Pfarrer P. Johannes zum 5. Sonntag in der Osterzeit
Es ist wunderschön, das Aufblühen der Bäume zu beobachten. Faszinierend ist, wie die Wiesen in kurzer Zeit sattes Grün hervorbringen. Erstaunlich, welche Länge Rebzweige an einem Weinstock in wenigen Tagen erreichen. Entsprechend weh tut es zu sehen, wie in unseren Wäldern viele Bäume kaum mehr austreiben, weil ihr Wurzelwerk schwer geschädigt ist.
Unter den Notwendigkeiten unseres Lebens, mit denen Jesus bewusst machen will, dass wir ihn für ein gelungenes Dasein brauchen, ist neben vielen anderen Vergleichen das Bild vom Weinstock und den Rebzweigen besonders anschaulich (Joh 15,1-8).
Der Rebzweig bringt die Frucht ebenso wie der Zweig am Obstbaum. Ohne einen gesunden Weinstock, Baumstamm, ohne gesunde Wurzeln können die notwendigen Nährstoffe aber nicht dorthin gelangen, wo die Frucht gebildet wird. Im heutigen Evangelium wird dieses Bild vom Weinstock und den Rebzweigen auf unser Leben bezogen.
- „ Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige.“
Es liegt in unserer Natur, dass wir reiche Frucht bringen. Unsere Berufung und unser Glück, unser Aufblühen und die Entfaltung zielen darauf ab, ein reiches Geschenk für viele zu sein, so verschwenderisch zu geben wie ein Kirschbaum, der ganz rot leuchtet von den vielen reifen Früchten, oder eben ein Rebzweig, der die vielen Trauben kaum mehr tragen kann.
Der Winzer möchte, wenn er schmerzhafte Schnitte setzen muss, dadurch eine qualitativ besonders hochwertige Ernte erreichen. Kultivierung hat den Lebenssinn der Weinreben im Fokus.
Entscheidend ist die volle Durchlässigkeit des Rebzweiges für die reiche Fülle der Nährstoffe, die der Weinstock liefert. Mehr braucht der Rebzweig eigentlich nicht zu tun. Er bringt von selbst seine Frucht. (Vgl. Mk 4,28)
- „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“
Wenn Christus dieses Wort in der Abschiedsrede im Hinblick auf sein Leiden und seine Auferstehung sagt, muss klar sein, dass das Wort „nichts“ von der Ewigkeitsperspektive her verstanden werden muss. Natürlich können Menschen vieles vollbringen. Man kann Wolkenkratzer bauen, Millionen scheffeln, auf dem Mond landen, man kann Olympiasiege feiern und Rekorde brechen. Man kann, vorausgesetzt, es gibt keinen Lock-down, ein großes Wirtschaftswachstum erzielen und in nächster Zeit noch viele Fortschritte in der Forschung schaffen.
Ob die Menschen allein dadurch aber glücklicher werden und einen wirklichen Sinn im Leben finden, darf bezweifelt werden. Die meisten spektakulären und medienwirksamen Erfolge sind üblicherweise nach wenigen Wochen vergessen.
Wenn Jesus von einem „Leben in Fülle“ spricht, setzt er andere Maßstäbe. Gleich nach der Rede vom Weinstock und den Rebzweigen appelliert Jesus an seine Jünger, in seiner Liebe zu bleiben. „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Das, was Ewigkeitswert hat, kann nur vollbracht werden, wenn wir in seiner Liebe bleiben, und wenn wir diese Liebe, mit der er uns liebt, weitergeben. Dieses Wort verrät uns, was die Lebenskraft ist, mit der uns der Herr als wahrer Weinstock ständig beliefert, und von welcher Art die Frucht ist, die wir bringen sollen.
- Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen.
Man muss diesen ernsten Satz nicht gleich als Höllendrohung verstehen. Man sollte sich allerdings schon immer wieder fragen: Wieviel Liebe ist in meinem Tun zu finden? Kann man etwas von der Lebenskraft des wahren Weinstocks in meinem Wirken, aber auch in meiner Erholung wahrnehmen?
Vergleiche auch die Gedanken zum 5. Sonntag i.d. OZ.LJ A, in denen ein Teil der Abschiedsrede, die der heutigen voransteht (Joh 14), betrachtet wird.
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.