"Die Vielen, die nicht gewunken haben"
Den würdigen Rahmen zum Gedenken bildet das Schloss Hartheim - der Ort der Erinnerung an die Tötungsanstalt, in der zwischen 1940 und 1944 rund 30 000 Menschen getötet wurden.
Die musikalische Umrahmung wurde gestaltet vom Linzer Adalbert Stifter Gymnasium. Prof. Mag. Andreas Schnee komponierte für die Gedenkveranstaltung eine Intrada, vorgetragen von einem Bläserquartett des Gymnasiums.
In seinen „Worten des Gedenkens“ erinnert Dr. Josef Pühringer, Landeshauptmann a. D., an die Ereignisse vor 80 Jahren.
Innerhalb von Stunden sei es zur Machtübernahme durch das NS-Terrorregimes gekommen, mit erschreckendem Tempo, mit erschreckender Präzision.
Er erinnert auch an die Täter „aus der Mitte der Gesellschaft.“
Für die Nachgeborenen formuliert Pühringer einen klaren Auftrag:
Ein Bewusstsein entwickeln, was geschahen könnte, wenn die Wachsamkeit nachlässt,
junge Menschen sollten über die Ereignisse Bescheid wissen,
eine Verpflichtung müsse es geben, dass solche Menschheitsverbrechen zukünftig unmöglich seien.
Einen Aufruf an uns selbst mahnt er ein als Demokrat/Innen, als Menschen und als Christ/Innen.
Mag. Thomas Mair, Pfarrassistent von Alkoven, erinnert in seinen Worten an den beeindruckenden Roman von Franz Rieger „Schattenschweigen oder Hartheim“. Franz Rieger beschreibt im Roman die Situation des damaligen Pfarrers als eine zweifelnde, als eine Schwierigkeit hinzuschauen.
„Wenn wir nicht hinschauen“, so Thomas Mair als Vertreter der katholischen Kirche, „halbieren wir Gott.“
Die Verlesung der Namen der Verfolgten des Bezirkes Eferding übernahm dankenswerterweise die 3. Klasse der Neuen Mittelschule Alkoven mit ihren beiden Lehrkräften Eva Trahtlehner und Michael Wagner.
Die Schülerinnen und Schüler haben sich im Rahmen eines Projektes mit den Verfolgten des Bezirkes Eferding beschäftigt.
Für sie sind die Verfolgten und Ermordeten ein Teil des Sternenhimmels, sie schrieben die Namen auf bunte Sterne.
Oberösterreichweit kam die Initiative von Dr.in Erna Putz, bekannt als Jägerstätter-Biographin.
Für viele Verfolgte und Ermordete hätte es kein Begräbnis, kein öffentliches Gebet, keine Blumen gegeben.
So sei die Idee der Namenslesung im Rahmen einer würdigen Feier in ganz Oberösterreich entstanden.
Beim Widerstandsdenkmal an der Schlossmauer erinnert Mag.a Irene Zauner-Leitner an die beiden Alkovener Widerstandskämpfer Ignaz Schuhmann und Leopold Hilgarth, die im Jänner 1945 in Wien enthauptet wurden.
Eine sehr persönliche, berührende Erinnerung in der Familie Schuhmann an seinen „Onkel Ignaz“ formulierte DI Wolfgang Schuhmann. Er versteht es auch eindringlich, den versammelten Menschen die Warnung an die Gegenwart mitzugeben.
Beim Widerstandsdenkmal fordert er Wachsamkeit ein, plädiert für ein „Stolpern“, "dem sich die Stadt Linz bis heute noch immer verweigert".
Er zitiert aus der Dankesrede von Martin Pollack, die dieser anlässlich der Verleihung des Johann-Heinrich-Merck-Preises in Darmstadt gehalten hat.
„In erster Linie heißt es, nicht zu resignieren. Nicht den Kopf hängen zu lassen. Wir dürfen nicht wegschauen, im Gegenteil, wir müssen genau hinschauen und die Entwicklung scharf im Auge behalten. Wir müssen uns informieren und danach trachten, auch andere zu informieren. Auf welche Weise auch immer. Wir dürfen nicht so tun, als wäre alles in Ordnung. Das ist es nicht! Die Situation ist gefährlich, brandgefährlich sogar. Das dürfen wir nie vergessen, sonst werden wir überrollt und an die Wand gedrückt. Wir müssen Widerstand leisten, auf allen Ebenen und mit allen Mitteln, wir müssen schreiben und diskutieren, streiten und versuchen zu überzeugen, wir müssen uns zusammenschließen und neue Strategien ausarbeiten. Und wir dürfen uns auf keinen Fall einschüchtern und dazu verleiten lassen, Selbstzensur zu üben. Selbstzensur ist das schlimmste Gift, das die Gesellschaft von innen heraus erodiert. Für Demokratie kämpfen.“
Die Namen der Euthanasieopfer werden am Friedhof von einem Schüler verlesen, für jedes Opfer gibt es eine brennende Erinnerungskerze.
Den denkwürdigen Abend beschließt eine Agape im Café Lebenswert, wo noch Gelegenheit war, mit Zeitzeugen zu sprechen, die Feier bei nachdenklichen Gesprächen ausklingen zu lassen.
Text: Ingrid Neundlinger
Bilder: Max Neundlinger