Pfarrer P. Johannes zum 4. Adventsonntag
Liebe Mitchristen!
In diesem Jahr am Vortagvor dem Weihnachtsfest hören wir wie auch am Hochfest Mariä Empfängnis und wie am 25. März das Evangelium von der Ankündigung der Geburt des Herrn an Maria durch den Engel Gabriel.
Heute lade ich besonders ein, das Geheimnis ihrer Berufung genauer zu betrachten.
1. Maria erschrak über die Anrede.
P.P.Rubens | ![]() |
Es gibt in der Bibel viele Berufungserzählungen. Das Erschrecken ist ein Element der Berufungserfahrung. Jesajas Reaktion auf die Gotteserfahrung ist: „Weh mir, denn ich bin verloren. Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich und mitten in einem Volk unreiner Lippen wohne ich, denn den König, den HERRN der Heerscharen, haben meine Augen gesehen“ (Jes 6,5). Sogar Petrus erschrickt beim reichen Fischfang und sagt zu Jesus: „Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!“ (Lk 5,8). Gotteserfahrung bewirkt immer Schrecken. Die äußere Sicherheit und Klarheit verschwinden, das Geheimnis Gottes zerbricht das Selbstverständliche. Es ist immer Erfahrung von Kleinheit und Schwachheit, zugleich aber das Bewusstsein der dringenden Notwendigkeit, dass der göttliche Wille erfüllt werde.
Dabei ist die eigentliche Gotteserfahrung etwas Innerliches und zugleich unendlich die ganze Persönlichkeit Beanspruchendes. Im heutigen Evangelium ist die Zusage der Begnadung im Gruß zugleich erschreckend. Maria ist von der Größe und Bedeutung, die sie in den Augen Gottes hat, schockiert. Die normale Alltäglichkeit widerspricht der Botschaft, die ihr zugesagt wird, total. In der Berufung wird aber absolute innere Gewissheit wahrgenommen. Jede Täuschung ist ausgeschlossen. Sie ist aber doch ein einfaches Mädchen, das sich auf ein normales Eheleben vorbereitet mit Kindern und der unauffälligen Tätigkeit einer Hausfrau, von der die Geschichte niemals Notiz nehmen wird. Sie spürt die unendliche Überforderung. Wie soll denn das geschehen. Dass sie noch keinem Mann gehört, ist da nur ein Aspekt.
2. „Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.“ (Lk 1,32)
Die Berufung von Maria geht über jede bisherige Berufungserfahrung der Propheten hinaus. Maria bekommt gar nicht einen bestimmten Auftrag. Was Gott hier will, ist eine so einzigartige und alle menschlichen Vorstellungen unendlich überbietende Beanspruchung, dass man den normalen Verstand verlieren könnte. Da wird Maria klargemacht, dass sie das Tor Gottes in die Welt sein soll! Sie soll ein Kind zur Welt bringen, in dem dann Gott wahrhaftig gegenwärtig ist! Nochmals: Hier geht es nicht darum, dass einem jemand etwas erzählt, was man anzweifeln könnte. Gotteserfahrung ist unmittelbar innere Gewissheit, unendlich gewisser als alles äußerliche Wissen. Maria ist sich klar, dass es so ist. Gott hat ihr in der inneren Engelserfahrung unmittelbar klar gemacht, was er jetzt vorhat, und dass sie in diesem endgültigen Heilsgeschehen die entscheidende Rolle spielt. Was immer auch geschehen mag: Wenn sie jetzt ja sagt, ist sie mitten drin im Erlösungswerk! Was aber, wenn sie nicht zustimmt? Maria ist unmittelbar gewiss: Wenn Gott sie erwählt, darf es kein Nein geben. Das Heil der ganzen Welt steht auf dem Spiel. Diese Chance, die der Menschheit hier gegeben wird, muss angenommen werden. Die Welt braucht ihr JA!
3. „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du gesagt hast.“ (Lk 1,38)
Als Maria dieses Wort sagt, ist sie sich schon klar, was das heißt. Sie wird kein einfaches Leben mehr haben. So wie die alten Propheten, die sich dem Wort Gottes zur Verfügung gestellt haben, mit schweren Kämpfen und viel Widerstand und Leid rechnen mussten, wird es sicher auch für sie oft sehr schwer werden. Ihre bisherigen Lebenspläne wird sie verwerfen müssen, ab jetzt wird Gott ihr Leben bestimmen. Maria weiß, dass Gott menschlich gesehen unberechenbar ist. Sie wird ständig neu horchen müssen, was der Allmächtige jeweils von ihr will. Sie wird alles, was geschieht, im Herzen bewahren und erwägen müssen. Sie wird das Kind, das sie in das Leben hineinbegleitet, immer wieder dem Willen Gottes anvertrauen müssen. Sie wird auch damit rechnen müssen, dass ihre Verwandten sie nicht verstehen, dass auch Josef sie nicht verstehen kann. Sie wird möglicherweise erleben müssen, dass man ihren Sohn für verrückt erklärt, weil die alltägliche, die normale Welt das nicht begreift, was in ihm Gott offenbaren wird.
Bald schon wird Simeon ihr weissagen, dass ein Schwert ihre Seele durchdringen wird. Sie wird an der Ablehnung ihres Sohnes bis zum Tod am Kreuz teilhaben. Sie hat zu all dem JA gesagt, was sie jetzt nur dunkel ahnt, was aber dann bittere Realität werden wird.
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.