Pfarrer P. Johannes zu den Osterfesttagen
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Nicht wenige tun sich überhaupt schwer, die Ewigkeitsperspektive in ihr Leben hineinzunehmen.
Die Aussagen des Neuen Testaments dürfen ja auch nicht einfach als Berichte über das, was am Ostermorgen geschehen ist, verstanden werden. Ich möchte jetzt einige bedeutende Aussagen der Heiligen Schrift bewusst machen, die oft nicht so beachtet werden:
1. DAS GRAB IST LEER!
Der Evangelist Matthäus erzählt als einziger von der Grabwache, die der hohe Rat von Pilatus erbeten hat. Als die Wächter der Römer den Hohepriestern vom leeren Grab berichten, bestechen diese die Soldaten, den Leuten zu sagen: „Seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen“ (Mt 28,13). Abgesehen von der verrückten Aussage: - Wenn sie geschlafen haben, konnten sie gar nicht wissen, was passiert war - , bringt diese Stelle etwas zum Ausdruck, was offensichtlich ist: Der Leichnam Jesu ist weg. Man hat sicher intensiv danach gesucht. Klar aber ist: Wäre der Leichnam gefunden worden, hätte sich die Botschaft von der Auferstehung keinen Tag gehalten.
Zugleich ist aber zu bedenken, dass dieses leere Grab nirgends als Beweis für die Osterbotschaft verwendet wird. Lukas erwähnt, dass die Apostel die Nachricht der Frauen für Geschwätz hielten, dass aber Petrus nachsah, den Leichnam im Grab nicht fand, andererseits aber dort die Leinenbinden liegen sah.
2. Die Frauen verließen das Grab „und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt…“ (Mk 16,8)
Diese Aussage des Evangelisten Markus erscheint mir sehr wichtig. Eigentlich schade, dass dieser Schlussvers des ursprünglichen Markusevangeliums im Osterevangelium nach Markus immer ausgelassen wird. Sicher, er ist rätselhaft, und Matthäus und Lukas haben diesen Text geändert. Er drückt aber deutlich aus, dass die Osterbotschaft nicht einfach eine Information ist, so quasi: Es ist noch einmal gut ausgegangen. Ostererfahrung ist eigentlich etwas Schockierendes. Das bisherige Weltbild der Frauen und auch der Apostel ist damit zusammengebrochen. So tragisch der Tod ist – damit muss man halt leben. Wenn aber der so schrecklich am Kreuz Gestorbene lebt, dann muss ab jetzt das ganze Leben, ja, die ganze Schöpfung unter völlig neuen Vorzeichen gesehen werden. Da kann man ganz schön in Panik geraten. Eine Schlüsselaussage dazu habe ich bei Hubert Halbfas in seinem Buch „Der Sprung in den Brunnen. Eine Gebetsschule“ gefunden: „Nichts ist den Menschen unbekannter und erschreckender als die eigene Seele. Die meisten Menschen haben Todesängste, ….. den Abstieg zum unbekannten Seelengrund zu wagen. Sie leben nur außen, von allem gefesselt, was zur Schau gestellt wird, aber sie werden schon verwirrt, wenn sie nur einen Blick über den Brunnenrand werfen sollen. Ihre Sicherheit liegt im Geläufigen der äußeren Welt; vor der Tiefe in sich selbst sind sie voll hilfloser Not.“ Das Osterereignis ist kein äußeres, objektives Geschehen, im Gegenteil, es trifft den Menschen im tiefsten Inneren.
3. „Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni!“ (Joh 20,16)
Dass Auferstehungserfahrung ein inneres Geschehen ist, wird an mehreren Stellen deutlich, ebenso aber auch, dass da schon sinnenfällige Erfahrungen sind, die zunächst ohne Verständnis bleiben. Zuerst hält Maria von Magdala Jesus für den Gärtner, der die Grabstätte pflegt und möglicherweise den Leichnam weggebracht hat. Erst als Jesus sie ganz persönlich anspricht, erkennt sie ihn. Diese persönliche Anrede war wohl im irdischen Leben Jesu die innigste Erfahrung von Maria mit Jesus. Nicht am Alltäglichen, sondern auf personaler Ebene erfährt Maria die Präsenz des Auferstandenen.
Ein ähnliches Erlebnis haben die Emmausjünger. Sie gehen mit einem Fremden, der ihnen die Schrift erschließt, und sie spüren, dass ihnen das Herz brennt, erkennen Jesus aber erst beim Brotbrechen. Das gemeinsame Essen mit Jesus war für sie wohl früher schon eine besonders dichte Beziehungserfahrung. Man denke daran, dass Zachäus im Essen mit Jesus Vergebung und Versöhnung erfahren hat, und dass Jesus das Mahl oft als Bild für den Himmel verwendet hat. Schließlich muss das letzte Abendmahl, nachdem sie im Kreuzestod Jesu zu verstehen begonnen haben, was er eigentlich gemeint hat, ein seelisches Erdbeben ausgelöst haben.
Auch Joh 21 erzählt eine solche Ostererfahrung. Wie oft werden die Apostel einst in einem Boot mit Jesus unterwegs gewesen sein! Jetzt haben sie sich wieder dem Alltag als Fischer zugewandt. Da steht einer am Ufer und fragt sie, ob sie etwas gefangen haben. Sie müssen verneinen. Da ruft ihnen der Fremde zu, sie sollen doch das Netz auf der rechten Seite des Bootes auswerfen. Als dann das Netz voller Fische ist, erkennt der Jünger, den Jesus liebte (!): „Es ist der Herr!“ Als sie dann mit Jesus Mahl halten, steht im Johannesevangelium folgender Satz:
4. Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. (Joh 21,12)
Auch dieser Satz ist äußerst merkwürdig. Wieso kann man den Wunsch haben, jemand zu fragen, wer er ist, wenn man es ohnehin schon weiß? Hier zeigt sich, wie weit die Ostererfahrung von allen alltäglichen Erfahrungen entfernt ist. Einerseits wissen die Jünger, dass Jesus tot ist, schrecklich gestorben am Kreuz. Was ihnen jetzt widerfährt, ist also schlechthin UNMÖGLICH! Und doch ist die Erfahrung so dicht, so gewiss, und eine gemeinsame Erfahrung aller Anwesenden, dass sie unbestreitbar ist. Sind die gerade vorhin noch so vernünftigen, klar denkenden Fischer jetzt auf einen Schlag alle miteinander verrückt geworden? Später wird sich der Hohe Rat wundern (Apg 4,13), dass diese sonst einfachen Menschen so mutig und verständlich antworten und sich so unerschrocken zum Auferstandenen bekennen!
Eine ähnliche Formulierung verwendet Lukas (Lk 24,41): „Sie staunten, konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben.“ Da ist einerseits die Unmöglichkeit, dem am Kreuz Hingerichteten zu begegnen, andererseits ist da die gemeinsam erfahrene Wirklichkeit des lebendigen Herrn.
Zusammenfassend möchte ich vor allem den Zweifelnden einige Überlegungen anbieten: Zu meinen, dass das, was wir mit unserem Verstand begreifen können, so eindrucksvoll es auch sein mag, schon alles wäre, ist eine ziemliche Hybris. Fakt ist ja auch, dass die Wissenschaft immer wieder Weltbilder verwerfen musste, weil Neuentdeckungen das notwendig machten. Manche hätten die Entdecker am liebsten auf dem Scheiterhaufen verbrannt, um beim Alten bleiben zu können, und öfter ist das auch geschehen. Zum Zweiten: Es gibt den Spruch: „Das ist zu schön, um wahr zu sein!“ Warum aber eigentlich sollte das wunderbarste im Leben nicht wahr sein können? Zum Dritten: Was ist denn eigentlich die tiefste Sehnsucht unseres Herzens? Wirklich der Tod? Leben wir nicht aus der Sehnsucht, dass alles – ja, wirklich alles – gut ausgehen wird? Und schließlich: Ostererfahrung ist keine private Erfahrung, sondern immer auf Gemeinschaft hingeordnet! Ist nicht die Liebe das Kostbarste im ganzen Leben, so schwer es oft sein mag, die Liebe konsequent zu leben? Der Traum vom unendlich erfüllten Leben ist oft aufgegeben worden, aber das ist zumindest für mich kein Grund, das auch zu tun! Ich glaube an die endgültige Erfüllung in der Liebe Gottes, ich glaube, dass die Liebe Gottes stärker ist als der Tod!
Weil dieser Text wesentlich für Ostern ist, haben wir ihn aus dem Jahr 2020 übernommen. Bitte lesen Sie auch den Text von P. Johannes, 2022 zum Ostersonntag!
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.