Sing von den Frauen - Gott ist nicht nur Mann und Herr
Zu einem Abend, der sehr viele Menschen anlockte, luden das Evangelische Bildungswerk (Leitung: Mag. Rudolf Jungwirth), das Katholische Bildungswerk (Leitung: Christian Penn) und die Katholische Frauenbewegung (Leitung: Elisabeth Berger) ins Pfarrzentrum St. Hippolyt in Eferding. „Alles hat seine Stunde, für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit.“ Das Zitat aus dem alttestamentlichen Buch Kohelet gibt der Musikgruppe kohelet3 den Namen, die den Abend mit jüdischer und osteuropäischer Musik gestaltete.
Kohelet3. © Max Neundlinger
Für diese Stunde stand die bedeutende feministische Theologin, Schriftstellerin, Pazifistin und Mystikerin Dorothee Sölle (1929 – 2003) im Mittelpunkt einer beeindruckenden Spurensuche. Sich anstecken und berühren lassen von der Kraft der Sprache und der Musik, das war das Motiv des Abends: Texte von Dorothee Sölle, zusammengestellt von Pfarrerin Monika Pülz, wichtige Stationen aus ihrem Leben, vorgetragen von Ewa und Bohdan Hanushevsky, und die Musik von kohelet3 (Ewa und Bohdan Hanushevsky, Kurt Edlmair). Das ereignisreiche Leben der bedeutenden Theologin wurde in Persönlichem, Mystischem, Poetischem, in Begegnungen und Brüchen dargestellt.
Schon als junges Mädchen ist Dorothee Sölle eine provokant Fragende: Wo war Gott in Auschwitz? Warum hat sich das liberale Bürgertum nicht entschieden gegen Hitler gewehrt? Durch die Begegnung mit dem jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber kommt sie mit dem Judentum in Berührung. Glaube und Politik sind untrennbar:
Das "Politische Nachtgebet", ab Oktober 1968 (bis 1972) einmal im Monat in der Antoniterkirche in Köln, ist untrennbar mit Sölle verbunden. Ab 1979 findet sie durch die Freundschaft zu Ernesto Cardenal und die Begegnung mit mittel- und lateinamerikanischen Basisgemeinden einen radikal anderen Zugang zur Bibel. In einem Brief an Cardenal schreibt sie: „Du hast sie beieinander gelassen: Religion, Politik und Liebe. Deine Liebeslieder sind politisch, deine Psalmen erotisch. Deine Bejahung, deine Feier des Lebens ist umfassend.“
„Ihr könnt die Sonne nicht verhaften, sie scheint. Ihr könnt die Frauen nicht kleinkriegen, sie lachen!“ Feministische Theologie ist Dorothee Sölle ein wichtiges Anliegen: „Gott ist mindestens so sehr unsere Mutter wie unser Vater.“ Gott braucht alle seine Kinder.
Nach ihrem Vortrag „Gott und das Glück“ stirbt Dorothee Sölle am 27. April 2003 an einem Herzinfarkt. Worte aus dem Psalm 36 stehen auf ihrem Grabstein: „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht.“
Im Schlusswort fasst Christian Penn den Abend zusammen: „An die Quellen geführt, gestärkt mit frischem Wasser für Seele und Geist und wunderbare, heilsame Unruhe gestiftet!“
Ein herzliches Dankeschön an die Initiatorin der gelungenen Veranstaltung, Birgit Scalet!
© Max Neundlinger
Ingrid Neundlinger / Stadtpfarre Eferding