Pfarrer P. Johannes zum 2. Sonntag im Jahreskreis
Liebe Mitchristen!
Am zweiten und am dritten Sonntag im Jahreskreis dieses Jahres ist von Berufung zur Jüngerschaft die Rede, aber anders als bei den großen Berufungen von Propheten oder auch von Paulus oder der Berufung Marias durch den Engel. Der Evangelist Johannes lädt uns ein, die Berufungserfahrung von Andreas und seinem Begleiter und auch den weiteren Jüngern mitzuerleben. Gerade bei diesem Evangelisten erleben wir das „ganz Gott“ – „ganz Mensch“ besonders deutlich.
- Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes! (Joh 1,36)
Johannes der Täufer zeigt auf den, der die letzte Antwort auf die Urgeheimnisse der Geschichte ist. Die vielen Lämmer, die geschlachtet und geopfert worden sind, die furchtbare Angst, von Gott verstoßen zu werden wegen der vielen Sünden, das Zittern vor der Rache Gottes, die das Alte Testament durchzieht und die Menschen gezwungen hat, zu opfern und immer noch mehr zu opfern ….: Der, der alle Angst überflüssig macht, weil in ihm die göttliche Versöhnung menschliche Wirklichkeit geworden ist, weil in ihm die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes erschienen ist und die Barmherzigkeit Gottes Fleisch angenommen hat, und der somit alle Opfer überflüssig macht, weil er die Sünde der Welt hinwegnimmt, er geht direkt an Johannes und seinen Jüngern vorüber.
- Meister, wo wohnst du?
Hier wird es plötzlich konkret. Jesus redet die Johannesjünger an, die ihm folgen. Er fragt sie, was sie suchen. Ihre Antwort geht weder auf theoretisches Wissen noch auf Erfolg oder Berühmtheit. Sie suchen nicht einen großen Lehrmeister. Sie möchten ganz einfach wissen, wo der Herr wohnt, wie er lebt, wie er seinen Alltag verbringt. Das bedeutet aber auch: Mit wem hat Jesus Umgang, mit wem teilt er Freude und Leid, wie wird er mit den persönlichen Problemen fertig, wie lebt er seine alltägliche Menschlichkeit. Es gibt einen alten indianischen Spruch: Du kennst einen Menschen erst, wenn du ein Jahr in seinen Mokassins gegangen bist.
Es fällt mir bei unseren Schülern immer wieder auf, dass sie gerade im Religionsunterricht nicht gescheite Sachen lernen möchten, sondern dass sie spüren möchten, wie der Lehrer seinen Glauben im Alltag lebt. Gibt mir mein Glaube Kraft, mit Schwierigkeiten fertig zu werden? Macht mich der Glaube herzlicher, menschlicher, vertrauenswürdiger? Irgendwelche Inszenierungen, Projekte, Shows, Aufführungen, Actions wirken eher abstoßend. Glaubwürdig ist, wie der Alltag gelebt wird. Wie ist die Menschlichkeit Jesu zu erleben? Meister, wo wohnst du?
- Kommt und seht!
Jesus hat keine Berührungsängste. Er lädt sie ein. Er zeigt ihnen, was ihn glücklich und was ihn traurig macht. Er inszeniert nichts. Die Johannesjünger dürfen Jesus in seiner Alltäglichkeit erleben. Genau das aber macht sie derart betroffen, dass sich ihr Leben von Grund auf ändert: Dass es um die zehnte Stunde war, wussten sie noch nach langer Zeit. Sie sind bei Jesus geblieben. Andreas, der Bruder des Simon, dem Jesus dann den Beinamen Petrus gibt, hat genau durch diese unspektakuläre Alltäglichkeit erkannt, dass sie jetzt tatsächlich dem Messias, dem Christus Gottes, begegnet sind.
- Er führte ihn zu Jesus.
Ab jetzt beginnt sich das göttliche Heil auszubreiten. Immer mehr Menschen finden zu Jesus: Simon Petrus, dann Philippus und durch Philippus auch Nathanael. Gerade in der unauffälligen menschlichen Alltäglichkeit beginnt sich das göttliche Werk auszubreiten!
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.