Pfarrer P. Johannes zum 31. Sonntag im Jahreskreis
Liebe Mitchristen!
Wieder löst Jesus bei den anständigen Leuten Empörung aus! Er lädt sich selbst beim obersten Zollpächter von Jericho, bei Zachäus, zum Essen ein. Sicherlich, Zachäus kollaboriert mit den Feinden, den Römern, für die er vom auserwählten Volk Jahwes Steuern kassiert und sich damit in deren Vorstellung zum Feind Gottes macht. Bei ihm ist Jesus zu Gast, er, der nach eigenen Worten Gott in der irdischen Welt vergegenwärtigt.
Während nun aus Sicht der frommen Juden ein Mensch wie Zachäus gar nicht existieren sollte, will Jesus aus Zachäus einen Gottesfreund machen, und dazu setzt er den ersten Schritt. Für ihn braucht die Verwandlung des Herzens eines Menschen zunächst die Erfahrung, dass sich Gott diesem Menschen ohne Vorbedingung zuwendet.
Ein bedeutender tschechischer Theologe, Tomas Halik, beschäftigt sich in seinem Buch „Geduld mit Gott“ mit dem Phänomen des Zachäus und stellt einige bedeutende Dinge fest. Das erste: Dieser Zachäus ist an Jesus interessiert! Er möchte ihn sehen! Da er klein von Gestalt ist, steigt er auf einen Baum und versteckt sich im Blattwerk. Verstohlen sieht er, wie Jesus hier vorbeikommt. Dem Zachäus ist also Jesus nicht egal, ihn ihm glimmt eine kleine Hoffnung, dass von Jesus Heil auch für ihn ausgeht. Was aber dann kommt, hätte er sich nicht träumen lassen: „Zachäus, komm schnell herunter, denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein!“
Die Empörung der Leute ist verständlich, ist aber für Zachäus die Bestätigung, dass Jesus es ernst meint. Mit diesem Schritt, sich beim Kollaborateur mit den Feinden einzuladen, macht er sich indirekt ja selbst zu einem Feind der Juden!
Bei Tomas Halik steht nun die Aussage, dass die Welt heute voll ist von Zachäussen! Die Menschen, auch wenn sie nicht in die Kirche gehen, haben großes Interesse am Evangelium. Verstohlen blicken sie auf die praktizierenden Christen, vor allem auf Bischöfe, Priester und Diakone, und hoffen darauf, dass diese das Heil, von dem das Evangelium verspricht, auch vermitteln. Die Amtskirche hat also für diese Gottsucher, die aus einem sicheren Versteck ihre Vertreter beobachten, eine große Verantwortung. Es ist schmerzlich, wenn hier die Glaubwürdigkeit fehlt, wenn nur schöngeredet wird, statt die Erlösung erlebbar zu machen. „Erlöster ausschauen müssten sie mir, die Christen“, sagt ein Religionskritiker. Eine furchtbare Katastrophe besteht gegenwärtig darin, dass sogar innerhalb der Amtskirche entsetzliche Verbrechen an Kindern aufgedeckt worden sind! Was Wunder, dass umso genauer auf das konkrete Leben der Kirchenvertreter geschaut wird, und auf schöne Worte in Wirklichkeit überhaupt nichts gegeben wird.
Die Hoffnung für die Kirche heute liegt wie schon in der Vergangenheit bei Menschen, die bei weitem nicht vollkommen waren, denen aber die Gnade der Bekehrung geschenkt wurde. Kurz vor dem Allerheiligenfest darf daran erinnert werden, dass eine große Anzahl von Heiligen in ihrer Jugend alles andere als gute Christen waren, allen voran der Apostel Paulus, aber auch Augustinus, Franz von Assisi oder Ignatius von Loyola. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Das Leben vieler Heiliger ist geprägt von einem Bekehrungserlebnis! Zachäus steht also für viele, die große Heilige geworden sind.
Wir wissen nicht, wie es mit Zachäus weitergegangen ist. Aber auch der Apostel Matthäus war ein Zöllner, Simon wird als Zelot bezeichnet, der früher der Idee anhing, mit Brutalität das Volk Israel von den Feinden zu befreien. Für viele Apostel, auch für Jakobus und Johannes, war es eine schwere Schule, bis sie erkannten, dass die Botschaft von Jesus darin liegt, einander die Füße zu waschen, statt die obersten Regierungssitze einzunehmen. Das Wort Jesu: „Im Himmel herrscht mehr Freude über einen Sünder, der sich bekehrt, als über 99 Gerechte, die der Bekehrung nicht bedürfen“, sollte sehr ernst genommen werden.
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.