Pfarrer P. Johannes zum 15. Sonntag im Jahreskreis
Ein Gesetzeslehrer will Jesus auf die Probe stellen. Jesus lässt sich auf keine Diskussion ein, sondern fragt sofort: „Was steht im Gesetz?“ Jesus weiß, dass man das mosaische Gesetz oft so dreht und wendet, dass es für die eigene Situation am günstigsten ist. Er ist aber mit der Antwort des Gesetzeslehrers zufrieden und gibt die kurze Antwort: „Handle danach, und du wirst leben!“ Der Fragesteller ist aber überhaupt nicht zufrieden. Er will offensichtlich eine ausführliche Diskussion beginnen. Stattdessen erzählt Jesus ein Beispiel mit mehreren Provokationen:
Ein Mann wird von Räubern überfallen, niedergeschlagen, er liegt halbtot da. Ein Priester und ein Levit, eigentlich die religiösen Vorbilder und Autoritäten des mosaischen Gesetzes, werden dem Liebesgebot nicht gerecht. Sie sehen den Schwerverletzten und gehen einfach vorüber. Hier schon müsste der Gesetzeslehrer Stellung beziehen.
Dann aber kommt ein „Ausländer“, ein verachteter Samariter, an dem die frommen Juden normalerweise kein gutes Haar lassen. Dieser hat Mitleid, und aus innerem, persönlichem Antrieb tut er, was in dieser Situation nötig ist. Er leistet erste Hilfe und besorgt alles, was der Verwundete zum Überleben braucht.
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In der anschließenden Frage Jesu an den Gesetzeslehrer kommt zum Ausdruck, dass die Frage nach der Nächstenliebe viel weiter gefasst werden muss: Nicht nur ist der Schwerverletzte in diesem Fall der Nächste für den Priester, den Leviten und den Samariter, wobei nur der Letztere das Gebot der Nächstenliebe erfüllt hat. Der Samariter hat sich auch selber als Nächster des Hilfsbedürftigen erwiesen, der Priester und der Levit haben sich dagegen in einer außergewöhnlichen Beziehungssituation isoliert, abgekapselt. Sie haben eine wichtige Chance, Menschlichkeit zu üben, vertan. Sie sind im Augenblick des Vorübergehens zu Unmenschen geworden.
Der Dienst der Nächstenliebe ist also mehr als nur ein Hilfseinsatz! In der Hilfeleistung wird der Mensch erst menschlich. Am Samariter leuchtet gerade im Augenblick seines Einsatzes die Menschenwürde auf. Der Maßstab der Menschlichkeit ist nicht die öffentliche Rolle, die jemand spielt (Priester, Levit), sondern der konkrete Einsatz für den Mitmenschen.
Jesus gibt dem Gesetzeslehrer eine Antwort, an der er lange grübeln kann, wenn er dazu bereit ist.
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.