Pfarrer P. Johannes zum 6. Sonntag in der Osterzeit
Wir sollen verstehen, dass der Heilige Geist uns alles lehren und uns an alles erinnern wird, was Christus uns gesagt hat.
Die Apostelgeschichte zeigt uns mit einer grundlegenden Entscheidung, wie schwer es sein kann, sich vom Geist Gottes leiten zu lassen, und wie groß die Gefahr ist, auf eigenen Vorstellungen und Gewohnheiten zu beharren. Konkret geht es um das Gesetz des Mose, das den Juden so heilig ist, dass sich viele Judenchristen nicht vorstellen konnten, jemand könne Christ sein, ohne die vielen jüdischen Vorschriften zu befolgen. Der Evangelist Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, zeigt uns in einer umfangreichen Darstellung den Prozess bis zur Entscheidung, dass Heidenchristen frei sind vom Gesetz des Mose, wie wir heute in der ersten Lesung hören:
- Die Taufe des Kornelius:
Davon erzählt das 10. Kapitel der Apostelgeschichte. Kornelius ist römischer Hauptmann. Er ist fromm, betet und gibt reichlich Almosen. Er ist bei den Juden beliebt, hat aber keinen Bezug zum jüdischen Gesetz und ist natürlich nicht beschnitten und für die Juden somit unrein. Nach einer Vision schickt er Boten zu Petrus, um mehr über das Besondere der christlichen Botschaft zu erfahren.
Petrus muss aber durch den Heiligen Geist belehrt werden, dass für Gott nichts und niemand unrein ist. Er hat eine Vision mit unreinen Tieren, die er essen soll. Dann bekommt er durch den Heiligen Geist die Anweisung, ohne Bedenken mit den Boten des Kornelius zu gehen. Schließlich betritt er das Haus des Kornelius, wo viele von dessen Angehörigen und Freunden versammelt sind – allesamt Nichtjuden und damit aus jüdischer Sicht unrein! Während er die Botschaft von Jesus, der gekreuzigt und auferweckt worden ist, verkündet, kommt der Heilige Geist auf alle Nichtjuden herab. Die jüdischen Begleiter des Petrus sind schockiert, aber er gibt Anweisung, alle, die den Geist empfangen haben, zu taufen.
- Die heidenchristliche Gemeinde in Antiochien:
In Apg 11,19-26 berichtet Lukas, dass viele Nichtjuden Christen wurden und dass man davon in Jerusalem erfuhr. Von dort wurde Barnabas nach Antiochien geschickt, und er freute sich über die Gnade Gottes und holte auch Paulus, der sich einige Jahre nach Tarsus zurückgezogen hatte. Die Christengemeinde festigte sich, und dort nannte man die Anhänger des neuen Weges auch erstmals „Christen“.
- Erste Missionsreise des Paulus
Von Antiochien brachen Paulus und Barnabas zu einer ersten Missionsreise bis in die heutige Türkei auf. (Apg 13-14) In den verschiedenen Städten verkündeten sie das Evangelium zunächst den Juden, von denen sie oft abgelehnt wurden, und wandten sich dann an die Nichtjuden, bei denen großes Interesse herrschte. Sie gründeten Christengemeinden und bestellten „Älteste“ als Gemeindeleiter. Wir können davon ausgehen, dass auf dieser Missionsreise hunderte, wenn nicht tausende Nichtjuden getauft wurden.
- Das Apostelkonzil
Eine Gruppe konservativer Judenchristen kommt nach Antiochien und fordert, dass alle männlichen Nichtjuden, die getauft waren, im Nachhinein noch beschnitten werden müssten. Wir haben davon in der ersten Lesung gehört, die die ganze Entwicklung zusammenfasst. Diese Forderung nach Beschneidung und die Verpflichtung auf das jüdische Gesetz muss einen gewaltigen Aufruhr ausgelöst haben. Paulus und Barnabas werden mit einigen Begleitern nach Jerusalem geschickt, wo ein heftiger Streit entsteht. (Apg 15,7) Schließlich wird auf diesem ersten Konzil (!) definiert, dass Nichtjuden jederzeit getauft werden können, ohne dass man sie damit auf das mosaische Gesetz verpflichtet.
- Der Galaterbrief
Damit war das Problem nicht gelöst. Eine erste Glaubensspaltung entstand. Konservative Kreise von Judenchristen begannen offensichtlich in Galatien zu missionieren, wo Paulus schon Christengemeinden gegründet hatte, und Paulus war gezwungen, einen scharfen Brief an diese Gemeinden zu schicken, in dem er unter anderem formuliert: „Wer euch aber ein anderes Evangelium verkündigt, als wir euch verkündigt haben, der sei verflucht…“ (Gal 1,8) „Hört, was ich, Paulus, euch sage: Wenn ihr euch beschneiden lasst, wird Christus euch nichts nützen!“ (Gal 5,2) „Diese Leute, die Unruhe bei euch stiften, sollen sich doch gleich entmannen lassen.“ (Gal 5,12)
Gerade der vormals schärfste Kämpfer für das mosaische Gesetz ist jetzt Kämpfer für ein Christentum ohne mosaisches Gesetz! Wenn man das damalige Wirken des Heiligen Geistes auf unsere Zeit überträgt, fragt man sich manchmal, ob bei der derzeitigen Führung der römisch-katholischen Kirche dem Gottesgeist genügend Gehör geschenkt wird, oder ob nicht manchmal Angst und Machtgier allzu sehr am Werk sind.
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