"Ein Mann hatte zwei Söhne..."

Diese Geschichte gehört für mich zu den schönsten Geschichten der Bibel. Sie berührt mich immer wieder
Sie ist aber auch immer wieder eine Herausforderung:
Man muss sich das vorstellen:
Da hat dieser Kerl sein ganzes Erbe verschleudert und nur Mist gebaut. –
Und jetzt kommt er wieder heim!
Wenn Du sein Vater wärest – wie würdest du reagieren?
Ich könnte mir den Ausgang dieser Geschichte auch so vorstellen:
…Der Vater sieht ihn schon von weitem kommen und er sagte zu sich selbst: „Ich habe es ja geahnt. Er kommt wieder heim. Jetzt bin ich aber neugierig, was er mir zu erzählen hat.“
Ängstlich und unsicher kommt der Sohn näher. – Und er muss gestehen, dass er sein ganzes Erbe verludert hat.
Reumütig sagt er: „Vater, ich bin nicht mehr wert dein Sohn zu sein.“ - Der Vater schaut ihn mit strenger Miene an und sagt: „Da hast du recht! Aber ich will dir eine Chance geben. Du kannst
als Knecht für mich arbeiten, so lange, bis du den Schaden wieder gut gemacht hast.“
Und er ermahnt ihn:
„Nimm dir ein Beispiel an deinem Bruder. Der hat nie gegen meine Befehle gehandelt und hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen!“
Und am Abend lässt der Vater ein Kalb schlachten, um zu Ehren des älteren Bruders ein Fest zu feiern. Der Jüngere aber darf nicht an diesem Fest teilnehmen, er muss draußen bleiben. – Strafe muss sein!
Und er sieht es auch ein.
Was haltet Ihr von dieser Variante?
Ist man nicht leicht versucht zu sagen: Recht so!
Er hat diese Strafe verdient und soll jetzt beweisen, dass er wirklich seinen Fehler einsieht und ein anderer geworden ist.
Und überhaupt: Er soll dankbar sein, dass ihn sein Vater überhaupt wieder ins Haus lässt. -
Aber wenn ich so darüber nachdenke: glücklich macht mich dieser Ausgang der Geschichte nicht.
Da ist mir das Original, wie es in der Bibel steht, tausendmal lieber.
Es ist mir lieber, wie Jesus den Vater zeichnet:
so überraschend gütig, ja liebevoll und überraschend entgegenkommend.
Es berührt mich, wenn da erzählt wird, wie der Vater dem Verlorenen entgegenläuft, ihn gar nicht lange ausreden lässt, sondern ihn umarmt und küsst, und voller Freude empfängt: „…er war tot und lebt wieder, er war verloren und ist wieder gefunden worden.“
Ja, es ist mir lieber, wie deutlich Jesus die Barmherzigkeit, die Liebe, dieses Vaters aufleuchten lässt.
Ich meine, dass wir alle diese Geschichte und ihre Botschaft dringend brauchen.
Es geht oft sehr hart und gnadenlos zu in unserer Gesellschaft. Du darfst dir keinen Fehler erlauben. Nichts wird verziehen.
Entschuldigungen werden als unecht abgetan, oder als Taktik verdächtigt. Reue wird nicht akzeptiert.
Der Mensch wird auf seine Vergangenheit festgenagelt.
„Null Toleranz!“ - heißt es und jede Chance auf einen Neuanfang wird versagt.
So wird man seine Schuld nie mehr los. Man kommt nicht heraus, aus der miesen Situation.
So wie Jesus diese Geschichte erzählt ist es mir tausendmal lieber. –
Drei Wünsche habe ich:
Ich wünsche mir, dass diese Barmherzigkeit und Liebe - dieses Wohlwollen des Vaters - auch mir entgegenkommt, wenn ich „schuldig“ werde:.…er sieht ihn von weitem kommen. Er läuft ihm entgegen, breitet die Arme aus, umarmt ihn voller Freude.
Und ich wünsche mir, dass ich bereit bin und auch fähig, dem „Bruder“ mit so einer Weitherzigkeit und Liebe zu begegnen, wie dieser Vater.
Ich wünsche mir aber auch, dass der zunächst zornige und verärgerte Bruder es auch fertigbringt, bei diesem Fest dabei zu sein. –
„Da war einer tot - jetzt ist er wieder am Leben!
Da war einer verloren, aber jetzt ist er wieder unter uns“. - Das ist doch wirklich ein Fest wert.