Pfarrer P. Johannes zum Fest der Hl. Familie
Liebe Pfarrgemeinde!
Zum heurigen Fest der heiligen Familie hören wir das Evangelium von der Darstellung des Herrn im Tempel, also das Evangelium, das auch zu Maria Lichtmess verlesen wird. Heute liegt der Blick vor allem darauf, dass Gott seinen Sohn menschlichen Eltern anvertraut, die als fromme Juden alles tun, was das Gesetz vorschreibt. Jesus wächst also in der jüdischen Kultur auf, wird im mosaischen Gesetz unterrichtet und zu einem frommen Angehörigen seiner Religion erzogen.
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Damit offenbart sich uns die Bedeutung einer gesunden Familie und zugleich die Notwendigkeit der gesellschaftlichen Bindung. Einige Aspekte sollen hier Beachtung finden.
- Kein Mensch kann ohne Bezugspersonen, die ihm Liebe und Zuwendung schenken, leben.
Ein neugeborenes Kind hat ungeheure Lebenskraft in sich. Das weiß die Medizin heute genau. Dennoch braucht dieses Kind sehr viel Beistand, angefangen von der Nahrung über die Pflege bis hin zur liebenden Zuwendung in der herzlichen Anrede, zärtlichen Berührung und Umarmung, ja, bis hin zum Lächeln und der Freude daran, dass es da ist. Für das Kind ist es unvorstellbar kostbar, wenn es spürt, dass in seiner Umgebung liebende Zuwendung herrscht und auch die anderen lieb zueinander sind. Daraus entsteht ein Urvertrauen. Das Kind merkt: Die Welt, die es wahrnimmt, ist grundsätzlich gut.
Leider spürt ein Kind auch, dass das nicht immer so ist. Es merkt sehr schnell auch Egoismus, Konkurrenzkampf und Neid. Es merkt auch sehr schnell, dass Zuwendung davon abhängig ist, wie sehr es den Vorstellungen der Umgebung entspricht. Bestimmte Dinge werden als besonders wichtig erachtet, anderen wird keine Bedeutung beigemessen. Das Kind ist gezwungen, sich dieser Realität zu fügen.
Das Kind wird in eine Muttersprache hineingeboren, die es lernt und die ihm ermöglicht, mit seiner Umgebung zu kommunizieren. Es wächst in eine bestimmte Kultur und auch religiöse Einstellung hinein und wird mit seinen reichen kreativen Anlagen oft Freude und Beglückung erleben, aber auch Grenzen und Ablehnung. Es liegt an den Bezugspersonen, eine reiche Entfaltung zu fördern, oft wird sie auch – vielleicht auch aus Angst und übertriebener Sorge – verhindert.
- Eine gesunde Familie, aber auch andere selbstlose Menschen sind ein großes Geschenk!
Ich habe vor kurzem einen wohl überspitzt plakativen Satz gehört, der im Grunde eine wichtige Wahrheit ausdrückt. 95 % der Kinder kommen als Genies in die Schule, und nur 5 % verlassen die Schule als Genies. Kinder brauchen viel Förderung, Wertschätzung und Zutrauen. Dort, wo Angst herrscht, kann sich die Kreativität nicht entfalten. Da reduziert sich die Leistung auf das unbedingt Notwendige. In vielen Bereichen gibt es Förderndes, aber auch Hemmendes.
Unsere kulturellen Möglichkeiten können Kinder und Jugendliche sehr unterstützen und ermutigen. Sie bieten viel Raum für Kreativität und Engagement. Andererseits wird oft auch eingeschränkt und diktiert. Es liegt immer an den Menschen, die hier gute Begleiter sein sollen.
Dies gilt auch für die Religion. Ganz gleich, in welche Religion jemand hineingeboren wird, immer kann es eine Öffnung für das wunderbare Geheimnis sein, oder es kann Angst und Einschränkung bedeuten. Angefangen von den Eltern bis zu den religiösen Führern liegt es daran, ob man sich auf das Geheimnis einlässt oder durch die Religion versklavt wird.
Die Spannung zwischen Einschränkung und Eröffnung gibt es auch in vielen anderen Bereichen: Sprache, Wirtschaft, Politik, Wahrnehmungsfähigkeit, Frustrationstoleranz, Gewissensbildung, Erotik, Natur, Technik… letztlich geht es um die innere Freiheit und Verantwortung.
- Jesus hat seine Botschaft im kulturellen und religiösen Umfeld des Judentums verkündet.
Jesus zeigt einen gesunden Umgang mit reichen und armen Menschen, Alten und Jungen, Männern und Frauen, Gesunden und Kranken, ja, auch mit Menschen aus anderen Kulturen. Jesus verwendet in seinen vielen Gleichnissen konkrete Situationen aus seiner Umgebung, er scheut sich aber auch nicht, alles, was seiner Botschaft von der Liebe des himmlischen Vaters widerspricht, schonungslos beim Namen zu nennen. Er biedert sich niemandem an, unterwirft sich keinem Gruppenzwang, steht aber hundertprozentig auf dem Boden der Realität. Sogar Bilder aus dem Bereich des Betrügens und des Wucherns verwendet er, um damit seine Botschaft zu veranschaulichen.
Diese kulturellen und religiösen Fundamente hat Jesus in seiner Kindheit und Jugend kennengelernt, und er wurde in der Familie, in der er aufgewachsen ist, damit vertraut gemacht. Jesus wurde in der jüdischen Religion erzogen!
Faszinierend ist nun, dass das Wirken Jesu auch für ganz andere Kulturen und Religionen verständlich ist. Sei es Mahatma Gandhi oder so mancher große Lehrer fernöstlicher Religionen, sei es auch unsere westliche Kultur, seien es große Religionskritiker des 19. Jahrhunderts – bei Jesus selbst und seinem Wirken hörte die Kritik auf. Seine Botschaft ist für jeden Menschen nachvollziehbar!
Und da wiederum gehört die Weihnachtsbotschaft unmittelbar dazu: Gerade die Geburt in einem Stall, der Besuch der Hirten und auch das Interesse von ausländischen Sterndeutern bewegt die Menschheit – und würde wohl noch viel mehr bewegen, wenn nicht Gesellschaft und Wirtschaft mit Ablenkungsmanövern dieses tiefe Berührtwerden mit völlig unchristlichen Interessen für ihre eigenen Zwecke ausnützen würden.
Das unüberbietbare Angebot der göttlichen Zuwendung Gottes zu den Menschen durch Jesus Christus steht auch heute. Jeder Mensch ist eingeladen, sich neu auf diese erlösende Wirklichkeit einzulassen.
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.