Pfarrer P. Johannes zum 30. Sonntag im Jahreskreis
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Liebe Mitchristen!
Gottesliebe aus ganzem Herzen, und den Nächsten lieben wie sich selbst, das ist, so betont Jesus in
Mt 22,34-40, das oberste Gebot.
Im Johannesevangelium und
im 1. Johannesbrief gibt es zusätzliche Worte, die uns helfen, das Liebesgebot richtig zu verstehen.
- „Bleibt in meiner Liebe!“ und „Wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben!“ (Joh 15,9.12)
„Liebe“ ist möglicherweise das am meisten missbrauchte von allen Wörtern, die wir Menschen verwenden. Ausbeutung und Erniedrigung werden zum Teil auch noch mit dem Wort „Liebe“ verbrämt. Ich bin da betroffen von dem Bild, das der große Theologe Romano Guardini verwendet: Das göttliche Geheimnis ist die Liebe, und der Heilige Geist ist der Flammenbogen der Liebe zwischen Vater und Sohn in einer unermesslichen Gewalt, die auch die Herzen der Menschen umfängt.
Das heißt also: Wo unter Menschen wirkliche Liebe herrscht, ist das unmittelbare Gottesbegegnung. Jesus hat die Liebe des Vaters in unsere Welt ausgegossen. Diese Liebe sollen wir weitergeben.
Über dieses Geheimnis schreibt der 1. Johannesbrief sehr ausführlich:
- „Liebe Brüder, wir wollen einander lieben…“
„…Denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist die Liebe. Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch geoffenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt … hat“ (1 Joh 4,7-10). „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht“ (1 Joh 4,20).
Diese Sätze machen den Zusammenhang zwischen Gottes- und Nächstenliebe sehr deutlich. Am Christkönigssonntag wird das gipfeln in der großen Bildrede vom Weltgericht: „…Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben...“ (Mt 25,31-46).
- Lieben heißt, sich zu verschenken.
„Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ (Mt 10,39). Dieser Grundsatz Jesu ist eigentlich alltägliche Erfahrung. In der Ehe ist doch die beglückendste Erfahrung die Hingabe an den Partner und die Sorge für die Kinder. Niemals verschenkt man da etwas von sich, sondern man gibt sich selbst hin. Jedes einzelne Geschenk ist ein Zeichen dafür, dass man selbst beim geliebten Menschen ist.
Allerdings kann nur der Mensch sich verschenken, der sich selbst gehört. Oft hat man den Eindruck, dass jemand gar nicht sich selbst gehört, sondern dass er Sklave von etwas ist, was ihn beherrscht. Das kann Geld sein, Machtgier, irgendeine Sucht, oder die Angst um sein Leben. Sollte man nicht sagen: Liebe zuerst dich selbst, sag ja zu dir mit allem was du bist, auch mit deinen Mängeln, Schwächen, ja, auch mit deiner Sterblichkeit! Lass dich nicht zum Sklaven machen! Sei mit dir selbst barmherzig! Dann bist du fähig, dich zu verschenken! Dann kannst du auch Nächstenliebe aus ganzem Herzen üben, und dann wirst du erkennen, dass du dich im geliebten Menschen, dem du dein Leben widmest, für den du deine Existenz einsetzt, ganz neu und reicher wiederfindest. Du kannst dich nicht wirklich verlieren, wenn du in der Grundhaltung der Hingabe lebst. Du wirst dann erst wirklich reich.
SELBSTFINDUNG IST SELBSTHINGABE!
Das Größte aber im Leben ist: Die Selbstfindung in der Selbsthingabe ist zugleich Gottesbegegnung. Im Nächsten, den ich bereichere, den ich aufbaue, dessen Entfaltung ich diene, begegne ich wirklich Gott. Alles Grübeln, alles theologische Sinnieren bringt mich Gott nicht näher, wenn ich nicht die Liebe lebe. Die Angst vor der Selbsthingabe, das verzweifelte Bei-sich-selbst-sein-wollen raubt dem Menschen die Lebensqualität, macht sein Leben klein und armselig, lässt ihn geistlich verhungern, macht ihn letztlich gottlos.
- Gott will, dass wir das Leben haben und es in Fülle haben! (vgl. Joh 10,10)
Er hat sich selbst in Jesus Christus an uns Menschen verschenkt. Diese göttliche Liebe soll uns mehr und mehr prägen. Gott schenkt uns in dieser Zuwendung eine innere Größe, deren natürlichste Antwort unsere menschliche Großzügigkeit ist. Je mehr wir uns verschenken, desto mehr haben wir selbst ein erfülltes Leben, ein Leben in Fülle. Dieses Leben in Fülle ist also nicht etwas Statisches, sondern baut sich ständig neu in der Nächstenliebe auf! Das Liebesgebot des heutigen Evangeliums ist damit nicht etwas, was unser Leben schwer machen will, sondern das einzige Programm, das uns ein Leben in Fülle eröffnet.
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.