Wachsen in der Zuversicht, in der Hoffnung
und im Glauben an Jesus Christus
Predigt von Abt Reinhold Dessl am dritten Fastensonntag 2020 bei der Konventmesse in der Stiftskirche Wilhering
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, liebe Mitbrüder,
in diesen Tagen ist alles anders, als es bis jetzt gewesen ist. Das soziale Leben ist auf ein Minimum eingeschränkt und das öffentliche Leben wird noch mehr zum Stillstand kommen. Wir spüren die Verwundbarkeit und Zerbrechlichkeit des Menschen, mehr denn je. Corona zeigt uns die Grenzen des menschlichen Lebens und Tuns auf.
Einschränkungen und Gebet
Es hat wohl noch nie eine Zeit gegeben, wo alle Veranstaltungen der Kirche und der Pfarren abgesagt wurden. Das hat es in der Geschichte des Stiftes Wilhering auch noch nie gegeben, dass an einem Sonntagmorgen die für die Pfarren zuständigen Geistlichen gemeinsam in einer fast leeren Stiftskirche die Eucharistie feiern, aber nicht für sich alleine, sondern geistig verbunden mit den Pfarrgemeinden, für die sie verantwortlich sind.
„Das Gebet in diesen Tagen soll nicht weniger werden, sondern mehr werden“, hat Bischof Glettner von Innsbruck vor kurzem geschrieben. Wir wissen uns deshalb verbunden in einem unsichtbaren Netz des Gebetes mit allen, die heute zuhause beten, die im Fernsehen oder im Internet einen Gottesdienst mitfeiern, aber auch mit allen, die vielleicht die Sehnsucht nach Gebet haben, aber es nicht mehr oder noch nicht können. Das Gebet bekommt in diesen Tagen eine besondere Dringlichkeit, darum beten wir in besonderer Weise für die Kranken, aber auch für alle, die im Gesundheitswesen ihren Dienst tun und für alle, die mithelfen, dass in diesen Tagen die lebensnotwendigen Dinge geschehen können.
Wir erleben einschneidende Maßnahmen. Und doch kann uns die erzwungene Entschleunigung vielleicht helfen, neu das Wesentliche mehr in den Blick zu bekommen. Wir alle erleben zusammen so etwas wie eine erzwungene Exerzitienzeit, die auch die Chance in sich birgt, in der Zuversicht, in der Hoffnung und in der Beziehung zu Jesus Christus zu wachsen. Genau um diese Themen geht es heute auch in den Lesungen des dritten Fastensonntags: Zuversicht, Hoffnung, Glaube.
Zuversicht und Hoffnung
Wir haben in der ersten Lesung aus dem Buch Exodus gehört, dass das Volk Israel in der Wüste nach Wasser gedürstet hat und gegen Mose gemurrt hat. Der Auszug aus Ägypten als großes Freiheitsprojekt Gottes für sein Volk gerät für die Israeliten in Verdacht, ein sadistisches Vernichtungsprojekt gegen sein Volk zu sein. Es ist nicht leicht, in Krisenzeiten zu bestehen und den Glauben nicht zu verlieren. Mose wendet sich in der Verzweiflung an Gott und bekommt von ihm die Anordnung, neue Wasserquellen für sein Volk zu erschließen; er soll mit dem Stab auf einen Felsen schlagen.
Auch in Krisenzeiten können neue Lebensquellen fließen, indem gleichsam neue Quellen angezapft werden. Zum Beispiel, wenn Menschen etwa den Wert der Nachbarschaftshilfe wieder neu entdecken, indem die plötzlich zur Verfügung stehende Zeit gut und sinnvoll genützt wird; wenn man zum Beispiel mit jemandem telefoniert, mit dem man schon länger nicht mehr gesprochen hat. In Ermangelung an realen Orten der Begegnung werden das Internet und soziale Medien auch für aufbauende und religiöse Begegnungen genutzt. Pfarren werden in diesen Tagen kreativ, wie sie diese Kanäle gut nützen können.
Es ist ein Gottesgeschenk, wenn man die Zuversicht und die Hoffnung nicht verliert. Genau in dieselbe Kerbe schlägt auch die Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom. Dort hat es geheißen: „Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist der uns gegeben ist.“
Christliche Hoffnung baut nicht auf das eigene Tun alleine auf, sondern vertraut auf die „göttliche Vorgabe“ sozusagen. Diese Vorgabe ist die Liebe Gottes, die im Kreuzestod Jesu für uns Sünder ihren Höhepunkt gefunden hat. In jeder Eucharistiefeier tauchen wir in diese Liebe ein. Und jede Eucharistiefeier geht auch über den Rahmen der leiblich und sichtbar Mitfeiernden hinaus, sodass wir alle in diese Liebe Gottes mithinein nehmen können, mit denen wir uns verbunden fühlen. Die christliche Hoffnung kann unsere Immunkräfte stärken und uns widerstandsfähiger machen für alles, was uns schaden möchte.
Wachsen im Glauben an Jesus Christus
Zuversicht und Hoffnung, das sind die ersten beiden Impulse der Lesungen. Im Evangelium haben wir von der Begegnung Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen gehört. Auch hier geht es zunächst um den leiblichen Durst und um das Wasser, das man aus einem Brunnen schöpfen kann. Aber im Gespräch Jesu mit der Frau bekommt das Wasser bald eine neue Qualität und eine neue Bedeutung. Es wird zu einem Bild für das lebendige Wasser, das ewiges Leben schenken kann. Jesus selber ist dieses lebendige Wasser, das er uns für den tiefsten Durst unserer Seele anbietet.
Eine reale, alltägliche Szene an einem Brunnen im Nahen Osten, gekennzeichnet von Mittagshitze, Müdigkeit und einer Mangelerfahrung wird so zum Ausgangspunkt für ein tiefes religiöses Gespräch, das den geistlichen Grundwasserspiegel steigen lässt. Im Lauf dieses Gesprächs offenbart sich Jesus dieser Frau als der verheißene Messias und es wird sehr schön gezeigt, wie sie in der Erkenntnis Jesus Schritt für Schritt voranschreitet. Zuerst ist er für die Frau einfach nur ein jüdischer Mann, der die Grenzen seiner eigenen Religion überschreitet, da er sich an eine quasi heidnische Frau mit einer Bitte wendet. Der nächste Schritt ist, dass sie in ihm einen Propheten erkennt, da er ihr, ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen, die Wahrheit über ihr eigenes Leben und ihre Beziehungen offenbart. Und schließlich erkennt sie in ihm den Messias Gottes, von dem sie nun auch anderen erzählt. Die Begegnung mit Jesus Christus wird zum missionarischen Antrieb der Verkündigung.
In diesen Tagen ist alles anders, als es bis jetzt gewesen ist. Die Verwundbarkeit und Zerbrechlichkeit des Lebens wird uns mehr denn je bewusst. Grenzen werden uns aufgezeigt. Und doch wird uns gerade auch in dieser Situation Zuversicht und christliche Hoffnung zugesprochen. Von den Samaritern, die zum Glauben an Jesus Christus gelangt sind, dürfen wir über ihn hören: „Er ist wirklich der Retter der Welt.“ Amen.
In Jesus Christus rühmen wir uns der Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt. Wir beten zu seinem und unserem Vater:
A: Wir bitten dich, erhöre uns.
Gott des Lebens, gib uns das Wasser, das den Durst des Herzens stillt, und das auch in uns zu einer Quelle wird, auf Erden Leben ermöglicht und hinüberströmt in die Ewigkeit. A: Amen.