Pfarrer P. Johannes zum Fest Allerheiligen
Liebe Mitchristen, geheiligt durch die Liebe Jesu Christi!
Wir feiern am 1. November immer Allerheiligen, und mit dem Taufritus und der Taufwasserweihe ist die Allerheiligenlitanei verbunden.
Es wäre aber irreführend, wenn wir an diesem Fest nur der schon vollendeten Heiligen gedenken würden. Denn das Evangelium des Festes (Mt 5,1-12a), die Seligpreisungen, spricht ein heiliges Leben in unserer irdischen Welt an.
- „Wer getauft wird, tritt ein in die Gemeinschaft der Heiligen.“ (Aus dem Taufritus)
Die christliche Taufe ist also die eigentliche HEILIGSPRECHUNG! Das dürfen wir nie übersehen. Taufe bedeutet eine geistliche Neugeburt, und jeder Getaufte hat hier und jetzt schon Anteil an der himmlischen Welt. Klar ist, dass es eines ständigen Ringens bedarf, das in unserem Leben auch zu verwirklichen. „Wir sind im Kampfe Tag und Nacht!“, heißt es in einem Kirchenlied.
Im Glaubensbekenntnis sprechen wir die Gemeinschaft der Heiligen als Grundsatz des Christseins aus.
Dieser Gemeinschaft gehören wir also alle an. Darüber hinaus will uns die Kirche mit der Heiligenverehrung besondere Vorbilder vor Augen stellen, nach denen wir uns richten sollen, und die uns auch ermutigen sollen, auf dem Weg der Heiligkeit zu bleiben. „Erweist euch als heilig, und seid heilig, weil ich heilig bin!“ So ruft Gott seinem Volk schon im dritten Buch Mose zu. (Lev 11,44, vgl. auch 19,2, zit. in 1 Petr 1,16).
- „Paulus … an alle Heiligen in ganz Achaia.“ (2 Kor 1,1)
Paulus redet normalerweise in seinen Briefen die Adressaten als Heilige an, und das, obwohl es meist Probleme in diesen Christengemeinden gibt, die er im Lauf seiner Texte anspricht. Christsein ist nicht leicht. Es gibt da so viele Versuchungen, und der Alltag stellt Dinge in den Vordergrund, die dem christlichen Glauben widersprechen. Bei den „Heiligen in Korinth“ gibt es einen schlimmen Fall von Blutschande, es gibt Neid, Konkurrenzkampf, Verachtung der Mitchristen, und die Zusammenkunft am Sonntag „ist keine Feier des Herrenmahles mehr“ (1 Kor 11,20). Die Briefe des Paulus an seine „Heiligen“ sind oft ein heftiges Ringen mit völlig unchristlichen Grundhaltungen. Diese Sendschreiben aber sind heilige Schrift geworden!
Es geht also nicht nur darum, dass wir uns um persönliche Heiligkeit bemühen, sondern vor allem, dass wir alle miteinander täglich neu darum ringen und uns dabei gegenseitig unterstützen müssen, liebevoll, wertschätzend, aber auch entschlossen und ohne irgendwelche Zugeständnisse an ein „Christentum light“. Dass es immer wieder zur Umkehr, zu einer Erneuerung des Lebens kommen muss, haben uns viele Heilige vorgezeigt, in deren Leben es auch eine radikale Wende gegeben hat. Nicht zuletzt ist Paulus selbst darin ein Vorbild. In dieser gegenseitigen Unterstützung auf dem Weg zur Heiligkeit liegt auch der Sinn des Schuldbekenntnisses, in dem wir uns gegenseitig immer wieder unsere Schwächen eingestehen, und einander ersuchen, für uns gemeinsam mit den vollendeten Heiligen bei Gott, unserm Herrn, Fürsprache einzulegen.
- Die Seligpreisungen
Die Grundhaltungen, die Jesus in der Bergpredigt seligpreist, stehen konträr zu dem, was alltäglich wichtig ist. Man soll sich doch im Konkurrenzkampf durchsetzen können, anerkannt, wohlhabend, abgesichert und mächtig sein. Klar ist natürlich, dass das übliche Erfolgsprogramm einige todsichere Realitäten ausblendet, nämlich dass all das von heute auf morgen zusammenbrechen kann – durch einen Unfall, durch das plötzliche Ausbrechen einer Krankheit, aber auch durch wirtschaftlichen Niedergang oder durch Naturkatastrophen. Die innerweltlichen Erfolgsprogramme stehen auf schwachen Füßen. Selig also, wer wirklich abgesichert ist – nicht innerweltlich, sondern durch die Gewissheit, auch in den schlimmsten Katastrophen, auch im Tod, von der göttlichen Liebe getragen zu sein, die stärker ist als alles, was uns eventuell zustoßen kann.
- „Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.“ (1 Joh 3,1)
Dieser Satz aus der heutigen zweiten Lesung spricht das Schwierigste im Streben nach Heiligkeit an. Innerweltlich kann eine solche Grundhaltung, ein echtes Streben nach Heiligkeit, so scheint es, kein vernünftiger Mensch verstehen. Das alttestamentliche Buch der Weisheit spricht es in den ersten Kapiteln an: „Sein Leben hielten wir für Wahnsinn…“ (Weish 5,4), sagen die Frevler im Nachhinein über den Gerechten. Ähnlich steht in 2 Makk 6,29: „… denn was er gesagt hatte, hielten sie für Wahnsinn“. Bemerkenswert, was der Statthalter Festus nach der Verteidigungsrede des Paulus in der Apostelgeschichte sagt: „Du bist verrückt, Paulus! Das viele Studieren in den Schriften treibt dich zum Wahnsinn“ (Apg 26,24). So wenig der Vater von Franz von Assisi nachvollziehen konnte, was sein Sohn tat, so unverständlich war für die Gesellschaft beispielsweise, was Mutter Theresa in Kalkutta gemacht hat. Auch habe ich schon Leute sagen gehört: „Der ist doch sonst so vernünftig, was ist denn in den gefahren, dass er in ein Kloster geht…“
Es wird schon so sein: Sehr viele wollen ihre Kinder taufen lassen, aber die damit verbundene Konsequenz wird kaum bedacht - am wenigsten dann, wenn jemand sich entschließt, den Weg der Heiligkeit tatsächlich in einer besonderen Radikalität zu gehen.
Schon gar nicht aber darf Allerheiligen ein liebliches Fest sein und das Aufrechterhalten eines alten Brauchtums, sondern es muss unbedingt das Fest der Berufung von uns allen zur Heiligkeit sein!
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.