Pfarrer P. Johannes zum 5. Fastensonntag (Passionssonntag)
Fakt 1: Sowohl in Lev 20,10 als auch in Dtn 22,22 heißt es, im Fall eines Ehebruches müssen beide sterben. Wo ist denn hier der Ehebrecher? Warum soll nur die Frau gesteinigt werden?
Fakt 2: Nach allem, was die Forschung zeigt, hat es wegen Übertretung des mosaischen Gesetzes in Fällen, wo die Todesstrafe gefordert wurde, zur Zeit Jesu praktisch keine Hinrichtungen gegeben. Bekannt ist dagegen die Steinigung des Stephanus, eine Lynchjustiz ohne Gerichtsurteil wegen angeblicher Gotteslästerung. Auch Jesus wird immer wieder der Gotteslästerung bezichtigt, insbesondere im Johannesevangelium, und man will ihn umbringen, beispielsweise in Joh 5,18; 7,1; 7,19; 7,25; 7,30; 7,32; 7,44; 8,20; 8,59 usw. In Joh 8,59 heben die Leute schon Steine auf, um sie nach Jesus zu werfen.
Die Antwort Jesu:
Klar ist, dass man Jesus mit der Frage, ob die Ehebrecherin gesteinigt werden solle, eine Falle stellen will: Er will vom Gesetz des Mose nicht einmal ein Jota wegnehmen, verstößt aus Sicht der Gesetzeslehrer aber selbst immer gegen den Sabbat und damit gegen das mosaische Gesetz. Wird er nun Gnade walten lassen oder sich auf die Seite des Gesetzes stellen? Jesus lässt sich mit seiner Antwort viel Zeit, er will wohl auch den Fragestellern Zeit geben. Er schreibt etwas in den Sand und lässt die Frage wirken. Dann erst steht er auf und sagt ein unfassbar klares Wort, das alle vor den Kopf stößt:
„Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“ Jesus bestreitet also nicht die Todeswürdigkeit der begangenen Untat, er stellt aber klar, (wie auch schon am 3. Fastensonntag im Zusammenhang mit dem Feigenbaum festgestellt, der schon drei Jahre keine Frucht bringt und längst umgehauen sein müsste), dass bei der vollen Strenge des Gesetzes jeder die Todesstrafe verdienen würde. Es wird nur wie so oft der Splitter im Auge des anderen gesehen, der Balken im eigenen Auge aber nicht. Wieder ist der Vers aus Psalm 130 zu zitieren: Würdest du unsere Sünden beachten, mein Herr und Gott, wer könnte dann bestehen? – Gott handelt an uns eben nicht gemäß unserer Schuld, er ist gnädig und barmherzig, erwartet aber von uns gleichermaßen, dass auch wir zueinander gnädig und barmherzig sind. Mit seinem klaren Wort macht Jesus die Gesetzeslehrer unfähig, gegen die Ehebrecherin ein Urteil zu fällen.
Das Wort Jesu an die Ehebrecherin: „Auch ich verurteile dich nicht!“, dürfen wir tatsächlich in der Weise verstehen, dass von Gott keine Verurteilung kommen wird,
und dass jeder darauf achten muss, nicht andere zu verurteilen – denn damit würde er zugleich sich selbst verurteilen!
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.