Pfarrer P. Johannes zum 22. Sonntag im Jahreskreis
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Im heutigen Evangelium stoßen sich die Pharisäer und die Schriftgelehrten daran, dass die Jünger Jesu nicht die im Gesetz vorgeschriebenen Waschungen durchführen.
Jesus sieht in der äußerlichen Erfüllung des Gesetzes eine große Gefahr. Aus Sicht der Pharisäer hat man damit alles erfüllt, was Gott vorgeschrieben hat, und kann sich somit nichts vorwerfen. Dass man aber einer echten Gottesbeziehung damit ausweichen kann, wird durch die Pflichterfüllung verdeckt.
„Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber sein Herz ist weit weg von mir.“ Mit diesem Wort zitiert Jesus den Propheten Jesaja, der schon 750 Jahre früher die gleiche Kritik geübt und damit festgestellt hat, dass Gesetzeserfüllung einen echten Glauben verhindern kann. Gesetze sind zwar gut und wichtig. Sie bringen Ordnung in den Alltag, und sie schützen uns auch. Falsch ist es, personale Gottesbeziehung durch göttliche Gebote zu ersetzen. Die Gebote können uns Gott durchaus näherbringen, sie sind auch ein Teil des religiösen Lebens, aber sie dürfen nicht absolut gesetzt werden. Das Herz muss Gott nahe sein!
Im zweiten Teil des heutigen Evangeliums macht Jesus aber klar, worum es im Kern der Sache geht. Die eigentliche Tragödie in der Welt besteht nicht darin, dass man irgendwelche äußere Vorschriften übersieht. Die Tragik der Menschheit liegt in der Entwürdigung von Menschen, in der Ausbeutung, in Machtanmaßung, in der Unfähigkeit, dem Mitmenschen menschlich, geschwisterlich zu begegnen. Im innersten Kern des Menschen liegt eine tiefe Verwundung, die nicht mit der Erfüllung von Vorschriften geheilt werden kann. Gott kann aber sein Heilswerk nicht ausüben, wenn man sein Herz vor ihm verschließt. Gott möchte mit seiner Liebe unser Herz rühren. Deshalb schmerzt es Jesus so sehr, wenn äußere Vorschriften die Überhand gewinnen.
Es tut Jesus furchtbar weh, wenn Vorschriften wie das Sabbatgebot vorgeschützt werden, um damit zu verhindern, dass Menschen geheilt werden. Man spricht Jesus das Recht ab, Sündenvergebung zuzusagen (Mk 2,6 f.), man argumentiert mit dem Sabbatgebot (Mk 3,4, auch Lk 13,10-16, Joh 5,16; 9,14-16 u. v. a.), und es gibt mehrere Heilungen, bei denen Jesus gegen Reinheitsvorschriften verstößt. Wenn es um den eigenen Gewinn geht, nimmt man es aber mit den Vorschriften selbst nicht so genau.
Es scheint im Laufe der Kirchengeschichte bis heute so zu sein, dass man vor allem auf den höchsten Ebenen hauptsächlich auf Machterhalt und persönlichen irdischen Gewinn geachtet hat und sehr oft die Botschaft des Evangeliums in einer Weise verdreht hat, dass seine Heilskraft völlig unterging. Da wurden Waffen gesegnet, Scheiterhaufen errichtet, Menschen zu Irrlehrern erklärt, und es wurden Personen, die verkehrte Grundhaltungen in Frage gestellt haben, zumindest exkommuniziert, wenn nicht gleich aus dem Weg geräumt. Es gibt dafür unzählige Beispiele, und die meisten Kirchenspaltungen gehen auf das Konto fehlender Bereitschaft zu einer ehrlichen Gewissenserforschung.
Genau darum sollte es aber gehen. Man müsste Gott erlauben, das Herz zu berühren. Die Freude des christlichen Glaubens besteht doch darin, dass uns Gott in Jesus so menschlich begegnet. Das eigentliche Gebot ist doch das der Gottes- und Nächstenliebe. Alle weiteren Gebote wollen doch nichts anderes, als Gott freie Bahn in die Tiefe unserer Seele zu ermöglichen.
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.