Pfarrer P. Johannes zum Hochfest der Gottesmutter Maria
Liebe Pfarrgemeinde!
Der erste Jänner ist im bürgerlichen Jahreslauf der Neujahrstag und wird deshalb natürlich auch in der Kirche gefeiert, und selbstverständlich bitten wir Gott aus ganzem Herzen um seinen Segen für das Neue Jahr.
Kirchlich gesehen ist dieser Oktavtag von Weihnachten aber das Hochfest der Gottesmutter Maria. Und dieser oft so leichthin verwendete Titel ist in Wirklichkeit das Ungeheuerlichste, das Menschen je zu bekennen gewagt haben. Es ist sehr wichtig, einmal genauer zu bedenken, was wir sagen, wenn wir beten: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes.“
- Der Glaubenssatz, dass die Mutter Jesu die Gottesmutter ist, wurde 431 in Ephesus definiert.
Diesem Dogma gingen heftige Auseinandersetzungen vor allem mit dem Patriarchen Nestorius voraus, der es als unmöglich ansah, dass ein Geschöpf Gottes seinen eigenen Schöpfer, das ewige Wort des Vaters, durch das alles geworden ist und ohne das nichts geworden ist (wie wir am kommenden Sonntag im Evangelium, dem Johannesprolog, hören werden), geboren haben könnte. Für Nestorius hat Maria den Menschen Jesus geboren, in dem aber das ewige Wort des Vaters immer gegenwärtig war.
Dagegen wurde ausdrücklich erklärt, dass der wahre Mensch Jesus wirklich und wahrhaftig Gott ist! Wenn Jesus spricht, spricht nicht Gott durch ihn, sondern er selbst spricht in seiner Göttlichkeit. (Im heurigen Lesejahr, in dem wir vor allem Markus hören, gibt es eine Reihe von Schriftstellen, die das besonders deutlich machen.)
Es war für die Kirche entscheidend, dass Gott wirklich Mensch und also geboren wird. In der Lesung aus dem Galaterbrief hören wir heute: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt“ (Gal 4,4). Jesus spricht nicht nur Gottes Wort, er handelt nicht nur in seinen Wundern göttlich, sondern er leidet auch mit den Menschen mit. Gott bleibt nicht auf Distanz, sondern wird in Jesus Mensch, um die schlimmsten Menschenschicksale auf sich zu nehmen. Es geht also beim Titel „Gottesmutter“ nicht so sehr darum, Maria als eine ganz außergewöhnliche Frau darzustellen, die deshalb besonders verehrt werden muss, sondern um das tatsächliche Eintreten Gottes in die Welt als wahrer Mensch wie du und ich.
- Christ, erkenne deine Würde! Du bist der göttlichen Natur teilhaftig geworden! (Papst Leo I. in seiner großen Weihnachtsansprache, ca. 450 n. Chr.)
Wenn nun tatsächlich Gott den Menschen so geschaffen hat, dass durch ihn, konkret in der Gestalt der Gottesmutter Maria, das Göttliche wahrhaftig als Mensch in diese Welt kommt, dann stehen wir - jeder von uns - dem göttlichen Geheimnis viel näher, als wir üblicherweise wahrhaben wollen! Wir müssen dann davon ausgehen, dass wir von einer göttlichen Liebe umfangen sind, die uns formt und dazu fähig macht, diese Liebe weiterzugeben. Wenn wir Gott so kostbar sind, dass er unseretwegen aus seiner Herrlichkeit herabsteigt, unser Menschenschicksal teilt und am Unmenschlichen leidet und stirbt, bedeutet das, dass der Heilige Geist unser Herz vom Unmenschlichen befreien und uns ganz auf das Göttliche durchsichtig machen will. Eigentlich soll in jedem von uns etwas von Jesus erkannt werden. Durch jeden von uns soll mehr und mehr von der göttlichen Liebe in diese Welt ausgegossen werden. Jeder von uns soll wie Maria ein Gefäß des Heiligen Geistes sein, das die Gnade auf unsere Mitmenschen überfließen lässt.
- Gottes Segen über dem Jahr 2024!
Das heißt nun, dass Gott nicht einfach wie mit einer Gießkanne seinen Segen spendet und seine Gnade über die Menschen ausschüttet, sondern, dass die Menschen, die dem Heiligen Geist in ihrem Leben Raum geben, selbst zum göttlichen Segen für viele andere Menschen werden! Es sollen vergöttlichte Menschen andere wiederum gottvoll machen. Der heilige Basilius der Große, dessen Gedenktag wir morgen, am 2. Jänner feiern, drückt es ganz extrem aus: Das höchste Ziel unserer Erlösung ist es, „Gott zu werden“. Im Tagesgebet von Weihnachten haben wir darum gebetet, dass wir teilhaben an der Gottheit des Sohnes, der unsere Menschennatur angenommen hat. Die dritte Weihnachtspräfation preist Gott für den wunderbaren Tausch, den er vollzogen hat: „Dein göttliches Wort wurde ein sterblicher Mensch, und wir sterbliche Menschen empfangen in Christus dein göttliches Leben.“
Christ, erkenne deine Würde! Dieser Appell des Papstes Leo I. bedeutet: Wir sollen Menschen sein, die für die Welt ein Segen sind. Wir sollen aus der göttlichen Liebeskraft leben und diese Liebe im Geist Jesu Christi der Welt weitergeben, ganz konkret, durch unsere Barmherzigkeit, durch die Bereitschaft zur Versöhnung, und durch große Wertschätzung, die wir einander spüren lassen. In dieser Weise können wir 2021 zu einem gesegneten Jahr werden lassen.
P. Johannes Mülleder, Pfarrer der Stiftspfarre Wilhering