Gott, der Schöpfer?
Das Spiel mit Zahlen fasziniert mich. Zahlen können Größenordnungen, Dimensionen, Zusammenhänge aufzeigen, die zum Staunen bringen. Wussten Sie etwa, dass unsere Erde 30-mal schneller als eine Gewehrkugel durch den Kosmos fliegt – mit rund 107.000 Stundenkilometern – und sich dabei mit ungefähr 1000 km/h um ihre Achse dreht? Das Gewicht, genauer gesagt die Masse der Erde beträgt 5937 Trillionen Tonnen. Die Masse der Sonne wiederum ist so groß, dass 333.000 Erdmassen hineinpassen würden. Interessant ist auch das Größenverhältnis: wäre die Erde 1,3 cm groß, so würde die Sonne 1,4 Meter groß sein – real hat die Sonne einen Durchmesser von 1,4 Millionen Kilometern. Von den neun Planeten bzw. Zwergplaneten, die um unsere Sonne kreisen, hat Pluto den größten Abstand zur Sonne. Mit fast sechs Milliarden Kilometern ist er etwa 40-mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde. Und doch gleicht unser Sonnensystem mit seinen Planeten einem winzigen Punkt. Unsere Sonne ist nämlich nur eine von 100 Milliarden Sonnen in unserer Galaxie, der Milchstraße. Obwohl die Milchstraße einen Durchmesser von 950.000 Billionen Kilometer hat, ist auch sie nur eine verschwindend kleine Größe im Weltall: es gibt nämlich noch etwa 100 Milliarden anderer Galaxien.
Wissen und Glaube
So interessant der Blick in die Weite ist, so faszinierend ist auch der Blick in die „Tiefe”. Der Mensch besteht aus über 80 Billionen (80.000.000.000.000.000) Zellen. Alleine in einem Blutstropfen sind über eine Million Blutzellen. Wenn man die zehn Milliarden Nervenzellen des menschlichen Gehirns aneinander reihte, so ergäbe dies eine Länge von 500.000 Kilometern ergeben. Der Mond ist von der Erde „nur” 384.000 Kilometer entfernt. Faszinierend ist auch die Tatsache, dass alle Lebewesen – von Viren, Bakterien, Pilzen über Pflanzen und Tiere bis hin zum Menschen – nach dem gleichen Prinzip funktionieren: der Selbstorganisation der Materie. Die Erbinformationen aller Lebewesen sind aus den gleichen vier Bausteinen zusammengesetzt. Dass überhaupt Leben entstehen konnte, war alles andere als selbstverständlich. Es gab eine unglaublich präzise Feinabstimmung in den Grundkräften des Universums (etwa in der Kraft, die Atomkerne zusammenhält).
Es ist unübersehbar: In den letzten Jahrzehnten ist das Wissen der Menschen rasant gewachsen. Hat damit aber der Glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, ausgedient? Ist der Schöpfungsglaube der Bibel in unserer „Wissensgesellschaft”, die nur das Wahrnehmbare und Berechenbare gelten lässt, nicht heillos überaltert, nichtssagend?
Aus Zuwendung
Wenn die Bibel von Schöpfung spricht, geht es ihr um etwas anderes als Naturwissenschaft. Sie fragt viel tiefer, viel existentieller: nämlich nach der eigentlichen Bestimmung, dem letzten Grund, Halt und Ziel der Welt. Aufgrund jahrhundertelanger Erfahrungen, die das Volk Israel gemacht hat, findet sich in der Bibel eine besondere Überzeugung: Hinter allem, was ist, steht nicht irgendein unpersönliches Prinzip, eine unberechenbare Macht oder ein kalter Zufall, sondern ein lebensfreundlich-wohlwollender Gott. Mit diesem Grundvertrauen unterscheidet sich das Alte (Erste) Testament markant von damaligen Weltdeutungen. Während etwa im babylonischen Schöpfungsmythos „enuma elisch” der Mensch und die Welt durch Gewalt und die Macht des Stärkeren entsteht, ist in der Bibel von der liebevollen Zuwendung Gottes die Rede, die Leben erst möglich macht. Der Schöpfungsglaube der Bibel enthält also – aufgrund ihrer besonderen Gotteserfahrungen – einen ganz anderen Zugang zur Welt und zum Leben: statt Gewalt und Dominanz Zuvorkommen, Wohlwollen und Zuwendung. Sollte davon nicht auch der heutige Zugang zur Welt und zum Leben geprägt sein?
Quelle: Stefan Schlager, Theologische Erwachsenenbildung