Das Pfarrzentrum Marcel Callo in Linz-Auwiesen
GESCHICHTLICHE ECKDATEN
Stand Juni 2001
Die ehemalige „Linzer Tuchfabrik“ ist eine der ältesten und letzten Fabriksanlagen der Textilbranche in Linz. Schon im Mittelalter entstanden an diesem Standort die „Marktmühle“ und die „Schörgenhubmühle“
1672:
Gründung der Linzer Wollzeugfabrik
1722:
Neuerrichtung mit 1000 Beschäftigten und 20000 Hauswebern im Rahmen einer gut durchorganisierten Verlagsproduktion. Schafwolle- und Flachsspinnerei. Die Zulieferbetriebe, unter ihnen auch die 1813 gegründete Tuchwalke in der Marktmühle in Schörgenhub, profitierten durch die von der verstaatlichten Wollzeugfabrik insgesamt aufbereitete Textillandschaft und sammelten erste Erfahrungen in der Verlagsproduktion. (vgl. Lackner, Stadler, Fabriken in der Stadt - Seiten 73ff)
Der wesentlich durch die schwerfällige bürokratische Verwaltung verursachte Niedergang der verstaatlichten Manufaktur berförderte den Aufstieg der privaten Kleinbetriebe. Gänzlich den Privaten überlassen wurde der wachsende Markt der Baumwollerzeugung.
Eine Konsequenz war der Schritt zur fabriksmäßigen Organisierung des Produktionsprozesses auf der Basis der Wasserkraft am hiesigen Weidingerbach im Jahr 1930. Eigentümer: Die Brüder Franz Xaver und Jahann Michael Rädler und ab 1982 die Alleinerbin Caroline Gräfin Zabeo.
1907:
Neubau eines rund 50 x 30 m großen, dreigeschossigen Gebäudes.
Merkmale:
- 4,5 m hohe Produktionshallen.
- Ein Raster von je 5 x 14 zum Dachgeschoß an Schlankheit zunehmenden gusseisernen Säulen trägt die Deckenkonstruktion.
- 150 knapp 4 Meter hohe Metallfenster.
Das gleichzeitig entstandene Turbinen- und Kesselhaus beherbergt eine Francisturbine und eine Wolfsche Heißdampflokomobile als Herzstück der Energieversorgung. Ein 35 m hoher Schorstein dient zur Ableitung der Verbrennungsgase.
1931:
Stilllegung aufgrund der Weltwirtschaftskrise
1934:
Niederösterreichische Tuchfabrik Himmelreich & Zwicker
Eine ursprünglich Brünner Fabrik, die aufgrund der Schutzzollpolitik der Nachfolgestaaten der Donaumonarchie nach Österreich ausgegliedert worden war.
1938:
300 Arbeitskräfte
Nach dem „Anschluss“ wurden die jüdischen Besitzer im Zuge der „Arisierungen“ enteignet. Neue Eigentümer: Otto Bayerl und Heinrich Pause. Weitgehende Vollbeschäftigung infolge umfangreicher Heeresaufträge.
18.2.1945:
Schwere Schäden durch einen Luftangriff
1947:
Rückstellung an den aus der US-Emigration heimgekehrte Paul Himmelreich.
1950:
350 Beschäftigte
1962:
Verkauf an den branchenfremden Industriellen Fritz Baumgartner und den Kaufmann Paul Habig
1967/68:
Ausgleichsverfahren
Garnerzeugung und Handel mit Texitilien
1979-1983:
PERFAKTAFIL-Spinnerei Ges.m.b.H.
1985:
nach Abschluss eine Konkursverfahrens an Lenzing AG
1989:
Linzer Wohnungs-Eigentumsbau
1990:
Infra West
30.12.1997:
Röm. kath. Seelsorgestelle Linz-Auwiesen von der Wonhvision Wohnbauträger Ges.m.b.H. nach Abschluss eines Konkursverfahrens.
GEGENWÄRTIGER UND ZUKÜNFTIGER WERT DER ANLAGE
In einem historischen Gutachten werden unter anderem folgende Gründe für den Gegenwartswert der Anlage angeführt:
+ das Fabriksgelände als Naherholungs- bzw. Meditationsort
+ die Fabrik als Denkmal der einst hier Beschäftigten und ihrer Arbeitswelt
+ Wahrzeichen im äußeren und Orientierungshilfe im inneren Ortsbild
Die Marcel-Callo Pfarre erkennt darüber hinaus den identitätsstiftenden Wert der Anlage für den jungen Stadtteil Auwiesen. Sie hilft mit, dass die Fabriksanlage nicht nur kommerziell genutzt wird, sondern als Ort der Begegnung und kultureller Initiativen allen Bevölkerungsgruppen zugute kommt.
Sie überwindet zunächst symbolhaft und hoffentlich zunehmend auch in ihren praktischen Vollzügen die Scheidung in Alltagswelt und religiöse Sonderwelt. Sie erkennt, dass sie an diesem Standort besser in den Stadtteil integriert ist als an dem ursprünglich für einen Kirchenbau vorgesehenen Standort am Alleitenweg.
DIE PFARRGEMEINDE IN DER „LINZER TUCHFABRIK“
- Im Pfarrgebiet leben ca. 8700 Menschen (5600 röm.kath. Vollmitglieder, 2000 röm.kath. Taufscheinbesitzer, 500 Evangelische und 600 Andersgläubige)
- Aufbau einer Gemeinde seit Oktober 1995
- Grundsteinlegung am 8.3.1998 mit Prälat Wilhelm Neuwirth
- Kirchweihe am 6.12.1998 mit Bischof Maximilian Aichern
- Feierliche Segnung des Pfarrzentrums am 10.10.1999 mit Erzbischof Alois Wagner
- Eröffnung des KIDS-Zentrums „TURBINE“ am 26.11.2000
- Patrozinium (Namenstagsfest) am 19. April, dem Gedenktag de sSeligen Marcel Callo, unseres Pfarrpatrons. Geboren am 6.12.1921 in Rennes (Frankreich), gestorben in Gusen, einem Nebenlager des KZ Mauhausen am 19.3.45, seliggesprochen am 4.10.87 in Rom. Jungarbeiter, Pfadfinder, Märtyrer
Der Pfarrgmeinderat sieht die Pfarrgemeinde als Kleinkraftwerke bzw. Kraftquelle und formuliert drei Schwerpunkte:
- Innehalten und mit neuer Kraft ins Leben gehen
- Jugend begleiten und verleiten
- Offens Haus der Architektur mit viel Kultur
Darüber hinaus identifizieren wir uns mit der folgenden Aussage von Caritasdirektor Franz Küberl:
„Die Pfarren sind das wesentliche Bindeglied zu den Menschen. Ich möchte es in einem Bild sagen: Sie wissen, es gab früher zahlreiche Kleinkraftwerke, die eine Region oder auch nur einen Ort mit Strom versorgten. Die Menschen brauchen aber auch in anderer Weise Zufuhr von Energie. Die Pfarre als Kleinkraftwerk versorgt die Menschen, treibt sie aber auch an. Sie gibt Kraft für den inneren Motor und Kraft für die Tat.“
Bauherr: Rom.kath. Seelsorgestelle Linz-Auwiesen
Planender Architekt: Schremmer/Jell Linz
Bauleitung: Diözesanfinanzkammer, Baureferat
EIN HAUS DER BEGEGNUNG IM EHEMALIGEN KRAFTHAUS
Das Pfarrbüro am Westeingang als eine Art Drehscheibe, über die räumlich und personell gesehen vieles läuft. Das Pfarrzentrum ist von hier aus zugänglich. Die Haupteingänge befinden sich allerdings auf der Nordseite des Gebäudes mit der repräsentativen, schlossähnlichen Fassade.
Ein großzügig und einladend gestaltetes Foyer, der Festsaal, Getränkebar und Küch im Erdgeschoß dienen einer Kultur des Festes und der Begegnung. Die Pfarrgemeinde als Gastgeberin. Zwei Seminarräume im Obergeschoß sind vielfach nutzbar. Die Räumlichkeiten werden von Firmen, Vereinen und Privatpersonen gerne zu diversen Anlässen gemietet.
DAS KIDS-ZENTRUM „TURBINE“ ÜBER DEM WEIDINGERBACH
Der Anteil der unter 15jährigen an der Pfarrbevölkerung beträgt 23 %. Dem Bedürfnis der Kids m Alter von 9 bis 15 Jahren nach Räumen und qualifizierten Bezugspersonen kommen wir mit usnerem Projekt entgegen. Der Clubraum im Erdgeschoß mit Bar, Couch und PC lädt zum Quatschen, gemeinsamen Sufen und Spielen ein, der Freizeitraum im Obergeschoß zum Austoben und kreativem Werken. Ein Park mit altem Baumbestand bei der ehemaligen Wehranlage und eine Freifläche für Fuß-, Street- und Volleyball machen es möglich, auch Aktivitäten im Freien zu setzen.
DAS PFARRHAUS
Das Pfarrhaus ist eigentlich eine Wohnung, nämlich eine von 22 Loftwohnungen im Hauptgebäude.
Den heutigen und zukünftigen MitarbeiterInnen der Pfarre stehen zwei Wohnungen zur Verfügung, die getrennt oder verbunden genutzt werden können.
Allen BesucherInnen unseres Pfarrzentrums wünschen wir viel Freude beim Entdecken, gute Begegnungen und die Konzentration auf Wesentliches. Mögen die Räume und die Menschen, die hier ein- und ausgehen, eine Hilfe sein, um zu Gott und zueinander zu finden.
(Christian Öhler, Pfarrer,
mit den MitarbeiterInnen der Marcel-Callo-Pfarre Auwiesen, im Juni 2001)