Pfarrer P. Johannes zum 24. Sonntag im Jahreskreis
Liebe Mitchristen!
Am 24. Sonntag im Jahreskreis geht es heuer um das Verzeihen (Mt 18,21-35). Es sind da sicher nicht Kleinigkeiten gemeint, sondern ernste, tiefgehende Verwundungen, die einem jemand zugefügt hat. Und da soll man nicht bloß einmal verzeihen, wenn der bittet, der einem diese Verletzung zugefügt hat, auch nicht siebenmal, sondern „siebenundsiebzigmal“ - sinngemäß immer. Wie soll man das schaffen?
- Wer verletzt ist, hat auch Lust daran, andere zu verletzen.
Man kann auch umgekehrt sagen: Ein Mensch, der innerlich heil ist, ist für andere wohltuend, er strahlt Frieden aus, vermag Gemeinschaft und Freundschaft aufzubauen, und in seiner Nähe geht es einem gut.
Es trägt aber jeder kleinere oder größere Verwundungen in sich. Man hat oft schon in der Kindheit Ungerechtigkeiten, Beleidigungen und Entwürdigungen erlebt, die auch viele Jahre danach noch ein Urmisstrauen, Angst vor weiteren Verletzungen und ein Abgrenzen erzwingen. In vielen Fällen wendet sich das Verletztsein nach außen, und dann kommt es zu Herabsetzungen, Gemeinheiten, im Extremfall zu kriminellen Handlungen. Oft werden auch Machtpositionen aufgebaut und abgesichert, um sich vor weiteren Verwundungen zu schützen, man muss „dem anderen die Schneid abkaufen“, man muss zeigen, „wer da Herr im Haus ist“, den anderen ihre Unterlegenheit spüren lassen.
- Wer verzeihen kann, ist stärker.
Wirklich verzeihen kann nur, wer seine innere Kraft und Sicherheit ganz stark spürt. Wer selbst verwundet ist, kann an seinen wunden Punkten getroffen werden. Die Forderung Jesu, jederzeit zu vergeben, kann sicher nicht so verstanden werden, dass man dem Bosnigl verzeiht, obwohl man dabei selbst zugrunde geht. Nur einer, der innerlich geheilt ist, kann dem anderen gegenüber großzügig sein.
Der Appell an Petrus heißt also vorweg: Lass dich von Gott heilen, so sehr, dass du seelisch unverwundbar wirst. Bau mit der Kraft des Heiligen Geistes ein geistliches Immunsystem auf, sodass dich die Grausamkeiten der anderen innerlich nicht mehr verletzen können. Erst unter diesen Voraussetzungen kannst du wirklich verzeihen, alles andere wäre äußerliches Theater, und du würdest letztlich selbst daran zugrunde gehen.
- Das Gleichnis von den beiden Schuldnern:
Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Gleichnisgeschichte, die Jesus im heutigen Evangelium erzählt, zu verstehen: Der springende Punkt ist, dass dem großen Schuldner seine Schuld geschenkt wird, und dass dieser sein Leben fortan auf diesem Geschenk und damit auf einer großen Dankbarkeit gründen müsste. Wenn er das nicht tut, ist das Geschenk und damit das Heil nicht bei ihm angekommen. Er bleibt weiterhin in der Unheilssituation, und an diesem schlimmen Verhängnis geht er auch zugrunde.
Zur Veranschaulichung darf man durchaus aktualisieren: Da wird ein hoher Beamter zum König gebracht, der 10.000 Talente schuldig ist und diese natürlich nicht zurückzahlen kann. Weil er bittet, erlässt ihm der König die Schuld. Gleich danach begegnet dem Beamten einer, der ihm 100 Denare schuldet, und er ist nicht bereit, diesem die Schuld zu erlassen. Auch wenn es schwierig ist, diese Summen auf unsere Zeit zu übertragen, wird man im einen Fall 5 Milliarden Euro, im anderen 5.000 Euro ansetzen können. 5 Milliarden Euro lassen sich auch heute leicht in Luft auflösen, man denke nur an die Commerzialbank in Burgenland. Bei unserem Vergleich reden wir von einem Schuldverhältnis von einer Million zu eins.
Jesus verwendet also zur Veranschaulichung seiner Botschaft ein Extrembeispiel. Den Hörer müssen die Fragen bewegen: Warum wirkt sich das große Geschenk des Königs im Herzen seines Beamten nicht aus? Warum ist der gegenüber dem so unbarmherzig, der ihm eine vergleichsweise geringe Summe schuldet? Warum ist er imstande, diesen vor das Gericht und ins Gefängnis zu bringen, nachdem der König ihm selbst gegenüber unvorstellbar großzügig war?
Auch, dass der König daraufhin sein Geschenk zurücknimmt, hat noch geistliche Bedeutung. Das Geschenk ist im Herzen des Beamten nicht angekommen, es hat ihn nicht geheilt. „Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er die ganze Schuld bezahlt habe.“
- „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“
Diese Bitte des Vaterunsers kann durchaus auch vom wunderbaren Gnadengeschenk Gottes her verstanden werden: Es geht nicht wirklich um Schuld, sondern um das unfassbare Geschenk unseres Lebens. Wir sollten täglich neu dankbar betrachten, wie kostbar jeder Tag ist, den Gott uns immer neu am Morgen übergibt auf einem wunderschönen reichen Planeten. Gerade jüngere Menschen mit gesunden Augen, Ohren, Händen, Füßen, Lernfähigkeit und Kreativität sollten täglich wahrnehmen und auch genießen, was wir an Reichtümern gratis zur Verfügung haben: Den Duft der Blumen, das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der Bäche, die Schönheit der Berge und vieles, vieles mehr. Wir brauchen nicht weit zu gehen, wir müssen nicht in ferne Länder reisen, um unser Herz immer neu mit Freude und Glück zu erfüllen. Je reicher wir innerlich sind, desto mehr werden wir davon auch weiterschenken wollen, auch an unangenehme, schwierige Menschen. Und auch wenn jemand eine Zeitlang abblockt, steter Tropfen höhlt den Stein, und lässt mit der Zeit auch Mauern des Egoismus zerbröseln. Die innere Freude und Großzügigkeit sind ganz sicher weit stärker als Machtgier und die Angst, zu kurz zu kommen und den Anderen immer als den Feind des eigenen Glücks zu sehen.
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.