Sonntag des Wortes Gottes

"Die Kirche hat die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlaß das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht." (DV 21) Dieser Satz aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil bringt meines Erachtens wie kaum eine andere Stelle auch die Rolle der Heiligen Schrift in unseren Gottesdiensten zum Ausdruck. Denn auch in der Liturgie gilt: das eine kann ohne das andere nicht sein. Eine Einseitigkeit in diesem Bereich führt leider oft zu Engführungen und Verkürzungen.
Eucharistie ohne Wort Gottes
Wenn wir unseren Fokus rein auf die Eucharistie legen, wenn wir das Wort Gottes und seinen Anspruch ignorieren, dann laufen wir Gefahr, dass wir uns von der Welt verabschieden. Die reine Konzentration auf die Eucharistie wirkt daher oft frömmelnd. Die Eucharistie, so könnte man fast sagen, ist die Emotionalität Gottes. Die Eucharistie spricht unser Herz an. Religion wird schnell zu einem Gefühl des Geliebtseins und des Angenommenseins. So schön dieses Gefühl auch immer sein mag, so wichtig es psychologisch ist, dass wir diese Gewissheit haben, so sehr braucht es doch mehr.
Es braucht die Abstraktheit und die Rationalität des Wortes Gottes. Nicht umsonst bezeichnet Johannes in seinem Evangelium das Kind in der Krippe nicht als Baby (mit allen emotionalen Konsequenzen), sondern als Logos (Joh 1,1-18), als Vernunft oder Wort, wie die Einheitsübersetzung wiedergibt.
Wort Gottes ohne Eucharistie
Auf der anderen Seite dürfen wir natürlich auch nicht in das gegenteilige Extrem verfallen, denn nicht umsonst bezeichnet Paulus das Wort Gottes als Schwert des Geistes (Eph 6,17). Das Wort Gottes offenbart unseren Glauben, deshalb schenkt es uns Gewissheit, wenn uns Zweifel befallen, schenkt uns Geborgenheit, wenn wir den Halt zu verlieren meinen. Aber dem Wort Gottes fehlt die Empathie und es macht uns daher manchmal vielleicht fundamentalistisch. Denn das Wort Gottes spricht unseren Verstand an.
Wort Gottes und Eucharistie brauchen einander
Damit wir also als Christinnen und Christen gute leben können, dürfen wir Eucharistie und Wort Gottes nicht gegeneinander ausspielen. Wir brauchen viel mehr beides, um auf der einen Seite nicht frömmelnd zu werden den Kontakt zur Wirklichkeit zu verlieren, auf der anderen Seite aber auch nicht fundamentalistisch zu werden und jedes Mitgefühl mit Menschen zu verlieren.
Wenn wir daher den Gottesdienst am Sonntag feiern braucht es beides: das aufmerksame Hinhören auf das Wort Gottes, das uns Gott erkennen lässt, UND den Empfang des Brotes (Eucharistie), das uns Gott spüren lässt.
Andreas Golatz
Pfarrer