Hier ist der Ort, jetzt ist die Stunde!

Hier ist der Ort, jetzt ist die Stunde!
Jesus überrascht seine Nachbarn als heimkehrender Wanderprediger. Der Zimmermannssohn aus der Nachbarschaft. Und dann hört man von ihm, dass er gewissermaßen ein „Star“ geworden ist: er soll Menschen geheilt haben; er soll andere faszinieren; viele Menschen folgen ihm. Ja, natürlich – reden konnte er schon immer gut; aber heilen? Und dieser Mann kommt nun heim. Und natürlich sind die Leute neugierig: Was wird er sagen? Was wird er tun? Er trifft seine Freunde, seine Familie, seine Nachbarn. Und er geht mit ihnen in die Synagoge, um die Heilige Schrift zu lesen. Alles ganz normal und wie immer. Nichts Besonderes. Er liest die Stelle über die Messias-ankündigung im Prophetenbuch Jesaja. Und dann sagt er das eine Wort, das alles ändert: „Heute hat sich das Wort der Schrift erfüllt.“ Jetzt ist die Stunde da! Jesus beginnt hier seine Verkündigung – und er beginnt damit, dass er sein Gottesbild und sein Bild des Messias klarstellt: Er spricht von einem Gott der Armen, von einem Gott, der sich noch um die Schwächsten kümmert. Einen Gott, der ein Herz hat für das Verwundete und die Verwundeten: „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze.“ In diesen wenigen Sätzen ist das ganze Programm Jesu enthalten: er ist gerade deshalb gekommen, damit er die aufrichtet, die niedergedrückt sind; dass er Traurige tröstet und Jubel statt Verzweiflung. Jesus geht es um Freude und Befreiung. Die Botschaft Jesu, das „Evangelium“, heißt ja übersetzt nichts anderes als „Frohe Botschaft“. Ich weiß nicht, was die Zuhörer damals mehr erschüttert hat: Dass Jesus diesen gut bekannten Text des Propheten Jesaja auf sich bezogen hat oder diese Zuspitzung auf hier und heute: Dieses Programm der heiligen Schriften meint uns, meint mich: Hier – jetzt und heute!!
Vielleicht geht es Ihnen wie mir, dass dieses Programm Jesu verschiedene Gefühle und Stimmen in mir auslöst: „Ja, kenne ich schon! Nix Neues und was hat es gebracht?? Oder:“ Na, der traut sich was und mutet sich auch was zu! Ganz schön größenwahnsinnig!“ Irgendwo versteckt sind da auch ein paar Gefühle von Überforderung und Schuld: „Ich soll und will Jesus ja nachfolgen: das kann ich doch nie!“ Ja, da ist auch Resignation: „Schon 2000 Jahre bemühen sich Christinnen und Christen diese unglaubliche Lebensweisheit Jesu in der Welt zu leben! Und immer weniger interessiert es! Und wo immer wir hinschauen – gerade jetzt und heute – erleben wir weltpolitisch genau das Gegenteil von dem, was Jesus predigt: ein großes Aufrüsten – Ausgrenzen – Ausbeuten- Abwerten verschiedener Völker – Macht – Gier und Gewalt.“
Hinter all diesen Stimmen ist da auch ganz leise eine Stimme, die sagt: „Woran sonst sollen wir uns halten? Ist es nicht eine unglaublich schöne Botschaft? Die einzige Botschaft, die das Potential hat, die große und die kleine persönliche Welt zu retten? Dass es um Liebe, um Vergebung, um Wohlwollen für jeden Menschen geht, um Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, Verantwortung der Schöpfung gegenüber? Und je mehr ich auf diese Stimme in mir lausche, spüre ich, wie Freude und Hoffnung in mir aufkeimen. Alle damals kennen die Worte des Propheten Jesaja: Jubel statt Verzweiflung! Der Kern der Botschaft Jesu– und das ist der Grund, warum wir hier gemeinsam feiern – der Kern heißt: Freut euch, denn ihr habt einen Gott, der euch liebt; freut euch, denn er ist barmherzig und gnädig. Freut euch und hofft, er macht euch stark. Angesicht all der unglaublich schlimmen Dinge die sich gerade politisch, ökologogisch und gesellschaftlich tun, (damals wie heute) verzweifle nicht. Man kann sich auch zu Tode fürchten und klagen. Man kann sich aber auch entscheiden zu jubeln über den, der trotz allem eine größere Hoffnung für uns und die Welt hat.
Dieses „Heute hat sich erfüllt“ gilt immer wieder neu – auch hier und heute: Heute gilt es, dieses Christsein zu leben; mein eigenes Christsein. Heute bin ich heraus ge- fordert, diese Weisungen Gottes zu leben. Und zugleich gilt auch heute: Wir glauben an einen Gott, der aufrichtet und Kraft und Weisheit schenkt. Und nicht zuletzt durch unsere Taufe gilt: „Der Geist Gottes ruht auf dir ...“ Der Geist, der uns in der Taufe und in der Firmung zugesagt ist. Es ist der Geist, der aufrichtet; ein Geist der Mut macht. Und es ist derselbe Geist, der uns aussendet: Wir selbst sind gesandt, frohe Botschaft zu bringen. Hoffnungsvolle und mutige Christen sind gefragt – so wie es schon in der Lesung aus dem Buch Nehemia geheißen hat: Die Freude an Gott ist unsere Kraft.
Die Freude an Gott gibt dem Volk Israel nach der Rückkehr aus dem Exil die Kraft, neu anzufangen; etwas aufzubauen. Die Gesetze geben zwar den Halt und die Ordnung –. Aber Kraft zum Leben schöpfen wir nicht aus den Gesetzen, aus Regeln und Vorschriften – sondern Kraft schöpfen wir aus dem, was uns Freude macht und begeistert; was unser Inneres anspricht; wo unser Herz dabei ist. Die Freude und Kraft gehören somit zum innersten Kern unseres Christseins. Papst Franziskus hat als Leitmotiv für das Heilige Jahr 2025 einen Vers aus dem Psalm 27 gewählt:
„Hoffe auf den Herrn und sei stark. Hab festen Mut und hoffe auf den Herrn!“ Und sagt dazu: „Trotz allem – Wir haben einen Grund zur Hoffnung und zur Freude, weil es einen Gott gibt, der noch den Schwächsten liebt und der eine Hoffnung hat, die größer ist als unsere Hoffnung.“
Wir feiern ein heiliges Jahr, ein Jubeljahr!
In der alten Tradition war dieses Jahr ein Jahr, wo Gottes Weisungen Hand und Fuß bekamen: z.B. Du sollst das Land brach liegen lassen, du sollst Schulden erlassen und Vergebung üben, du sollst Gefangene befreien und Freiheit ausrufen für alle, du sollst Gerechtigkeit üben und ein großes Fest feiern und ein neues Lied singen unserem Gott. Du sollst Dir Zeit und Raum schaffen um Gottes Weisung in die Tat zu bringen. In eine Tat, die nur du setzen kannst, weil Gott sie dir ins Herz gelegt hat. Eine Tat, die die Welt von dir braucht, weil nur du die Begabung dazu hast. Ein Mutmacher Wort, ein Lächeln, ein Leserbrief, eine finanzielle Unterstützung, eine Mitarbeit für etwas, was dir wichtig ist…Jetzt ist die Stunde, hier ist der Ort, Ich- Du – Gott in der Welt: Amen