Urkunde in der Kirchturmspitze
Lecturis Salutem!
[Ein Gruß dem Leser!]
Als man schrieb nach der gnadenreichen Geburt unseres Herrn und Erlösers Jesu Christi 1864, brannten in der Nacht vom 1. auf 2. April im Markte Wolfsegg 18 Häuser samt der Kirche. Der Schaden betrug circa 70.000 Gulden, und wurde bis zu 44.000 von den verschiedenen Assekuranzanstalten, mit dem Reste größtentheils durch die außerordentliche Opferwilligkeit der Bewohner Oberösterreichs – namentlich der Nachbargemeinden – gedeckt.
In Folge des Brandes wurde der alte Thurm an der Südostseite der Kirche – da wo jetzt die Sagristei steht – bis auf den Grund abgetragen, und der Bau des neuen an gegenwärtiger Stelle beschlossen. Die Grundveste des neuen Thurmes ist 3° [Klafter] tief. Zur Herstellung derselben waren 3√25° [Klafter] Steine benöthigt, die meist aus den Steinbrüchen bei Gallspach genomen, und durch Bittfuhren an Ort und Stelle gebracht wurden. Das Mauerwerk vom Fuße bis zum Dache ist 12° hoch und forderte 76000 Ziegel. Die Steine zum Sokel komen aus Peuerbach. Das Thurmdach ist 5°, der Kranz 1° hoch, so daß sich die ganze Höhe des Thurmes vom Fuße bis zur Kranzspitze mit 18° beläuft.
Der erste Spatenstich zur Fundamentierung geschah am 30. April 1867. Am 23. Mai wurde der erste Stein in die Erde gesenkt. Am 7. August war das Fundament fertig. Bis zum Herbste desselben Jahres wurden noch 6° Ziegelmauerwerk aufgesetzt. Mit Anfang Mai 1868 wurde die Arbeit weitergeführt. Am 30. Mai die Mauerung, am 9. Juni das Thurmdach vollendet, am 28. Juni das Kreuz aufgesetzt.
Die Herstellungskosten waren zu 10324 Fl veranschlagt /:die Glocken eingerechnet:/, von denen der Religionsfond als Patron 4637 Fl [Gulden], die Pfarrgemeinde Wolfsegg 5687 Fl zu leisten hatte.
Der Thurmbau wurde von einem eigenen Baukomité geleitet, bestehend aus den Herren Franz Gr. St Julien Gutsbesitzer, Hochgeborn zu Wolfsegg, Wenzel Lorenz Bergbaudirektor, und Franz Lampl Kaufmann. Erbauer waren der Maurermeister Hr Johann Kiemeswenger, und Zimmermeister Simon Fraunhofer beide zu Wolfsegg. – Die Einrichtung des Thurmes betreffend wurde das Geläute zu 5 Glocken zu Zinn 20 Ltr 50 tt, von dem Hofglockengießer Ignatz Hilger zu Wiener Neustadt für 1950 Fl, die Uhr von Johann Königmair, Uhrmacher zu Altenhof für 455 Fl hergestellt.
Die Vollendung des Thurmes fiel in das 19te Regierungsjahr Sr Majestät des Kaisers Franz Josef, als Franz Rudigier, Bischof zu Linz war. – Pfarrer zu Wolfsegg war Johann Köstlbacher, Zechpröpste Johann Sykora Nagelschmiedmeister und Franz Niedernauer Bäckermeister, Gemeindevorstand Sebastian Voglhuber Bauer auf dem Jöstlgute zu Wilding, Pfr Atzbach. – Die Pfarre Wolfsegg zählte 1160 Seelen, worunter gegen 400 Bergleute. – Der Matzen Waizen kostete 6 Fl, detto Roggen 4 Fl, das Pfund Rindfleisch 22 x, die Maß Bier 16 x O.W. – Im Kurse befand sich nur Papiergeld im Maß zum Silber von 114 zu 100 Fl, d.h. für ausreichend Gulden in Silber mußte man 114 Fl in Papier geben. Beiliegen einige österreichische Münzsorten in Silber und Papier.
Zum ewigen Andenken an den Neubau dieses Thurmes ward gegenwärtige Urkunde erstellt von den Untenstehenden gefertigt, und in dem Thurmknopfe hinterlegt.
Wolfsegg, am Feste St. Johannis des Täufers 1868
- Franz v. St. Julien, Graf v. Wallse Erblandfalkenmeister in Nied. Österreich, Besitzer des ehemaligen Dominiums Wolfsegg
- Wenzl Lorenz Bergwerksdirektor der Wolfsegg Traunthaler Kohlenwerks u. Eisenbahn Gesellschaft zu Wolfsegg
- Franz Lampl Kaufmann
- Johann Köstlberger Pfarrer zu Wolfsegg
- Johann Sykora Zöchbropst
- Franz Niedernauer Zöchbropst
- Johann Kimeswenger Maurermeister
- Simon Fraundorfer Zimmerermeister
- Michael ? Rauchfangkehrermeister
- Johann und Franz Rieder Kupferschmied in Wolfsegg haben dieses Kreuz und die Kupferschmiedearbeit bei diesem Thurme gemacht!
- Josef Schierlinger als Kassier und Commisär
- Hemetsberger Gastwirt
- Josef Kölblinger Lederer
- Karl Erbach ? Hutmacher Meister
- Franz Zauner Glasermeister u. Krämer
- Alois Lintner Schlossermeister in Wolfsegg