Damit die Kirche Zukunft hat
Darum sage ich euch: Alles, worum ihr betet und bittet - glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es euch zuteil. (Mk 11,24)
Es gibt bei uns eine Initiative einzelner Personen, die Gebetszettel „für gute und heilige Priester“ auflegen. Verbunden im Hintergrund mit einer Kritik an unserer Pfarre, weil wir ohne priesterliche Leitung mit Wortgottesdiensten nicht die Sonntagspflicht nach kirchlicher Vorschrift erfüllen. Darum meine heutigen Worte: Einerseits um Rechenschaft abzulegen dafür, wie wir den Glauben leben, andererseits um euch zu stärken, dass wir durchaus selbstbewusst auch unseren Weg gehen und vertreten können.
Ja, ein Jesuswort ermutigt uns, beständig im Beten und Bitten zu sein. Gleichzeitig ist für uns Gläubige klar, dass Gott all seine Zusagen bereits erfüllt hat. Wir müssen uns diesen Zusagen nur öffnen. Aber der Ewige erfüllt seine Zusagen auf seine Weise. Er schenkt seine Gaben in ganzer Freiheit und lässt uns nicht durch Beten etwas erzwingen. Etwa wie bei kleinen Kindern: je lauter und mehr sie bitzeln, desto schneller werden die Eltern weich – oder vor allem die Großeltern.
Ihr kennt die Geschichte eines frommen Wanderers, der in ein Gewitter gerät. Ehe er sich‘s versieht, steht er mitten in einem Hochwasser führenden Bach. Die Feuerwehr kommt vorbei und will ihn retten: „Nein“, sagt unser guter Christ, „ich bete um Gottes Hilfe.“ Der Wasserspiegel steigt, die Feuerwehr kommt wieder. Der Fromme verweigert, dass man ihm solch weltliche Art hilft. Selbst als ihm beim dritten Rettungsversuch das Wasser bis zum Hals steht, bleibt der fromme Gottesmann standhaft. „Ich bete und vertraue ganz auf Gottes Hilfe“, sagt er. Die Fluten aber werden immer reißender und letztlich wird er mitgerissen und geht unter.
Im Himmel tritt er vor den Thron des Ewigen und macht ihm Vorwürfe: „Ich bin dein treuer Diener und stark im Glauben. Ich habe ganz deiner Rettung vertraut, aber du hast mich untergehen lassen.“ – „Mein Sohn“, antwortet der Liebe Gott, „du hast meine Hilfe stets ausgeschlagen: Ich habe dir dreimal die Feuerwehr geschickt.“
Ja, man darf um Priester beten. Um solche, die den bisherigen Zulassungsbedingungen zum Amt entsprechen, nämlich ein Mann zu sein und ehelos zu leben. Und aber auch um solche, die anderen Kriterien entsprechen: Man kann um geistliche Frauen beten, um verheiratete Priesterinnen und Priester. Und wenn wir immer wieder gläubig bekennen, dass Gott uns schon bisher reich beschenkt hat und großzügig ist mit seinen Gaben, dann dürfen wir darum beten, dass die Kirche erkennt, was er uns heute für unsere Zeit geschenkt hat. So wie der fromme Christ in unserer Geschichte von seinen Vorstellungen Abschied nehmen muss, genau zu wissen, wie Gott ihn zu retten hätte.
Augen und Verstand zu öffnen, im Gebet Einsicht suchen, damit wir sehen, was Gott uns heute schenken wird ist das Eine. Das Andere ist, klar festzuhalten, dass Kirche auch immer ohne dauernd verfügbaren Priester leben und Zeichen der Gegenwart Gottes sein kann. In weiten Gebieten in Lateinamerika werden die Sakramente nur ein-, zweimal im Jahr gespendet. Aber es ist Kirche dort und diese Kirche lebt. Die Untergrundkirche im Kommunismus lebte ohne Priester. Und weibliche Ordensgemeinschaften leben selbstbewusst ihre Berufung ohne dass einer aus der Gemeinschaft das Amt der Priesterin übertragen wurde. Schon die alten Kirchenväter bezeichneten die Familie als „Kirche im Kleinen“ – ja als Kirche. Eine Familie hat keinen Pfarrer.
In vielen Formen ist Gott unter uns gegenwärtig: Ja, in Jesus in der Eucharistie im Brot. In jedem und jeder von uns als Ebenbild Gottes. Wo zwei oder drei im Namen Jesu versammelt sind, ist er mitten unter uns. Im Wehen des Geistes in seiner Kirche. In einer gewaltlosen und gerechten Gesellschaft finden wir Gott, im Kampf gegen Unterdrückung ist er gegenwärtig ebenso wie im Hören, Meditieren und im Studium des Wortes der Heiligen Schrift. Jeder und jede von uns kann von Ereignissen, Erfahrungen und Begegnungen erzählen, in denen die Nähe des Ewigen ganz intensiv da war. Es geht um Gott, alles Andere ist Nebensache: die Organisationsstruktur, die Kirche, die Ämter, sie sind alle kein Selbstzweck; sie sind da, um der Verherrlichung Gottes zu dienen und um seinen Willen für diese Welt umzusetzen und Segen zu stiften. „Die Kirche ist in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“, sagt das Konzil (LG 1): Zeichen sind immer nur vorläufig; ein Werkzeug ist nur dann zu gebrauchen, wenn es seinen Zweck erfüllt.
Ihr wisst es inzwischen schon: Bitte nicht rechnen und diese Möglichkeiten von Gottes Gegenwart gegeneinander abwägen und zählen, wo Gott mehr oder weniger gegenwärtig wäre. Auch wenn unsere Pfarre nicht mehr einem traditionellen Bild entspricht: Gott ist immer 100 Prozent. Auch bei uns in Wolfsegg.
Markus Himmelbauer, 3. Juni 2018