Freitag 27. Dezember 2024

Gedanken zum Weißen Sonntag (2. Sonntag der Osterzeit)

Ein Impuls von Michael Mitter

Liturgische Texte zum Weißen Sonntag

 

1. Lesung: Apg 2,42-47
2. Lesung: 1Petr 1,3-9
Evangelium: Joh 20,19-31 („Acht Tage darauf kam Jesus bei verschlossenen Türen und trat in ihre Mitte“)
nachzulesen: hier (Schott online)


Liebe Pfarrgemeinde, liebe Leserin, lieber Leser,

 

„Keiner von uns lebt für sich selbst und keiner glaubt für sich selbst“ – unter diesen an den Römerbrief (Röm 14,7) angelehnten Satz möchte ich meine Gedanken zum heutigen Weißen Sonntag stellen; denn seit mehr als einem Monat sind wir darauf beschränkt, genau das zu tun: für uns selbst zu leben und zu glauben – für alle, die allein leben, trifft das leider in ganz besonderer Weise zu. Als Christinnen und Christen brauchen wir andere Menschen, um unseren Glauben zu leben. Wir brauchen ein Gegenüber, das mit uns diesen Glauben teilt und die Auferstehung Christi feiert.
Immer wieder mache ich die Bekanntschaft von Menschen, die mir erzählen, sie seien „ja eh“ gläubig, aber eben im Privaten; Kirche und Gottesdienst bräuchten sie dafür nicht. Ich denke: Keiner kann komplett für sich allein leben und keiner kann für sich allein glauben, daheim, im stillen Kämmerlein. Über meinen Glauben muss ich irgendwo reden können, ich muss vom Geheimnis des Glaubens hören, muss mich darüber austauschen können, sonst verkümmert er früher oder später. Glaubenserfahrung braucht die Gemeinschaft der Glaubenden, braucht die Begegnung mit Gleichgesinnten: Glaube lebt von der Gemeinschaft, Christsein funktioniert nur in Gemeinschaft – mit Gott und mit anderen Menschen. Als christliche Gemeinde erfahren wir Stärkung. So können wir Kraft unseres Glaubens in die Welt hineinwirken. Denken wir nur an die vielen Menschen, die sich in unseren Pfarren für die Kirche und die Welt engagieren. „Ein Christ ist kein Christ“, hat schon im 2./3. Jahrhundert der Kirchenschriftsteller Tertullian geschrieben.

Der Apostel Thomas im heutigen Evangelium ist ein gutes Beispiel dafür: Denn als der Auferstandene mit den Worten „Friede sei mit euch!“ in die Mitte seiner Jünger tritt, ihnen seine Hände und seine Seite zeigt (Joh 20,19f), ist er nicht bei ihnen.
Alle vier Evangelien berichten von der Erscheinung des Herrn unter den Jüngern. In Gemeinschaft erfahren sie die Auferstehung des Herrn: der Tod ist besiegt, er „hat keinen Stachel mehr“, wie es das beliebte Kirchenlied „Der Heiland ist erstanden“ ausdrückt. Dieser Erfahrungsschatz ist der Grund, warum wir jeden Sonntag zum gemeinsamen Gebet zusammenkommen: Wir feiern Tod und Auferstehung Jesu, wir feiern, dass er in unserer Mitte ist: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20)
Thomas, der für sich allein geblieben ist, erfährt nicht, was es heißt, in Gemeinschaft Stärkung zu erfahren, die ermutigt und trägt. Was ihm von den anderen Jüngern berichtet wird, kann und will er nicht glauben. Erst eine Woche später, als die Jünger wieder beisammen sind und auch Thomas unter ihnen ist, da verwirklicht sich die Begegnung mit Christus Jesus, dem auferstandenen Sohn Gottes.
„Keiner von uns lebt für sich selbst und keiner glaubt für sich selbst“ – vor allem soll keiner von uns allein glauben müssen! Christ sind wir immer zusammen mit anderen. Wir brauchen das gemeinsame Gebet, den gemeinsamen Gottesdienst, gemeinsame Erlebnisse, um zu erfahren: Jesus, mein Gott, lebt! Hoffen wir, dass wir bald wieder Gelegenheit dazu bekommen. Erst dann können wir wirklich Ostern feiern!

 

Michael Mitter,
Pastoralassistent

 

 

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