Ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen

Matthäus 25
Ihr erinnert euch noch an das Evangelium vom letzten Sonntag. Es ist genau der Abschnitt davor. Da landet am Schluss einer im Gefängnis. Es geht um einen reichen Mann, der eine Zeit ins Ausland geht. Drei Knechten vertraut er für die Zeit seiner Abwesenheit verschiedene Geldsummen an. Die Geldeinheit hieß Talente. Einem gibt er fünf Talente, der macht in dieser Zeit zehn draus; dem er zwei gegeben hat, der verdoppelt den Betrag ebenfalls. Beide erhalten höchstes Lob und auch finanziellen Gewinn dafür. Nur dem er eins überlassen hat, der hat nicht mehr erwirtschaftet, er gibt nur das eine Talent zurück. Diesem letzten wird auch noch dies genommen und er wird ins Gefängnis geworfen.
Der Evangelist Matthäus fordert uns auf, mit dieser Erzählung das Himmelreich zu vergleichen! Vergleichen bedeutet nicht: gleich setzen. Vergleichen bedeutet: Nehmt die Geschichte, nehmt das Himmelreich – was fällt euch auf? Was lernen wir daraus? Wer ist der Held der Geschichte? Mit wem sollen wir uns identifizieren?
Jetzt könnt ihr schnell in Gedanken durchspielen, was ihr dazu gehört habt. Ist es der Erste? Es ist ja gerade sprichwörtlich geworden, dass wir mit unseren Talenten wuchern, sie erfolgreich vermehren sollen. Aber will Gott wirklich, dass wir aus Geld noch mehr Geld machen; will Gott selbst dort Gewinn machen, also ernten, wo nicht gesät wurde? Erinnert euch: Bei Begräbnissen lesen wir bisweilen die Geschichte vom reichen Mann, der neue Scheunen für seine Vorräte baut. Ins Grab kann er seinen ganzen Reichtum aber nicht mitnehmen. Und plötzlich sollte es gut sein, viel Geld zu machen? Ein anderes Wort: Jesus sagt, wir können nicht Gott und dem Geld, dem Mammon, gleichzeitig dienen. Und was ist mit der Ankündigung im Loblied der jungen Frau Maria, dem Magnificat: Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen?
Nun worauf ich hinaus will: Der Letzte ist der Held der Geschichte. Ja so ist die Welt: Sie will aus Geld noch mehr Geld machen. Geld soll selbst dort herausschauen, wo nichts zu holen ist. Und wer viel Geld hat, dem wird noch etwas dazu gegeben. Das aber ist nicht das Himmelreich. Wohin das führt, das kritisiert schon Jesus und wir sehen die desaströsen sozialen und ökologischen Folgen unseres Wirtschaftens, wenn wir nur ein wenig in der Welt herum schauen.
Der Dritte macht da nicht mit. Er landet dafür im Gefängnis und diesem gebührt unsere besondere Zuwendung. Der Dritte tut genau das, was die heilige Tora vorschreibt, die Weisung, die Gott dem Mose am Sinai für sein Volk Israel übergeben hat: keinen Zins zu nehmen und den Bruder nicht zu übervorteilen. Dort, wo wir nicht das Geld vermehren, da ist das Himmelreich. Wer sich der Logik der Geldvermehrung widersetzt, landet im Abseits. Mag es das Gefängnis sein, wenn die politisch Mächtigen sich durch Alternativen und Kritik bedroht fühlen. Mag es die Unfreiheit der Armut und des Krieges sein, die Not zerstörter Umwelt, die Kehrseite des Reichtums für Wenige, die Kehrseite des immer Mehr.
„Gott befreit“, das ist das zentrale Bekenntnis des Volkes Israel, für das Jesus mit Worten und Taten Zeugnis abgelegt und Zeichen gesetzt hat. Und es ist klar, dass die Erde als Schöpfung des Ewigen allen gehört. Dort wo die Tora, die gute Weisung Gottes nicht eingehalten wird, gibt es Nackte, Obdachlose, Hungrige und Durstige und Flüchtlinge. Diese Opfer von Gewalt und Ausbeutung im Blick zu haben, sie als Maßstab eines gottgefälligen Lebens wahrzunehmen, sie von ihrer Not zu befreien – nichts weniger als das ist der entscheidende Punkt: Das ist der Maßstab, wenn wir uns heute und hier Jünger Jesu nennen wollen.
Markus Himmelbauer, Christkönig 2017