Pfarrer P. Johannes zum Hochfest Mariä Empfängnis
Liebe Mitchristen!
Wir feiern am 8. Dezember das Hochfest der „ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“. Im 9. Jahrhundert bereits in der Ostkirche als Fest der Lebensentstehung Marias bezeugt, wurde es seit dem 12. Jahrhundert auch in der Westkirche immer bedeutsamer. Im Jahr 1854 wurde der Lehrsatz von der unbefleckten Empfängnis zum Dogma erhoben, und der neue Dom der Diözese Linz wurde der unbefleckten Empfängnis geweiht. Aber was heißt das, und wie können wir es heute verstehen, wo es doch in der öffentlichen Diskussion im Wesentlichen darum geht, ob an diesem Festtag die Geschäfte offenhalten dürfen.
1. Maria ist ganz normal wie jeder andere Mensch empfangen und geboren worden
Ihre, Eltern, deren Namen wir nicht kennen, werden in der Tradition Joachim und Anna genannt. Auf dem Hochaltar der Stiftskirche Wilhering sind sie beim Blick nach vorn auf der linken Seite mit dem Kind Maria dargestellt. Ihren Gedenktag feiert die Kirche am 26. Juli. Damit ist Maria aber in eine Welt hineingeboren worden, in der auch vieles dunkel und sündhaft ist, wo es Konkurrenzkampf, Neid, Ausbeutung und Krieg gibt, wo Menschen entwürdigt und ausgebeutet werden, wo es selbstverständlich Sklaverei gibt und wo die Reichen keine Rücksicht auf die Armen nehmen. Mögen die Eltern mit Maria auch sehr liebevoll und vorbildlich umgegangen sein, der Einfluss einer auch stark unmenschlichen Welt lässt sich für die besten Eltern nicht von ihren Kindern fernhalten. Man ist aber lange Zeit so weit gegangen, den bösen Einfluss geradezu biologisch in den Zeugungsprozess zu verlegen und hier schon Sünde zu verorten. Diese Vorstellung ist uns heute fremd und ist auch theologisch nicht nachvollziehbar.
2. „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du gesagt hast.“
Beim Festgottesdienst des 8. Dezember wird das Evangelium von der Verkündigung der Geburt des Herrn und Erlösers Jesus Christus (Lk 1,26-38) gelesen. Auch wenn diese Auswahl oft zu Missverständnissen in Bezug auf das Festgeheimnis geführt hat, ist diese Wahl doch sehr bedeutsam. Maria stellt sich Gott für seine Pläne uneingeschränkt und bedingungslos zur Verfügung. Sie bezeichnet sich als „ancilla“, Sklavin Gottes, in der Gewissheit, dass Gott allein alles gut machen will, auch wenn wir Menschen das wohl nie verstehen können.
Beim großen Lobpreis, dem Magnifikat, das Maria dann bei Elisabet, ihrer Verwandten, ausspricht, jubelt sie: „Gott hat geschaut auf die Niedrigkeit seiner Magd. Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter!“
Ich möchte das Geheimnis des heutigen Festtages so formulieren: In dem Maß, in dem sich jemand Gott anvertraut, wird er immun gegen alle Einflüsse des Bösen. (Gerade in diesen Tagen wird ja oft von Immunität gegen eine Krankheit gesprochen.) Sünde ist Gottesferne, Absonderung von Gott, die sich dann in konkreten Taten zeigt. Das Schlimme ist nicht die Tat selbst, sondern dass man auf eigene Faust, ohne Gott, leben will. Das Gegenteil macht Maria. Sie übergibt sich bedingungslos dem Heilswillen Gottes und ist bereit, Werkzeug seiner Erlösungstat zu sein. Wenn wir nun bekennen, dass diese Hingabe rückwirkend von ihrer Empfängnis an das Leben von Maria bestimmt, rühren wir an ein unerklärliches Geheimnis. Wir können nur sagen: Gott ist ewige Gegenwart, und nur wir Menschen erleben uns von den Gesetzen der Zeit beherrscht.
Im Tagesgebet des heutigen Festes heißt es: „Großer und heiliger Gott, im Hinblick auf den Erlösertod Christi hast du die selige Jungfrau Maria schon im ersten Augenblick ihres Daseins vor jeder Sünde bewahrt, um deinem Sohn eine würdige Wohnung zu bereiten.“ Darin zeigen sich menschliche Vorstellungen und Bilder, die das Geheimnis äußerst mangelhaft ausdrücken. Aber wie soll man das Unsagbare klar sagen können? Entscheidend aber ist, dass Jesus, der Sohn der Begnadeten, die Macht der Sünde und des Todes endgültig brechen wird. Vom Beginn bis zum Ende des irdischen Lebens der Gottesmutter leuchtet dieses Heilsgeheimnis auf, von der unbefleckten Empfängnis bis zur leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, die wir am 15. August feiern.
3. „Jungfrau“
Es mag für manche wie eine Irrlehre klingen, aber das am heutigen Festtag so oft verwendete „Jungfrau Maria“ will genauso wenig wie das Wort „Erbsünde“ von einer biologischen Wirklichkeit reden, sondern beide Male wird es in allegorischem Sinne verstanden werden müssen. Und beide Male geht es um Gottesbeziehung. Die „Erbsünde“ drängt die Menschen zur Distanzierung von Gott, es ist die ständige Versuchung, sich von Gott nichts dreinreden zu lassen, und stattdessen das Leben selbst zu bestimmen.
Maria aber ist bereit, ihr Leben restlos, ohne Wenn und Aber, mit ihrem ganzen Bewusstsein, mit ihrer Leiblichkeit, mit ihrem ganzen Willen, mit allen Ängsten, Sorgen und Befürchtungen, Gott zu schenken, und alles, was auf ihr Leben zukommt, was sie nicht versteht, was ihr unbegreiflich ist, ja auch was schrecklich ist, wie der Kreuzestod ihres Sohnes, von neuem Gott zu weihen. Wir verehren also in Maria den Menschen, der sich so wie niemand sonst, Gott völlig überlassen hat. Gottferne Kräfte konnten ihr nichts anhaben, konnten sie nicht verletzen, konnten sie auch nicht für einen Augenblick in Besitz nehmen. Maria war ihr ganzes Leben lang jungfräulich, restlos Gott gehörig.
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