Sonntag 22. Dezember 2024

Maria und die Kräuter: Maria Himmelfahrt in Waldburg

In Krisenzeiten vermag Glauben und Kirche Halt und Hoffnung zu geben. Mesnerin Erika Katzmayr sorgt auch in Coronazeiten für einen reibungslosen Ablauf der Gottesdienste. Maria Himmelfahrt mit Desinfektionsmittel statt Weihwasser.

Menschenscharen, prächtige Prozessionen, Goldhaubengruppen, Chorgesang und eine Musikkapelle. All das gab es bei der diesjährigen Maria Himmelfahrts-Feier nicht. Bevor der Gottesdienst um halb neun Uhr beginnt, wird noch Rosenkranz gebetet: „Jesus, der dich, oh Jungfrau, in den Himmel aufgenommen hat“, ist aus der Kirche zu hören. Der Eingang zur Pfarrkirche ist mit einem Kranz aus Sonnenblumen geschmückt. Erst eine Handvoll Leute sitzt in den Kirchenbänken – mehr nicht. Vor dem Altar liegen die Kräuterbüschel bereit zur Segnung.

 

Der Altar ist beleuchtet und die ersten Leute sind zum Rosenkranzbeten eingetroffen. Um Punkt 8 Uhr wird mit der ersten Perle begonnen.

Der Altar ist beleuchtet und die ersten Leute sind zum Rosenkranzbeten eingetroffen. Um Punkt 8 Uhr wird mit der ersten Perle begonnen. Foto: © Rainer Manzenreiter

 

Der Rosenkranz ist beendet, die restlichen Kirchenbesucher kommen und kaum jemand trägt etwas anderes als Tracht,  wie es an diesem Tag Brauch ist am Land. Die Musik fiel für eines der ältesten Hochfeste der katholischen Kirche etwas mager aus. Einsamer Orgelklang, keine innig gesungenen Marienlieder. Nur die Mesnerin Erika Katzmayr tut ihre Arbeit in der gewohnten Sorgfalt, ob Corona oder nicht. Die Vorbereitung der Gottesdienste in der Pfarrkirche Waldburg gehört zu ihren Arbeiten. Sie ist hier, in der Pfarre im Mühlviertel in Oberösterreich, bereits seit 15 Jahren Mesnerin.

 

Kräuter, die keine Kräuter sind

 

Was ein Hochfest für eine Mesnerin an Arbeit bringt, schildert Erika Katzmayr trocken: „Der Unterschied ist nicht groß. Für die Pfarrer gibt es verschiedene Gewänder, mehr Ministranten und der Blumenschmuck ist an Hochfesten größer und bunter“, fasst Erika zusammen, „und natürlich die Kräuterbüschel, die vom Pfarrgemeinderat gebunden werden, gehören dazu“. Die Büschel bestehen meist aus sieben Kräutern. Der Waldburger Pfarrgemeinderat sieht den Begriff Kräuter etwas weitläufiger: In den außergewöhnlichen Kräuterbüscheln sind Königskerzen, verschiedene Getreideähren, Beifuß und auch Blumen eingebunden. „Vieles davon ist in jedem Garten zu finden“, erläutert die Mesnerin. Der Brauch Kräuterbüschel zu binden und weihen zu lassen gehe auf Johannes von Damaskus zurück, dem bei der Öffnung des Grabes Mariens der Duft nach Kräutern und Rosen entgegengestiegen sein soll.

 

Ein normaler Mesnerinnen-Arbeitstag für Erika beginnt mit dem Umdrehen des Schlüssels in der Kirchentür. Zwei Schritte weiter wird kontrolliert, ob genug Weihwasser bereitsteht: „Weihwasser ist in Corona-Zeiten natürlich hinfällig“, erklärt sie. Blumenschmuck, Kerzen und die Ordnung der Gotteslobe kontrolliert die Mesnerin im Vorbeigehen. Vor einem Gottesdienst werden Kelche geputzt, das liturgisch passende Gewand für den Pfarrer bereitgelegt und das Messbuch auf den Altar gebracht. Ein kurzer Blick über die Schulter, ob das ewige Licht noch brennt, und die Vorbereitungen sind erledigt.

 

Am Fest Maria Himmelfahrt mag die Mesnerin besonders, „dass die Gottesmutter stellvertretend für alle Frauen im Vordergrund steht. Mein Lieblingsfest ist Weihnachten“, erzählt Erika: „Ich mag aber auch Ostern gerne, das Problem mit Ostern und der Karwoche ist nur, dass es mit sehr viel Arbeit verbunden ist.“ Im Großen und Ganzen fühlt sich Erika als Mesnerin sehr wohl, das Schwierige sei nur, „dass verschiedene Pfarrer auch unterschiedliche Vorstellungen haben. Zu meinen Aufgaben gehört also auch, mit den Eigenheiten jedes Pfarrers umzugehen“.

 

Sechzig, nicht Hunderte

 

Mit den Corona-Maßnahmen hat sich auch der Arbeitsalltag für Erika verändert: „Natürlich muss man mehr aufpassen.“ Neben der Maskenpflicht beim Betreten und Verlassen der Kirche darf auch nur jede zweite Reihe der Kirchenbänke in den Seitenschiffen besetzt werden. „Leider funktioniert die Umsetzung nur teilweise“, sagt Erika und verdreht dabei die Augen, „manche Leute denken, weil sie immer schon an einem bestimmten Platz in der Kirche sitzen, darf sich das auch mit der Coronakrise nicht ändern“.

 

Besonders mühsam sei es, wenn Kirchenbesucher meinen, die Bänder, die die Kirchenbänke als gesperrt kennzeichnen, einfach entfernen zu dürfen. „Sie hängen die Bänder ab und ich muss immer wieder nachgehen und sie zwei- bis dreimal täglich aufhängen“, erzählt Erika etwas genervt.

 

Die Kräuterbüschel sind verteilt, und die Leute sind froh am Kirchplatz wieder miteinander reden zu können.

Die Kräuterbüschel sind verteilt, und die Leute sind froh am Kirchplatz wieder miteinander reden zu können.

Foto: © Rainer Manzenreiter

 

Nach dem Gottesdienst zu Maria Himmelfahrt versammeln sich die Kirchenbesucher noch vor dem Eingang und plaudern gemütlich. Die Kräuterbüschel werden sorgsam eingepackt oder noch in den Händen gehalten. Auch wenn die üblichen Menschenscharen ausbleiben, freuen sich die Gottesdienstfeiernden über die Gemeinschaft. „Ich gehe nicht nur zum Beten in die Kirche, sondern auch um Leute zu treffen“, so eine Kirchenbesucherin nach dem Gottesdienst.

Erika habe ursprünglich nicht Mesnerin werden wollen: „Zuerst habe ich nur für ein Jahr zugesagt, inzwischen sind es halt schon 15 geworden.“ Abends werden noch brennende Kerzen ausgeblasen und ein letzter Blick auf den Altar geworfen. Die Sonnenblumen um den Türrahmen wirken wie Erika etwas müde. Sie steckt den Schlüssel in das Türschloss und verschließt das Kirchentor.

 

Ein gebundenes Kräuterbüschel auf dem Altar in der Pfarrkirche Waldburg. Viele dieser Kräuter werden von Laien mit Unkraut verwechselt.

Ein gebundenes Kräuterbüschel auf dem Altar in der Pfarrkirche Waldburg. Viele dieser Kräuter werden von Laien mit Unkraut verwechselt. Foto: © Rainer Manzenreiter

 

Das Fest Maria Himmelfahrt

 

Maria Himmelfahrt wird in der römisch-katholischen Kirche am 15. August gefeiert. Ursprünglich wurde es im 5. Jahrhundert von Cyrill von Alexandrien eingeführt. Kräuter sind schon seit Jahrtausenden für viele Kulturen für ihre heilende Wirkung bekannt. An Maria Himmelfahrt werden verschiedene davon zu einem Strauß gebunden, der während der Messe gesegnet wird. Besonders verbreitet ist dieser Brauch in ländlichen Gebieten. Je nach Brauch werden entweder sieben für die sieben Sakramente, neun für die dreifache Dreifaltigkeit, zwölf für die zwölf Apostel oder vierzehn für die Zahl der Nothelfer davon in dem Büschel verarbeitet. Die Kräuter sollen den Menschen Kraft geben und auch dabei helfen, Wunden und Krankheiten zu heilen.

 

(Diese Reportage von Rainer Manzenreiter entstand im Zuge der Ausbildung an der Katholischen Medienakademie.)

 

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