Pfarrer P. Johannes zum 13. Sonntag im Jahreskreis
Liebe Pfarrgemeinde! Liebe Besucherinnen und Besucher unserer Homepage!
Der Ausschnitt aus der Aussendungsrede, den wir an diesem 13. Sonntag im Jahreskreis als Evangelium hören (Mt 10,37-42), ist besonders herausfordernd: „Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig…“ Wie geht das mit dem 4. Gebot zusammen? Wie geht das mit dem Gebot, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, zusammen? Dazu braucht es wohl sehr tiefgehende Überlegungen:
1. „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.“ (Mt 22,37)
Unsere Ordensregel sagt: „Dem Gottesdienst darf nichts vorgezogen werden.“ Dazu muss als erstes klargestellt werden: Gott ist kein Konkurrent des Menschen, im Gegenteil: Gott ermöglicht erst echte Nächstenliebe, also auch die Liebe zu den Eltern, Geschwistern, Angehörigen, ja zu allen Nahestehenden, vor allem auch zu denen, die einem das Leben schwer machen. Gott ist ja das Geheimnis der Liebe! Der Absolutheitsanspruch, den Jesus im heutigen Evangelium ausspricht, ist der Ermöglichungsgrund echter Liebe, die mehr ist als emotionale Zuwendung aus innerem Antrieb und normalen menschlichen Gefühlen heraus. Die Kraft der Emotion reicht nicht aus, um echtem menschlichen Anspruch, die Liebe auch wirklich umfassend zu leben, gerecht werden zu können.
Das gilt noch viel mehr, wo es darum geht, das Wort Gottes zu verkünden, also die göttliche Lebenskraft den Menschen weiterzuschenken, also Vermittler der göttlichen Liebe zu werden. Um es ganz deutlich zu sagen: Man kann nicht berufsmäßig Verkünder des Evangeliums sein, wie man etwa ein Haus baut, Schuhe produziert, ein Auto repariert oder vielleicht als Arzt einen Blinddarm operiert. Das Wort Gottes muss den Verkünder zuerst selbst überwältigen, sonst kann er es nicht vermitteln. Das Evangelium muss das Herz dessen zuerst zum Glühen bringen, der dann von dieser Glut weitergeben kann. Wer das Feuer des Allerheiligsten nicht in sich hat, kann die göttliche Liebe nicht in anderen entzünden. Jesus sendet aber Arbeiter in seine Ernte, die sehr groß wäre, und wo es unfassbar viel zu tun gäbe!
2. „Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren, wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“
Jesus beleuchtet das gleiche Geheimnis noch von einer anderen Seite her, die zwar äußerst plausibel ist, für viele Menschen aber kaum nachvollzogen werden kann: Kann je ein Mensch glücklich werden, der nur an sich denkt und nur für sich ein reiches Leben sucht? Wie geht es wohl denen, die den Partner und natürlich auch die Kinder für ihre Selbstverwirklichung brauchen? Wie viele Kinder leiden darunter, dass sie ihre Persönlichkeit gar nicht entfalten können, weil ihre Eltern sie in die Pflicht nehmen, um ihr eigenes angeschlagenes Selbstwertgefühl aufzumöbeln – wo die Kinder also funktionieren müssen. Junge Menschen, die nichts Eigenes ausprobieren dürfen, keine Fehler machen dürfen, an keinen eigenen Enttäuschungen wachsen dürfen, ständig gegängelt werden, auch mit fragwürdigen Mitteln gezwungen werden, in der Schule Höchstleistungen zu bringen!
Das Wort Jesu könnte man für den Alltag durchaus auch übersetzen in die Ermutigung: Nimm dich zurück, mach dich nicht zu wichtig, lass dich in den Dienst eines größeren Geheimnisses nehmen, stell deine Lebenspläne in Frage! Glaub daran, dass die Wirklichkeit größer ist als das, was du durchschaust und genau unter Kontrolle hast. Lass dich überraschen! Dein Leben wird reicher, wenn du über den eigenen Tellerrand blickst!
Ich darf an die Grundprinzipien der christlichen Soziallehre erinnern: Es geht um die Spannung zwischen Personprinzip und Gemeinwohlprinzip: So sehr jeder einzelne Mensch göttliche Würde hat, die ihm nicht genommen werden darf – und das gilt für alle Sprachen, Rassen, Hautfarben, Religionen, Kulturen und Kontinente – so sehr gilt auch, dass diese Menschenwürde sich nur offenbaren und entfalten kann im Leben für andere. Unser Leben muss für die Mitmenschen gut sein.
Ist es nicht das Größte, wenn man zu jemand sagen kann: „Du bist ein Geschenk des Himmels!“ Ich sollte mich jeden Tag fragen: Für wen bin ich ein Geschenk? Wer erlebt mich als Geschenk? Wessen Leben bereichere ich? Wem schenke ich meinen Reichtum? – Oder behalte ich Kostbarkeiten für mich allein und wundere mich dann, dass ich nicht glücklich bin!
3. Die „Kleinen“
Schließlich steht da am Schluss noch ein nicht unwichtiger Gedanke: Die Jünger Jesu dürfen sich nicht wichtigmachen! Der Apostel Paulus schreibt im Galaterbrief einen Satz, den alle Verkünder des Evangeliums sehr ernst nehmen sollten: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Meine Würde besteht darin, schreibt er, dass Christus mich liebt und sich für mich hingegeben hat. – Ich brauche mich also nicht um Anerkennung und Wertschätzung bemühen. Ich kann so weit hinter die Botschaft zurücktreten, dass ich nichts mehr davon verdecke dadurch, dass ich mich selbst aufspiele.
Ein guter Vergleich ist für mich der Schauspieler, der hinter die Gestalt, die er darstellt, so zurücktritt, dass für das Publikum nur mehr die Figur und ihre Botschaft sichtbar ist. Der Schauspieler ist reiner Vermittler einer großen Aussage im Kunstwerk. Wehe, wenn ich im Stück „Nathan der Weise“ nicht Nathan, sondern den Schauspieler sehe!
Ebenso gilt für den Verkünder des Evangeliums: Wehe, wenn die Feiergemeinde beim Gottesdienst nicht Jesus wahrnimmt. Niemals darf sich der Jünger Jesu aufspielen, immer muss er ganz klein sein, damit Jesus Christus mit seiner wunderbaren Botschaft ganz groß erfahrbar wird. Im Laufe der Geschichte wurden da ganz schlimme Machtspiele gespielt, die bis zu Glaubenskriegen geführt haben, und wo oft Scheiterhaufen angezündet worden sind, um sich den Herausforderungen des Glaubens nicht stellen zu müssen. Das Evangelium ist dabei leider sehr oft auf der Strecke geblieben.
Die Kirche als ganze, in all ihren Konfessionen, mit allen Mängeln und Schwächen, sollte gerade das heutige Evangelium sehr ernst nehmen, und sich hüten, besserwisserisch und selbstherrlich aufzutreten. Jeder Verkünder des Evangeliums sollte sich klar sein, dass nur einer am Wort sein darf, und das ist Jesus Christus, unser Herr!
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.