Leitartikel im Pfarrblatt Juni/Juli 2019 von Pfarrer P. Johannes
Liebe Pfarrgemeinde!
Am 21. Juli hören wir das Evangelium von den Schwestern Marta und Maria, bei denen Jesus zu Gast ist. Marta, die ganz davon in Anspruch genommen ist, Jesus gut zu umsorgen, ärgert sich über ihre Schwester, die bei Jesus sitzt und ihm zuhört. Jesus sagt zu ihr: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen, aber nur eines ist notwendig. Maria hat das bessere erwählt.“ Ein ähnliches Wort sagt Jesus den Aposteln, die er zum Verkündigen ausgesandt hat und die nun begeistert erzählen, was sie alles erlebt haben: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus.“ (Mk 6,31)
Zunächst können wir das für uns als Einladung zur Erholung verstehen. Bei aller Betriebsamkeit ist es wichtig, uns zu erinnern, dass wir nicht nur für die Arbeit geschaffen sind. Das Evangelium lädt uns ein, auch einmal Urlaub zu machen. Wir dürfen das Sabbatgebot auch in dieser Hinsicht verstehen. Nicht allein die Leistung zählt. In unserer Zeit könnten wir es sogar als Aufforderung zu einer neuen Lebenshaltung verstehen, die auch der Natur die Möglichkeit gibt, sich zu erholen.
Es geht aber um viel mehr: Wir könnten es unter den Titel stellen: Von der Kontemplation zur Aktion. Oder: Wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über. Ja, die Kirche muss in die Welt hinein wirken. Sie muss gestalten, und wo Unrecht geschieht, muss sie aufschreien. Immer muss aber die Motivation erkennbar sein, und das kann nur der Osterglaube sein. Wenn man aber davon nichts merkt, ist die Kirche bei allem Tun nicht glaubwürdig und motivierend. Man kann Kirchen renovieren, für den Umweltschutz demonstrieren, Konzerte veranstalten, für das ungeborene Leben eintreten oder gegen die Euthanasie, man kann für Entwicklungshilfe sammeln und vieles andere, und das ist ja alles wunderbar. Wenn man es aber der Kirche nicht abnimmt, dass sie von der Osterbotschaft aufgerüttelt worden ist, und dass in ihr das Feuer des Heiligen Geistes brennt, wird sie nicht wirklich in die Welt hineinwirken können.
Es gibt einen alten Spruch: Wer etwas zu sagen hat, muss vorher lange geschwiegen haben. Man könnte auch so sagen: Damit wir in die Öffentlichkeit als Kirche hineinwirken können, müssen wir vorher lange Zeit schon tief im Gebet verankert sein, wir müssen uns vorher vom Evangelium treffen und formen lassen, wir müssen eine tiefe Beziehung zu Jesus Christus in der Kraft des Heiligen Geistes aufbauen, oder noch besser, aufbauen lassen. Letztlich geht es darum, wie die Mutter Jesu zu sagen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach seinem Wort.“
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass heute ungeheuer viel Aktionismus in der Kirche vorhanden ist, dass man geradezu in Stress verfällt, möglichst viel zu machen, Werbestrategien zu entwickeln, um Menschen für die Kirche zu gewinnen, und dass man sich dann wundert, dass die Kirchen immer leerer werden, dass immer mehr getaufte Christen dem Gottesdienst fern bleiben und dass Ersatzreligionen immer attraktiver werden. Sportveranstaltungen und Einkaufszentren werden immer mehr mit religiösen Symbolen ausgestattet und es gibt dort geradezu eine quasireligiöse Sprache. Spitzensportler und auch Politiker werden von der Werbung geradezu als Erlöser gehandelt und man erwartet von ihnen das Heil der Welt. Versicherungen suggerieren, für alles Unheil eine Lösung zu haben, und wirken wie ein starkes Beruhigungsmittel.
Ich lasse mich aber von der Überzeugung nicht abbringen, dass in jedem Menschen tief im Herzen die Sehnsucht nach dem Unendlichen schlummert, und dass wirkliches menschliches Glück nur möglich ist, wenn diese Sehnsucht erfüllt werden kann.
P. Johannes Mülleder