Leitartikel von Pfarrer P. Johannes im Pfarrblatt Sept. 2019 zum Erntedank
Liebe Pfarrgemeinde!
Am 6. Oktober feiern wir Erntedank. Bei Schönwetter werden wir die Segnung der Erntekrone und den Gottesdienst im Freien beim Altar im Stiftshof halten, in der freien Natur, in einem schön gestalteten neuen Stiftshof.
Ich durfte heuer mehrere Tage auf Almen verbringen und habe bei einer Kapelle auf der Postalm auch einen Gottesdienst mit fast hundert Teilnehmern gehalten, bei der sich an die 40 Rinder dazugesellt haben und eine wunderbar friedliche Atmosphäre spürbar war, ein Beisammensein von Mensch und Tier, das etwas vom paradiesischen Bild der Zusammengehörigkeit von Mensch und Natur erleben ließ. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass wir uns gegenseitig lebensnotwendig brauchen, dass wir die gleiche Luft atmen und dass es eine würdige Partnerschaft braucht.
Da erschreckt mich wirklich die Gedankenlosigkeit vieler Menschen, die den natürlichen Umgang mit den Tieren verlernt haben und die die Natur geradezu als ihren Feind betrachtet, der ihnen Lebensraum wegnehmen will, ausgenommen die Lieblingstiere wie Hund oder Katze oder wie ein Kanarienvogel, die verhätschelt werden. Man wird heute wirklich von einem ausbeuterischen Umgang mit der Natur reden können, der in früheren Zeiten nicht üblich war.
Gerade in der modernen Zeit ist deshalb das Erntedankfest besonders wichtig. Die Natur ist so großzügig und schenkt uns doch immer, was wir zum Leben brauchen. Es ist dringend notwendig, dass wir uns dessen bewusst sind und aus der Grundhaltung der Dankbarkeit heraus ehrfürchtig mit der Schöpfung umgehen. Das bedeutet:
Im Kleinen wie im Großen muss der Wegwerfmentalität entgegengewirkt werden. Für das weggeworfene Fleisch musste ein Tier sterben. Vielen ist der Anblick, dass ein Tier geschlachtet wird, unerträglich. Das Fleisch hingegen wird verschwendet. Der Ertrag an Milch und Feldfrüchten wird durch neue Züchtungen, durch Düngung und Kampf gegen Unkraut maximiert, ein Drittel dessen, was geerntet wird, wird aber wieder weggeworfen. Bekanntlich geschieht in Afrika und Lateinamerika noch immer Brandrodung von Urwäldern in enormem Ausmaß, um Flächen für Rinderherden zu schaffen. Riesige Flächen werden so bewirtschaftet, dass mit Giftmitteln Schädlinge bekämpft werden. Wir konsumieren entweder selber die dort geernteten Lebensmittel oder verfüttern sie an die Tiere, deren Fleisch oder Milchprodukte wir dann verzehren (oder auch wegwerfen).
Auch unsere Gesundheit und Schaffenskraft ist nicht selbstverständlich. Wir sollten eine Dankbarkeit nicht nur für die Lebensmittel, die wir verzehren, für die Atemluft, ja auch für die Kleider, die wir tragen können, weil jemand diese fertigt, entwickeln. Schließlich ist es überhaupt nicht selbstverständlich, dass wir sehen, hören, gehen, greifen, denken und planen können. Martin Heidegger, hat den Satz formuliert: Dasein ist „Sein zum Tode“. Als vor gut 20 Jahren ein lieber Freund an Gehirntumor gestorben ist, war mir klar, dass ich für jeden Tag dankbar sein muss, den ich gesund leben kann. Es werden Tage kommen, da werde ich nicht mehr auf die Berge wandern können, da werde ich nicht mehr musizieren können, da werde ich vielleicht nur mehr mühsam einfache Texte lesen können. Ja, mein irdisches Leben hat ein Ablaufdatum.
Das bedeutet schließlich: Die Grundhaltung der Dankbarkeit ist eine Glaubensfrage. Dankbar kann ich eigentlich nur sein, wenn mir die größere Perspektive, der Blick über diese Welt hinaus gegeben ist. Wenn ich diesen Blick verliere, dass brauche ich auch nicht mehr dankbar zu sein, denn dann ist sowieso alles egal. In diesem Fall gilt der Satz, der bei Jesaja und dann auch wieder bei Paulus steht: „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Als Christen müssen wir uns gegen eine solche Mentalität mit allen Kräften wehren.
P. Johannes Mülleder