Pfarrer P. Johannes zum 22. Sonntag im Jahreskreis
1. „In jenen Tagen begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen.“
Dreimal kündigt Jesus sein Leiden an. Jedes Mal erfolgt eine Reaktion der Jünger, die deutlich macht, dass sie die Worte Jesu gar nicht hören wollen. Dabei würde Jesus gerade hier, wo sich seine Todesangst von Getsemani schon ankündigt, Beistand brauchen. Am Ölberg wird er sie dreimal schlafend finden. Gerade die dunkelsten Stunden des Herrn sind auch die Zeiten seiner größten Einsamkeit. Wenn Wunder geschehen, wenn sich Erfolg ankündigt, dann sind die Apostel sofort zur Stelle.
2. „Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe.“
Dieser völlige Zusammenbruch all dessen, was sich die Apostel erhoffen, ist mit deren Lebenswelt nicht kompatibel. Menschlich ist es also leicht nachvollziehbar, dass Petrus seinem Freund sagt, er soll sich diese „Hirngespinste“ aus dem Kopf schlagen. Alle haben sie doch mit einem irdischen Königreich gerechnet, und wenige Kapitel später wird die Mutter von Jakobus und Johannes bei Jesus vorsprechen, er möge für sie doch die höchsten Ministerposten vorsehen, und das genau nach seiner dritten Leidensankündigung. Was Wunder, dass Jesus darauf sagt: „Ihr wisst nicht, um was ihr bittet!“ Hier prallen zwei Welten aufeinander, die göttliche und die menschliche. Wir sollen ganz klar sehen: Seit es die Kirche gibt, prallt das Evangelium auf ein sich immer wieder neu etablierendes Machtsystem, dem das Evangelium mehr und mehr unzugänglich wird. Das erschreckende Wort an Petrus muss sich die Kirche zu allen Zeiten gesagt sein lassen:
3. „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen!“
Zur Erinnerung: Wenige Verse vorher macht Jesus den gleichen Petrus zum Felsen, auf den er seine Kirche bauen will! Er tut dies auf die gottgegebene Erkenntnis des Petrus hin, dass in Jesus das göttliche Geheimnis in die Welt eingetreten ist, dass der Herr also der Sohn des lebendigen Gottes ist. Dabei wird der Allerheiligste Name von den Juden normalerweise gar nicht ausgesprochen aus Angst, man könne diesen Namen missbrauchen. Sobald menschliche Begierden nach Macht erwachen, ist dieses Gebot vergessen, und Satan kann im missbrauchten Namen Gottes sein verderbliches Werk aufbauen. Immer wieder musste die Kirche von unten anfangen, und vor allem waren es neue Orden, die korrigierend einwirkten. Nach der konstantinischen Wende waren es schon die Einsiedler und Mönche, die in ihrem Alternativleben das Evangelium wieder sichtbar machten. Auch hier gab es aber im Laufe der Jahrhunderte Verfallstendenzen. Nicht anders war es bei den Zisterziensern, Franziskanern und Dominikanern, die gemeinsam mit den Regularkanonikern vom 11. bis zum 13. Jahrhundert der extrem reichen und mächtigen Kirche ein Korrektiv boten. Im 16. Jahrhundert wirkten unter anderem die Jesuiten an der Erneuerung der römisch-katholischen Kirche wesentlich mit, deren schlimmes Renaissancepapsttum dem Druck von Martin Luthers Reformbewegung nichts mehr entgegenhalten hatte können.
Die Kreuzesnachfolge bleibt keinem Jünger erspart. Ich weiß, dass das keine große Werbung für das Christentum ist. In anderen Religionen kenne ich kein so scharfes Wort wie hier von Jesus. Letztlich bleibt aber, zumindest am Ende des Lebens, die Kreuzesnachfolge sowieso nicht aus. Es ist sicher besser, von vornherein das Leben, wie es eben ist, zu bejahen, statt sich aus Angst in Scheinwelten zu flüchten, und damit die wunderbaren Möglichkeiten echter Freude zu überdecken, die diese unsere Welt doch bietet. Auch die Apostel waren immer in Gefahr, den Segen, den Jesus überall gespendet hat, zu übersehen, und ihn stattdessen in ein System zu zwingen, das eindeutig dem göttlichen Heil im Wege steht.
In der ersten Lesung (Jer 20,7-9) wird deutlich, dass der Prophet Jeremia durch das Wort Gottes an den Rand der Verzweiflung gebracht wird, und dass es ihm nur Schmach und Schande einbringt. Er ist Lichtjahre entfernt von Erfolg, von Macht und Ansehen.
Die Lesung aus dem Römerbrief (Röm 12,1-2) bringt dazu einen großen Appell: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist!“
Der Text wird auch im PDF-Format angeboten, mit der Bitte, ihn auszudrucken und an die Nächsten und Näheren weiterzugeben, die kein Internet haben.