Pfarrer P. Johannes zum 3. Sonntag im Jahreskreis
Jesus zitiert beim Sabbatgottesdienst in der Synagoge von Nazaret die ersten Verse des 61. Kapitels des Propheten Jesaja, eine Messiasvision, niedergeschrieben vor vielen Jahrhunderten, die Heil und Rettung für die Leidenden und Hoffnungslosen verheißt. Der kommende Christus wird ein Gnadenjahr des Herrn ausrufen.
Jesus schließt an dieser Stelle die Buchrolle und erklärt:
„Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt!“
Kommenden Sonntag werden wir von der Reaktion der Gottesdienstbesucher hören, die eigentlich schockierend ist. Es ist notwendig, dieses Wort Jesu zu bedenken, auch für ein besseres Verständnis des Lukasevangeliums:
Eine Heilsverheißung ist in einer Welt, die sich an Unheil gewöhnt hat, sehr schön und berührend, wie ein tröstender Mythos. Ein Idealbild wird gezeichnet, das aber niemals Realität wird. Es hilft immerhin, die schweren Zeiten leichter zu ertragen. Man hört die Verheißungen, hat sich daran gewöhnt, und man weiß genau, dass das Ende des irdischen Lebens immer Leid und Tod mit sich bringt. Innerhalb der realen Aussichtslosigkeit träumt man von einem unmöglichen Paradies. Innerhalb der faktischen Wirklichkeit aber strukturieren sich die dann bestimmenden Machtverhältnisse, und bei aller Tragik ist alles einigermaßen erträglich. Die Kirche hat sogar „Gnadenjahre“ festgelegt, die für Wallfahrten genützt worden sind, die Welt aber nicht wirklich veränderten.
In diese reale Welt bringt nun Jesus eine ungeheuerliche Aussage. HEUTE beginnt etwas ganz Neues! Mit meiner Gegenwart ist die Verheißung des Jesaja, dieser Traum von einer Idealwelt, Wirklichkeit geworden. Jetzt beginnt tatsächlich eine Gnadenzeit, wie es sie noch nie gegeben hat. Jetzt werden tatsächlich Blinden die Augen aufgehen, Gelähmte beginnen zu tanzen, Taube können aufmerksam zuhören, Stumme beginnen zu jubeln und zu singen. Die Welt ändert sich jetzt von Grund auf.
Die Konsequenz ist allerdings für alle, die sich in die Welt, wie sie ist, eingewöhnt haben, dass nun alles anders wird. Wenn Jesus recht hat, bleibt nichts so, wie es war – ein unerträglicher Gedanke!
So erschreckend es ist: Es ist nachvollziehbar, dass Herodes den Erlöser beseitigen will, dass die Mächtigen ihn aus dem Weg räumen wollen, dass viele Schriftgelehrte versuchen, ihn lächerlich zu machen, ja, dass er auch für die Leute aus Nazaret eine unerträgliche Bedrohung ihres gewohnten Alltags ist. Diese wunderbare Verheißung löst Panik aus. Sie würde die etablierte Gesellschaft aller Fundamente berauben. Man spürt die göttliche Vollmacht, mit der Jesus auftritt, und diese ist für die Ärmsten, die Leidenden und Ausgegrenzten echt wirksames Heil, ja, eine neue Lebensmöglichkeit. Für alle, die sich mit ihrer Lebenssituation arrangiert haben, bedeutet es dagegen, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Das löst Angst und Panik bei den Abgesicherten aus!
Dem Evangelisten Lukas liegt das Markusevangelium vor, wo Jesus seine Verkündigung mit dem Wort beginnt: „DIE ZEIT IST ERFÜLLT, DAS REICH GOTTES IST NAHE! KEHRT UM UND GLAUBT AN DAS EVANGELIUM!“ Genau diese Aussage ist auch in dem Wort Jesu am Beginn des Lukasevangeliums enthalten, das ein Erdbeben bei den Zuhörern auslöst: „HEUTE HAT SICH DAS SCHRIFTWORT, DAS IHR EBEN GEHÖRT HABT, ERFÜLLT!“
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.