Pfarrer P. Johannes zum Fest der Erscheinung des Herrn
- Die Bibel spricht sehr oft vom Licht, meistens aber nicht von einem Licht, das unsere Augen optisch wahrnehmen können.
Schon das Wort „Es werde Licht!“ vom ersten Schöpfungstag (Schöpfungshymnus Gen 1,1-2,4a) überrascht, wenn man beachtet, dass Sonne, Mond und Sterne erst am vierten Schöpfungstag ins Dasein gerufen werden. Im Mettenamt hören wir Jes 9: „Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht…“ Im Johannesprolog (Joh 1,1-18) hören wir: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.“ Im ersten Johannesbrief (1 Joh 1,5) steht: „Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in ihm.“
- In der heutigen Lesung aus Jesaja wird ein Wortspiel mit dem Sonnenaufgang gemacht: „Über dir geht strahlend der HERR auf.“
Hier wird schon sehr deutlich, dass es die Gottesnähe ist, die die Welt hell macht. Man kann noch so viele Lichter einschalten, die Sonne kann gleißend hell strahlen, es kann trotzdem furchtbar finster sein. „Denn darin besteht das Gericht: Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse“ (Joh 3,19). Das wahre Licht ist erschienen in der Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, die wir in dem Kind in der Krippe gemeinsam mit den Hirten und den Sterndeutern erkennen. Man könnte sagen: Das wahre Licht geht denen auf, die fähig sind, in jedem Mitmenschen, gleich welcher Kultur, Religion, Hautfarbe, Sprache …. den Bruder oder die Schwester zu erkennen.
Es ist für mich erschreckend, wenn Sternsinger jetzt auf einmal nicht mehr das Gesicht färben sollen, um so die verschiedenen Völker darzustellen, die alle auf der Suche nach dem wahren Licht sind, und die diesem wahren Licht, Jesus Christus, herzlich willkommen sind! (Versteckt sich hier nicht hinter einer Scheinheiligkeit ein neuer Rassismus?)
- „Es wird keine Nacht mehr geben, und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten, und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“ (Offb 22,5)
Wenn wir für die Verstorbenen beten: „Das ewige Licht leuchte ihnen“, dann sollten wir uns immer an diese Schriftstelle erinnern! Im Himmel gibt es die irdischen Lichter nicht mehr. Das Licht, nach dem sich die Völker sehnen, ist nicht ein gewöhnliches Licht. Schon im Alltag werden wichtige Erkenntnisse mit einer Metapher formuliert: „Mir ist ein Licht aufgegangen.“ Es ist mir etwas klar geworden. Der heilige Augustinus schreibt in seinen „Bekenntnissen“ im Zusammenhang mit seiner Bekehrungserfahrung von einem „Licht“, das „von anderer Art ist“, als die Lichter dieser Welt. Wir dürfen sagen: Dieses ewige Licht ist in Jesus Christus, in seiner Geburt als Mensch, in unsere irdische Welt hereingetreten. Trotz aller Finsternis, die die Welt beherrscht, trotz allem Egoismus, aller Ausbeutung und Entwürdigung von Menschen, leuchtet bereits jetzt geheimnisvoll ein Licht, das einst mit Macht einer Herrschaft der Liebe zum Sieg verhelfen wird.
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.
Bitte lesen Sie auch die Predigtgedanken von P. Johannes zu denselben Bibeltexten aus dem Jahr 2021!