Apostelin Junia und andere starke Frauen
Aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom (Kap. 16)
1 Ich empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die auch Dienerin der Gemeinde von Kenchreä ist:
2 Nehmt sie im Namen des Herrn auf, wie es Heilige tun sollen, und steht ihr in jeder Sache bei, in der sie euch braucht; denn für viele war sie ein Beistand, auch für mich selbst.
3 Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus,
4 die für mein Leben ihren eigenen Kopf hingehalten haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar.
5 Grüßt auch die Gemeinde, die sich in ihrem Haus versammelt! Grüßt meinen lieben Epänetus, der die Erstlingsgabe der Provinz Asien für Christus ist!
6 Grüßt Maria, die für euch viel Mühe auf sich genommen hat!
7 Grüßt Andronikus und Junia, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie ragen heraus unter den Aposteln und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt.
8 Grüßt meinen im Herrn geliebten Ampliatus.
9 Grüßt Urbanus, unseren Mitarbeiter in Christus, und meinen geliebten Stachys!
10 Grüßt Apelles, der sich in Christus bewährt hat! Grüßt die aus dem Haus des Aristobul!
11 Grüßt Herodion, der zu meinem Volk gehört! Grüßt die aus dem Haus des Narzissus, die sich zum Herrn bekennen!
12 Grüßt Tryphäna und Tryphosa, die sich im Herrn gemüht haben! Grüßt die geliebte Persis; sie hat im Herrn große Mühe auf sich genommen!
13 Grüßt Rufus, der vom Herrn auserwählt ist; grüßt seine Mutter, die auch mir zur Mutter geworden ist!
14 Grüßt Asynkritus, Phlegon, Hermes, Patrobas, Hermas und die Brüder, die bei ihnen sind!
15 Grüßt Philologus und Julia, Nereus und seine Schwester, Olympas und alle Heiligen, die bei ihnen sind!
16 Grüßt einander mit dem heiligen Kuss!
Der Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom ist höchste Theologie. Aber das Schlusskapitel hier? Wozu denn diese Liste von Namen und Grüßen?
In diesem Abschnitt steckt ein starkes Stück Theologie, gerade heute, wenn wir über die Berufung nachdenken, wie Maria Zeugin und Zeuge für Gottes Macht und Größe zu sein. Paulus zählt viele Namen auf und wir erfahren auch etwas über die Dienste, die sie für die Versammlung der der Jüngerinnen und Jünger Christi tun. Und ganz anders, als wir es wohl erwarten würden, spielen die Frauen eine wichtige Rolle in dieser jungen Gemeinde in Rom. Starke Frauen sind ja das Thema dieses Gottesdienstes am Marienfeiertag.
Die erste, die Paulus vor allen anderen erwähnt, ist Phöbe: Paulus bezeichnet sie als Dienerin der Gemeinde von Kenchreä. Offensichtlich eine außergewöhnliche Frau, denn Paulus sagt, auch er selbst habe ihren Beistand erfahren. In der alten Einheitsübersetzung wurde das griechische Wort, das hier im Text steht – diakonos – bei Männern stets mit Diakon übersetzt, bei Phöbe nicht. Unsere neue Übersetzung macht nun in der Apostelgeschichte aus diakonos bei Männern auch einfache Diener – denn das Amt des Diakons in unserer heutigen Form gab es um die Mitte des ersten Jahrhunderts noch nicht. Erst später, bei den Pastoralbriefen.
Als nächstes grüßt Paulus Priska und Aquila und die Gemeinde in ihrem Haus. Ihr merkt: Es ist nicht das Haus des Aquila allein, beide gemeinsam werden als Besitzerin und Besitzer genannt.
Dann wird Maria gegrüßt. Von ihr wird gesagt, sie habe für die Gemeinde viel Mühe auf sich genommen. Eine Maria, die sich um das Wohl der Gemeinschaft verdient macht, gibt es bis heute wohl in jeder Pfarre.
Weiters Andronikos und Junia. Junia war bis zur neuen Übersetzung in unserer Bibel ein Mann, Junias – obwohl es in der Antike diesen Namen nicht gibt. Was war das Problem dabei? Die kirchlichen Bibelübersetzer konnten es nicht verwinden, dass Junia hier als „herausragend unter den Aposteln“ bezeichnet wird. Wie bei Phoebe als diakonos kann das ja nach kirchlicher Lehre gar nicht sein. Kirchenrecht geht vor Paulus; Mann sein ist wichtiger als die Heilige Schrift. Diese dogmatische Brille hat die neue Einheitsübersetzung hier abgelegt: Junia darf Frau und darf Apostel sein. Paulus bezeichnet Junia mit demselben Ehrentitel wie sich selbst: Bei dem ausgeprägten Selbstbewusstsein des Paulus bedeutet das schon etwas!
Weitere Frauen in der Liste sind Tryphäna und Tryphosa, Persis und die Mutter des Rufus, weiters Julia und die Schwester des Nereus. Gemeinde lebt von vielen, die zum Gemeinsamen beitragen. Gemeinde lebt von Männern und Frauen. Vom Anfang an. Und Paulus hat einen Blick auf alle, die daran beteiligt sind.
Und noch etwas sagt uns diese Grußliste: Selbst so etwas anscheinend Unveränderliches wie Glauben und Religion ändert sich, nimmt in einer neuen Umgebung neue Formen an. Von einem Provinznest am Rande des römischen Reiches geht es hier mitten ins Zentrum einer Großmacht; die aramäische Predigt des Handwerkers Jesus wird ins Griechische übertragen. Aus einer herumziehenden Jüngerschar in den Hügeln Galiläas wird eine Hausgemeinde in Rom. Aus dem Wirken Jesu, die sich an seine jüdischen Mitmenschen richtete wird nun ein Glauben für Nichtjuden, die mit den religiösen Selbstverständlichkeiten und Hintergründen der Botschaft von Reich Gottes kaum vertraut sind – oder sie aus der Entfernung anders wahrnehmen.
Der Weg von Galiläa nach Rom ist ein Riesenschritt. Die Veränderung von Ort, von Sprache und gesellschaftlichem Umfeld verändert natürlich auch die Botschaft. Aber nur so behält die Verkündigung weiterhin Bedeutung und ihr Feuer. Darauf ist zu verweisen, wenn etwa heute lehramtliche Festlegungen das Priesteramt in unserer Kirche nur (unverheirateten) Männern zusprechen. Mit dem ursprünglichen Konzept, allein herumziehende jüdische Fischer in die Leitung der Kirche zu berufen, hätte Paulus in Rom wohl keinen Staat gemacht. Paulus selbst passt ja auch nicht in dieses Schema.
So ist die Botschaft des Römerbriefs für uns heute der Anruf, eine Kirche gleichberechtigt mit Frauen und Männern zu sein und keine Angst vor Veränderung zu haben, damit die befreiende Botschaft des Himmelreichs auch heute noch gehört werden kann.
Markus Himmelbauer, 8.12.2017