Pfarrer P. Johannes zum Erntedankfest
![Pfarre Wilhering](/img/40/6a/af47796cfac27eb98496/-Erntedank.jpg)
Liebe Mitchristen!
Am 26. Sonntag im Jahreskreis findet heuer in Wilhering das Erntedankfest statt. Das ist nicht nur eine schöne Tradition und ein alter Brauch. Es soll uns bewusst machen, dass die Dankbarkeit eine Grundhaltung ist, die erst ermöglicht, dass Gnade bei uns ankommen kann. Ein Geschenk, das nicht das Herz berührt, war kein wirkliches Geschenk.
Das Evangelium von der Heilung der zehn Aussätzigen in Lk 17,11-19 erzählt von den an Lepra Erkrankten, die von Jesus geheilt wurden, nachdem sie inständig darum gefleht hatten. Jesus hat sie zu den Priestern geschickt, die die Heilung bestätigen sollten. Unterwegs wurden sie gesund. Der Evangelist betont, dass nur einer von diesen Zehn zu Jesus zurückkam, um sich zu bedanken, und erwähnt, dass dieser noch dazu ein Ausländer, ein Samariter, war. Ihm sagt der Herr zu: „Dein Glaube hat dir geholfen!“ Mit diesem Wort begleitet Jesus oft seine Heilungstat, und das lässt erkennen, dass zwar zehn Menschen körperlich geheilt worden sind, dass aber nur bei einem diese Heilung auch die ganze Persönlichkeit erfasst hat. In den anderen schlummert weiter die Krankheit, auch wenn sie zunächst rein geworden sind.
Auch durch persönliche Erfahrungen können wir feststellen, dass echte Dankbarkeit das Innere reinigt und erhellt. Ein dankbarer Mensch ist ein glücklicher Mensch. Er hat etwas Gutes in seinem Herzen ankommen lassen. Offensichtlich leben bei uns viele in einem unbeschreiblichen Wohlstand, nehmen aber alles so selbstverständlich, als müsse das so sein. Der Gedanke, dass jeder Tag in Gesundheit und Sorglosigkeit ein Geschenk ist, ist ihnen verborgen.
Es gibt so vieles, wofür wir dankbar sein können und das überhaupt nicht selbstverständlich ist: Es beginnt damit, dass wir sauberes Wasser, genug Lebensmittel und eine reine Luft haben. Um genügend Kleidung und um das Heizen müssen wir uns keine Sorgen machen. Aber auch die körperliche Unversehrtheit ist Grund für Dankbarkeit. Sehen und hören können, Arme und Beine gebrauchen können, Freude an der Arbeit mit netten Kollegen zu haben, Möglichkeiten zu schönen Erlebnissen in großzügiger Freizeit und ein sicheres Land, in dem es sich gut leben lässt, das ist alles nicht selbstverständlich.
Wenn wir ein wenig in die Tiefe gehen, entdecken wir, dass es erstaunlich ist, wie sehr wir fähig sind für das Schöne. Der Mensch kann Kunst genießen, kann sich an den Wundern der Natur freuen, kann staunen über die unermessliche verschwenderische Fülle der Schöpfung. Letztlich gilt, wie es in einem neueren Lied heißt: „Ach Herr, ich will dir danken, dass ich danken kann.“
Mir scheint, dass wir die Dankbarkeit üben müssen. Wir müssen aufhören, etwas als selbstverständlich zu betrachten. Nichts ist selbstverständlich. Jederzeit kann etwas schmerzlich über uns hereinbrechen. Wir haben kein Anrecht auf etwas. Alles ist uns geschenkt.
Mich erschüttert, dass Menschen, denen offensichtlich alles in den Schoß gefallen ist, depressiv werden, und dass dagegen andere, die eigentlich schwer an einem Handicap leiden, die blind oder nach einem Unfall querschnittgelähmt sind, Freude ausstrahlen. Muss einem erst etwas genommen werden, damit man das Gute zu schätzen beginnt? Ist vielleicht der Reichtum, mit dem uns Gott beschenkt hat, manchen zu groß, um ihn mit Dankbarkeit bedenken zu können? Ist uns die verschwenderische Güte Gottes zu viel? Natürlich hat das heurige Jahr auch Sorgen bereitet. Das sollen wir nicht bestreiten. Das viele Gute, das wir genießen konnten, hat es aber bei weitem überwogen.
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.