Stark sein statt zuschlagen
Zu Pfingsten bitten wir, die Heilige Geistkraft möge uns standhaft im Glauben machen, möge uns stark machen und uns beistehen, wenn wir den Glauben konsequent und tatkräftig bezeugen. Darum beten wir und genau das bewundern wir an den Heiligen: Im Namen Gottes im richtigen Moment das Richtige zu tun. Und bisweilen bezahlten sie ihre Entschiedenheit und ihr Zeugnis mit dem eigenen Leben.
Das Problem, das ich heute damit habe: Genau so verstehen sich Gotteskrieger aller Religionen auch. Sie sagen, sie seien konsequent im Namen Gottes, entschieden für eine gute Sache – zumindest was sie meinen, dass es eine gute Sache sei – und sie passen sich nicht der Laxheit der Anderen an.
Ich will sie nicht mit den Gotteskriegern vermischen – aber einen Hang zur Radikalität finden wir auch in der Politik: Da wird gefordert, deutlich Position zu beziehen, klar Dinge auszusprechen und endlich etwas kompromisslos umzusetzen. Genau mit solchen Haltungen wurde ja auch die amerikanische Präsidentenwahl geschlagen. Und auf solche Eindeutigkeit setzen so manche Retter des christlichen Abendlandes.
Ja sicher, Stärke ist eine der Sieben Gaben des Heiligen Geistes. Dazu kommen aber noch die Weisheit, die Einsicht, der Rat und die Erkenntnis: also alles Haltungen, mit denen man Dinge abwägt, dass man sich Dinge differenziert anschaut, dass man andere Sichtweisen zur Kenntnis nimmt: Weisheit, Einsicht, Rat und Erkenntnis.
Die übrigen Gaben sind Frömmigkeit und Gottesfurcht: Also wenn ich mich in einem weiteren Horizont mit dem Ewigen verbunden weiss, wenn ich meine eigene Kleinheit und Bedingtheit Gott gegenüber wahrnehme. Gott ist grösser als unser Herz. Frömmigkeit dient dazu, dass wir üben, bei Gott unsere Mitte und die Mitte unserer Gesellschaft zu finden; nicht bei unseren eigenen Schlagworten oder den einfachen Lösungen, mit denen man um Wählerstimmen buhlt.
Erkenntnis, Verbundenheit und Ehrfurcht vor dem Wirken Gottes führt auch zu dem Bewusstsein, dass alle Menschen von Gott erschaffen und in Gottes Hand sind. Das kann uns helfen, falsche Profeten zu erkennen: Wer anderen aus welchem Grund auch immer die Menschenwürde abspricht, wer die Menschen einteilt in „Bessere“ und „Schlechtere“, wer meint, dass manchen Menschen weniger Recht auf Teilhabe an Gottes Schöpfung und dem Geschenk des Lebens haben – der spricht nicht aus der Geisteskraft Gottes.
Es ist ein Zeichen der Stärke, im Gespräch zu bleiben und Kompromisse zu schließen. Es ist wirklich Stärke, Gegensätze auszuhalten und zu verbinden zu suchen, die es im Leben, in der Gesellschaft nun einmal gibt. Es ist Stärke, sich damit aber auch nicht einfach zufrieden zu geben, sondern immer wieder neu nach der besten oder zumindest einer passenden Lösung zu suchen und darum zu ringen. Das ist die Stärke, die Frauen und Männer brauchen, die sich in der Politik in den Dienst unserer Gemeinschaft gestellt haben. Das soll uns die pfingstliche Geistkraft immer klar vor Augen führen, um nicht falschen Profeten nachzulaufen.
Markus Himmelbauer, Pfingsten 2017