Pfarrer P. Johannes zum Christkönigsfest 2023
![© Pfarrgemeinde Wilhering](/img/b5/d2/20f90f1a4469c2ba8da5/--Christk_nig-.jpg)
Liebe Mitchristen!
Zunächst ein Hinweis auf die beiden Lesungen: Die erste Lesung aus dem Buch Ezechiel (Ez 34,11-12.15-17) spricht vom Entschluss Gottes, die Schafe jetzt selber zu suchen und auf gute Weide zu führen. Die zweite Lesung (1 Kor 15,20-26.28) zeigt uns Jesus als den Sieger über die Macht des Todes.
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Das Evangelium dieses Lesejahres (Mt 25,31-46) zeichnet ein Bild vom Jüngsten Gericht, das eine sehr überraschende und ernste Aussage vom endgültigen Gelingen des menschlichen Lebens macht:
„Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben.“
Es sollte eigentlich auffallen, dass hier nirgends die Rede davon ist, dass man jeden Sonntag in die Kirche gehen muss, dass man getauft sein muss oder dass man irgendwelche kirchliche Verpflichtungen einhalten muss. Es geht allein um gelebte Nächstenliebe. Diese Botschaft stellt das meiste, das die Kirche gefordert hat und womit sie durchaus Macht ausgeübt und Angst erzeugt hat, zutiefst in Frage. Nächstenliebe wird auch in anderen Religionen und von scheinbar unreligiösen Menschen gelebt, und für alle diese Personen gilt, dass sie das Reich Gottes in Besitz nehmen dürfen. Zu beachten ist, dass die, die die Liebe gelebt haben, gar nicht wissen, wo sie hier Gott begegnet wären. Wenn das so ist, ergeben sich einige Fragen, die wir in den folgenden Überlegungen betrachten wollen.
1. Der Sinn des Gottesdienstes und der religiösen Übungen:
Wir wissen von großen Heiligen der Nächstenliebe, dass sie die Kraft zur Nächstenliebe vom allerheiligsten Geheimnis, von der regelmäßigen Verbindung mit Gott in Jesus Christus geschöpft haben. Ein Lebensprogramm, das sich ganz auf den Dienst an den Ärmsten ausrichtet wie das von Mutter Theresa von Kalkutta beispielsweise, kann nicht auf Dauer von einem inneren Reichtum geben und wieder geben, wenn nicht ständig Nahrung der Liebe zugeführt wird.
Mutter Theresa hat mit ihrem Leben aber auch eine Revolution ausgelost. In Indien hat man ein solches Lebensprogramm vom Hinduismus her nicht gekannt. Es ist schon eine typisch christliche Grundhaltung, die aber auch nur von wenigen Christen in der vollen Radikalität gelebt worden ist. Der Gottesdienstbesuch, das Gebet, die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift und die ehrliche Bemühung um das geistliche Leben sind also eine gute Basis, um genug Kraft für ein Leben der Nächstenliebe schöpfen zu können. Ein solches Leben wird auch erst nach vielen Jahren glaubwürdig. Es gibt doch immer wieder den Verdacht, Altruismus wäre selbst krankhaft und hinter der Nächstenliebe stehe ein innerer Zwang.
2. Woher kommt die Unfähigkeit zur Nächstenliebe?
Wir kennen die Gleichnisgeschichte vom reichen Prasser und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31). Es läuft darauf hinaus, dass der Reiche den Armen gar nicht sieht. Das, was vom Tisch des Reichen hinunterfällt und in den Müll kommt, hätte das Überleben des Armen gesichert!
Am vorigen Sonntag habe ich auf die Aussage des faulen Dieners hingewiesen, der das Talent aus Angst vergraben hat und nicht einmal die Möglichkeit, es auf die Bank zu bringen, gesehen hat. Angst verengt den Horizont. In den letzten Jahren wird bei mir der Verdacht immer stärker, dass hinter Machtgier, Geldgier und Genussgier eine furchtbare, bedrohliche Angst wirksam ist. Ist es die Angst, seine Würde zu verlieren? Meint man, sich mit einem vollen Konto, mit einem teuren Auto und extremem Überfluss ein mangelndes Selbstwertgefühl ausgleichen zu können? Will man sich damit vor der Bedrohung der innersten Persönlichkeit schützen?
Ist es die Angst, die unfähig macht, wahrzunehmen, mit wie wenig andere auskommen müssen? Ist es die Angst, die unfähig macht, zu erkennen, dass man sich damit, ohne es zu merken, zum Ausbeuter der Welt und zum Verursacher millionenfachen Hungers macht? Ist nicht die Angst letztlich auch die Ursache für riesige Flüchtlingswellen, vor denen man sich dann wieder schützen muss und die zu neuen Unmenschlichkeiten führen? Liegt vielleicht auch darin der Sinn der Aussage, dass der, der das Talent aus Angst vergräbt, in die äußerste Finsternis geworfen wird?
3. „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist!“
Diese Zusage Jesu spricht den Sinn der Schöpfung an. Es geht darum, die Liebe zu leben. Das Geheimnis der ganzen Schöpfung ist offensichtlich Liebe, und die muss sich bei uns Menschen auch in einer entsprechenden Grundhaltung äußern.
Seit der Erschaffung der Welt, sagt Jesus, ist das Himmelreich für die bestimmt, die die Nächstenliebe zu ihrem Lebensprogramm machen.
(Bild: hl. Vinzenz von Paul)
Auch die Frage des Segens muss nichts mit einer Prädestination zu tun haben. Ein Segensangebot muss in Freiheit angenommen werden. Angst macht wohl unfähig, sich beschenken zu lassen.
Angefangen von ehelicher Liebe, Kinderliebe, Elternliebe, Freundesliebe führt das Urgeheimnis Gottes zur grundsätzlichen Nächstenliebe und gipfelt in der Feindesliebe (vgl. Mt 5,43-48, Grundaussage der Bergpredigt). Das kann im konkreten Leben sehr schwer werden und braucht oft die von Jesus auch geforderte Selbstverleugnung. Es gibt aber, genauer betrachtet, keine Alternative dazu. Aller Reichtum, alle Gesundheit und Lebensfrische sind ohnehin begrenzt. Das ist todsicher! Alles, was im Leben nicht im Ostergeheimnis jedes Einzelnen gipfelt, bietet nur begrenzten Sinn für ein paar Jahre des Genusses, dessen baldiges Ende aber wiederum ausgeblendet wird – wenn ich es recht sehe, aus Angst.
Hier könnten wir vom Buddhismus einiges lernen, wo es eine Grundaussage ist, dass auch Reichtum, Erfolg, Genuss, Gesundheit und Jugend schon das Leid in sich tragen, weil das alles einmal endet und der Altersschwäche, Gebrechlichkeit und schließlich dem Tod anheimfällt. Dort ist es eine religiöse Grundaufgabe, sich diese Realität jeden Tag neu bewusst zu machen und gerade daraus eine innere, ehrliche Fröhlichkeit zu entwickeln. Vielleicht könnten wir Christen manches von anderen Religionen lernen.
Immerhin macht auch das biblische Buch Kohelet diese Überlegungen zum Thema: „Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, das ist alles Windhauch. Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne?“ (Koh 1,2f.)
Die Botschaft Christi, neben der heutigen, ist jedenfalls, dass man von Norden und Süden, Osten und Westen kommen wird, um das Reich in Besitz zu nehmen. Zugleich macht Jesus auch keinen Hehl daraus: Die Gefahr muss ernst genommen werden, dass es möglicherweise auch die Aussage geben kann: „Weg von mir, ihr Verfluchten, ins ewige Feuer, denn ich war hungrig …“
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.