚Wir können aber Gott, den Vater aller, nicht anrufen, wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, die brüderliche Haltung verweigern‘.“ Änlich argumentiert Murat Baser: „In einer Überlieferung unseres Propheten Mohammed heißt es: ‚Der Beste unter euch ist derjenige, der seinen Mitmenschen am nützlichsten ist‘.“ Als Muslim sieht er sich gefordert, seinen Beitrag für eine erfolgreiche und harmonische Gesellschaft zu leisten. Aber wie?
Vertrauen wachsen lassen
Das Wichtigste ist, im anderen einen Menschen zu sehen. Und die Gewissheit: „Ja“ zur eigenen Religion zu sagen, bedeutet nicht Abwertung oder Ablehnung anderer oder rechtfertigt gar Respektlosigkeit. „Auch eine alte Volksweisheit hilft, behält man sie im Hinterkopf“, meint Schlager schmunzelnd: „Wie ich in den Wald hineinrufe, so kommt es zurück.“ Es ist also die Haltung, die bei Begegnungen wichtig ist, um ein gutes Klima zu schaffen, in dem Vertrauen gedeiht. „Aus der Vorurteilsforschung wissen wir: Menschen neigen dazu, Angst zu haben, wenn etwas fremd ist. Aber wenn wir Gemeinsamkeiten entdecken, fangen wir an, andere mit neuen Augen zu sehen, und wir können Religionen und Menschen realistischer einschätzen.“ Gefragt sind vertrauensbildende Maßnahmen. Auf beiden Seiten. „Sonst besteht die Gefahr, nur auf jene zu hören, die am lautesten schreien.“
Gegen Vorurteile positionieren sich Vertreterinnen verschiedener Religionen mit der Aktion „Hand in Hand gegen Angst und Gewalt − Frauen für Vertrauen, Dialog und Gerechtigkeit“. Sie appellieren via Facebook: „Posten Sie ein Foto, auf dem Sie mit (einem) Menschen anderer Herkunft oder Religion zu sehen sind.“ Initiatorin ist die Katholische Frauenbewegung. © shutterstock.com/Mila Supinskaya
Interreligiöser Dialog in Oberösterreich
Die Bereitschaft zu Gesprächen und Begegnungen ist seit Jahren groß. Auf verschiedenen Ebenen kommunizieren alle staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften miteinander, wie zum Beispiel die Islamische Glaubensgemeinschaft, die Israelitische Kultusgemeinde oder die Buddhistische Religionsgemeinde. Ansätze zum Dialog gibt es auch mit anderen zugelassenen Religionen, wie Jehovas Zeugen, den Siebenten-Tags-Adventisten oder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.
Exemplarisch werden hier einige Plattformen oder Einrichtungen vorgestellt:
Die Theologische Erwachsenenbildung mit Stefan Schlager bietet interreligiöse Vorträge, Beratung und Mediation. Mit einem/einer PartnerIn einer anderen Religion referiert Schlager etwa in Pfarren oder bei Dekanatskonferenzen. „Wenn wir eine Anfrage bekommen, ob wir beispielsweise etwas über den Islam machen können, fahren Moussa oder Murat und ich hin. Dass wir zu zweit kommen, ist wesentlich. Auch wie wir miteinander umgehen. Das hat Vorbildwirkung.“ Wichtig sind außerdem Hilfestellungen für einen guten gegenseitigen Umgang im Alltag. Deshalb gibt es Seminare für Pflegepersonal im Krankenhaus, angehende PolizistInnen oder für Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer. Ein neues Projekt läuft mit der Telefonseelsorge − Notruf 142. Ausgebildete MuslimInnen leihen Anrufenden ihr Ohr.
Pressekonferenz der Telefonseelsorge − Notruf 142: Ab sofort leihen ausgebildete MuslimInnen Anrufenden ihr Ohr. V.l.: Dr. Silvia Breitwieser (Telefonseelsorge), Murat Baser (Islamische Religionsgemeinde Linz), Dr. Stefan Schlager (Theologische Erwachsenenbildung der Diözese Linz). © Diözese Linz
Schon lange im interreligiösen Dialog engagiert sich das Ökumenereferat der Diözese Linz. Referentin Mag.a Helga Schwarzinger organisiert den „Tag des Judentums“ − ein Tag für ChristInnen, die sich ihrer Wurzeln im Judentum besinnen wollen. Zwei- bis dreimal im Jahr setzen sich Jüdinnen und Juden, KatholikInnen, MuslimInnen und BuddhistInnen an den „Runden Tisch der Religionen“. Das Ökumenereferat berät auch und es organisiert so manche andere interreligiöse Veranstaltung. Ökumenereferat der Diözese Linz: (0676) 87 76 81 40
Anlaufstelle für LehrerInnen im Umgang mit Mehrsprachigkeit, Fluchterfahrungen, eventuellen religiösen Extremismus ist Z.I.M.T. − „Zentrum für Interreligiöses Lernen, Migrationspädagogik und Mehrsprachigkeit“ an der Pädagogischen Hochschule der Diözese. Inhaltlich zusammengearbeitet wird mit Bildungslandesrätin Mag.a Doris Hummer.
Dr.in Renate Hofer und Dr. Thomas Schlager-Weidinger leiten Z.I.M.T. an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz: „Die Diözese Linz zeigt unsere Erachtens interreligiöse Kompetenz, indem sie einen muslimischen Mitarbeiter (Moussa Al-Hassan Diaw) an einer katholischen Hochschule einstellt." © Z.I.M.T.
Wichtig ist der interreligiöse Dialog auch dem Land Oberösterreich. 2013 wurde der „Oö. Religionsbeirat“ einberufen.
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Der Text erschien in der MitarbeiterInnen-Zeitung „informiert" der Diözese Linz, Ausgabe 3/2015. Verfasserin ist Maria Appenzeller. Sie führte die Interviews und Recherchen. (ma)