Theologische Gedanken zum Priesteramt
Frühere Vorstellungen vom Priester sind heute zerbrochen, den „Hochwürden” gibt es nicht mehr, in der Gesellschaft ist der Priester einer unter vielen, ohne besonderes Ansehen.Was oder wer ist jemand, der zum Priester geweiht wird, worauf kann er seine Existenz gründen, woher kommt die Berufung, wofür ist er da, und was ist das Besondere des Amtsträgers?
Priester sind Teil des Volkes Gottes
Auf die Frage nach dem Wesen des Priesters und der priesterlichen Berufung, werden wir verschiedene Aussagen hören. Je nach Perspektive, eigener Biographie oder theologischer Schwerpunktsetzung wird die Antwort unterschiedlich ausfallen. Im Zweiten Vatikanischen Konzil heißt es in der Kirchenkonstitution (LG 30), dass alles, was über das Volk Gottes gesagt wurde, in gleicher Weise für Laien, Ordensleute und Kleriker gilt, und gleichzeitig wird an der hierarchisch verfassten Struktur der Kirche festgehalten und das Dienstamt des Bischofs (von Christus eingesetzt) mit seinen Mitarbeitern, den Priestern und Diakonen besonders herausgestrichen (LG 18-29). Das gesamte Gottesvolk, alle Getauften und Gefirmten, sind berufen, das Wort Gottes zu bezeugen und in missionarischer Sendung in der Welt zu verkünden (vgl. Apg 1,8). Auch das Apostolat der Laien ist Teilnahme an der Heilssendung der Kirche, mit besonderem Blick und besonderer Berufung für die Dinge der „Welt“. Das Zweite Vatikanische Konzil ergänzt die hierarchische Sichtweise[1] mit dem Blick auf die grundlegende Gemeinsamkeit aller in Taufe und Firmung.
Priester – auf Christus hin ausgerichtet
Die Priester sollen speziell als Diener Christi Zeugen des Reiches Gottes sein, sich dieser Welt nicht angleichen, und gleichzeitig mit den irdischen Lebensverhältnissen vertraut sein. Sie sind Menschen, die „den Himmel offen halten”[2] und Hoffnung geben.
Die auf dem Konzil nur angedeuteten und vorgezeichneten Linien, dass der Priester Diener der Einheit und Spender der Sakramente ist und durch das Weihesakrament Christus dem Priester gleichförmig wird („repräsentatio Christi”), führt das Dekret über die Priester in Punkt 9 und 12 aus. Die nachkonziliare Theologie versucht zudem, die veränderte Situation von Welt, Gesellschaft und Kirche in den Blick zu nehmen.
Priester – vertraut sein mit Gott und offen für die Welt
„Die priesterliche Berufung ist im wesentlichen eine Berufung zur Heiligkeit in der Form, die aus dem Sakrament der Priesterweihe entspringt”, heißt es im Schreiben Pastores dabo vobis.[3] Priesterliche Berufung hat etwas mit Heiligkeit und Weihe zu tun.
Das mag im ersten Moment etwas sperrig klingen. Heiligkeit, so heißt es im Dokument weiter, ist Vertrautheit mit Gott, ist Nachahmung Christi, vorbehaltlose Liebe zu den Menschen, und sie ist Liebe zur Kirche. Wir können festhalten, dass das priesterliche Leben ein Leben mit besonderer Verfügbarkeit für Christus ist, und geprägt wird von einer großen Offenheit und Liebe für die in der vom Heiligen Geist gewirkten und geleiteten Gemeinschaft der Kirche. Damit wird die vorkonziliare Engführung auf den Priester als Kultperson aufgebrochen (nicht aufgehoben) und er kann sich zu einem „zeitoffenen Gottesmann” entfalten.[4] Zu „Vertrautheit mit Gott” gehört auch die Verfügbarkeit und Offenheit für den Anruf Jesu, dessen Leben Maßstab für das Leben eines Priesters ist. Im Alten Testament ist mit dem Begriff „Heiligkeit” nicht in erster Linie die moralisch hochstehende Lebensform gemeint, sondern „der Heilige” ist Gott selbst und dann alles, was ihm in besonderer Weise zugeordnet ist. Heilig und Heiligkeit sind Beziehungsbegriffe und drücken in erster Linie das Nahverhältnis zu Gott aus.
Priester – Beziehungsstifer und Versöhner
Beziehung stiften ist nach dem Vorbild Jesu und in der Linie der beauftragten Apostel ein zentraler Aspekt priesterlichen Wirkens (LG 1). Das geschieht besonders im sakramentalen Dienst der Versöhnung und der Eucharistie. Die Wirklichkeit der Gegenwart Gottes in den verschiedenen Formen übersteigt jede Subjektivität (die natürlich in jede Feier einfließt und die ernst genommen wird), und ist „Geheimnis des Glaubens”, wie wir es ausdrücken. Das sakramental gesprochene Wort von der Sündenvergebung und der Vorsitz der Eucharistie, die Tun und Werden der Kirche betreffen, kann nicht in der Beliebigkeit liegen. Das soll dem geweihten Amtsträger zukommen, der von Christus berufen und von der Kirche legitimiert ist.
Priester – Berufener im Dienst der Kirche
Die speziell priesterliche Nachfolge und das priesterliche Amt haben ein eigenes „Wesen”, das sich kein Mensch selbst geben und das auch die Kirche nicht einfach als Auftrag für eine bestimmte Zeit vergeben kann. Im allgemeinen Sprachgebrauch war über lange Zeit für einen Priester der Ausdruck „Geistlicher” üblich. Der Priester ist ein gerufener und zu einem bestimmten Dienst berufener Mensch, der mit seinem ganzen Leben Zeugnis für die Gegenwart Gottes in der Welt gibt. Zu so einem Leben kann man nicht „beauftragt” werden, wie man auch keinen „Auftrag” zu Ehe übernehmen kann. Dazu bedarf es zur persönlichen Entscheidung auch des Sakramentes – des Heiligen Zeichens – und der dauerhaften Zusage von beiden Seiten. Wenn diese Vertrauensbasis und das existentielle Einlassen im Leben und Wirken fehlt, ist die priesterliche Existenz nur noch Beamtentum, aber nicht mehr sakramentales Amt und Leben, das von der Berufung und Sendung durch Christus lebt. Der Priester wird in seiner speziellen Lebensgestaltung besonderes Augenmerk darauf legen, dass die Beziehung und Vertrautheit zu Christus immer tiefer werden kann.
Ein wesentlicher Aspekt des „Geistlichen” ist, dass er zeichenhaft am Dienst des vergebenden und versöhnenden Wirkens des Heiligen Geistes mitarbeitet. Der Priester ist Diener der Versöhnung und der Einheit, nicht durch persönliche Leistung und Integrität, sondern durch das Amt, das ihm übertragen wurde. Zur Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des Priesters gehört natürlich die persönliche Lebensführung dazu, aber das Wirken und Leben eines Priesters ist wesenhaft an eine größere Wirklichkeit gebunden und von dieser getragen. Die Priesterweihe ist mehr als nur das Auflegen der Hände und das Sprechen des Weihegebetes durch den Bischof, sondern weil der Bischof die Hände aufgelegt und ein Weihegebet gesprochen hat, wird jemand zum Priester. Deshalb ist er dem Grade nach nicht mehr als jeder andere Mensch, aber er ist in besonderer Weise gebunden (wie bei der Ehe).
Priester und gemeinsames Priestertum der Getauften und Gefirmten
Als kirchliche Gemeinschaft soll es unser aller Anliegen sein, die Möglichkeiten für eine zeitgemäße Verkündigung des Evangeliums zu schaffen und die verschiedenen Berufe und Dienste zu fördern. Der Priester, von Christus berufen, gehört wesentlich zu unserer Kirche und steht ihr als Repräsentant Christi auch gleichzeitig gegenüber.[5] Er weist allein durch seine Existenz auf die je größere Wirklichkeit Gottes hin.
Priester – in der Welt von heute
In den Diskussionen fällt mir auf, dass im Zusammenhang mit dem Priesterberuf sehr viel von „Verzicht” gesprochen wird, man sollte durchaus auch über den „Gewinn” reden, den diese Lebensform bringen kann. Glück und Zufriedenheit stellen sich nicht ein, wenn man (scheinbar) alles haben kann, sondern wenn man den richtigen Lebensweg gewählt hat. Ein Leben aus der speziellen Berufung von Christus her und im Dienst der Kirche raubt einem nicht die Persönlichkeit, sondern fordert und fördert sie, zum eigenen Wohl und dem der Gemeinschaft. Priester sind Menschen, die mit beiden Beinen auf der Erde stehen, aber den Blick nach oben offen haben und halten.
[1] Vgl. dazu Vat II: Dekret über Dienst und Leben der Priester (Presbyterorum Ordinis), 2-3.
[2] So ein Buchtitel: G. Augustin – J. Kreidler (Hg), Den Himmel offen halten. Priester sein heute, Freiburg 2003.
[3] Pastores dabo vobis, 33. Nachsynodales Apostolisches Schreiben von Papst Johannes Paul II, vom 25. 3. 1992. Dahinter steht wohl das Kap III von PO, wo von der Berufung des Priesters zur Vollkommenheit gesprochen wird.
[4] Vgl. P. M. Zulehner – A. Hennersperger, Sie gehen und werden nicht matt. Priester in heutiger Kultur, Ostfildern 22001 oder G. Greshake, Preister sein in dieser Zeit. Theologie – Pastroale Praxis – Spiritualität, Freiburg 22000.
[5] Die Untersuchung von P. M. Zulehner, Priester im Modernisierungsstress, Ostfildern 2001 zeigt, dass die Rückbindung des Amtes an Christus nicht heißt, dass ein priesterzentriert-klerikales Kirchenbild gegeben ist. Vgl auch K. Demmer, Zumutung aus dem Ewigen. Gedanken zum priesterlichen Zölibat, Freiburg 1991.
Regens Dr. Johann Hintermaier