Fr. 06.09.24
Öffne dich!
08.09.2024 Predigt von Andreas Hasibeder
Liebe Schwestern und Brüder!
Mit meiner Schwiegermutter zu telefonieren, geht leider überhaupt nicht mehr. Trotz Hörgeräte ist die Verständigung verbal fast nicht mehr möglich. Wenn man ihr gegenübersitzt, erkennt man an Gestik und Mimik, was sie will oder nicht will, aber oft ist es ein Lotteriespiel, das richtige zu erraten. Beim Sprechen ist es ähnlich.
Mit meiner Mutter kann man noch gut telefonieren und sie spricht auch verständlich, das ist ein Segen. Ob das Gesagte bei mir immer richtig ankommt, ist eine andre Frage!
Hörprobleme gibt es viele. Jeder von uns kennt Schwerhörige oder auch Gehörlose.
Manche von uns sind selber davon betroffen. Das ist ein Problem. Sie sind von Gesprächen mehr oder weniger ausgeschlossen und fühlen sich dadurch manchmal ausgegrenzt oder einsam. Zum Glück gibt es Hilfen durch Hörgeräte oder die Gebärdensprache, um diesen Menschen Teilhabe an der Unterhaltung der Mitmenschen zu ermöglichen.
Damit sind aber nicht alle Probleme des Hörens behoben. Denn auch Gesunde, die ein gutes Gehör haben, hören oft nicht gut oder richtig. Viele hören selektiv, hören nur das, was sie hören wollen. Hörst du mir überhaupt zu? heißt es dann manchmal, oder Hast du was in den Ohren? Oder Das habe ich ja gerade versucht, dir zu erklären! Von Kindern oder Jugendlichen sagt man gelegentlich, sie seien schwerhörig, wenn sie auf die Mutter, den Vater oder Lehrer nicht hören. Aber das Gegenteil ist der Fall, Kinder und Jugendliche hören um ein Vielfaches besser als Erwachsene. Gemeint ist hier mit Schwerhörigkeit natürlich, das Gehörte nicht hören oder akzeptieren zu wollen. Und das soll nicht nur bei Kindern und Jugendlichen vorkommen!
Auch im geistlichen Sinn gibt es Hörprobleme. In einem Tagesgebet heißt es: „Wir reden miteinander und verstehen uns nicht. Wir schließen Verträge und vertragen uns nicht. Wir sprechen vom Frieden und rüsten zum Krieg.“ Das stimmt. Wenn wir nicht hörbereit sind für das, was andere meinen, sind Missverständnisse und Streit vorprogrammiert.
So wie es uns oft schwerfällt, auf meine Mitmenschen zu hören und verstehend zuzuhören, so kann es uns oft noch schwerer fallen, auf Gott zu hören und sein Wort richtig zu verstehen und zu deuten. Auch Jesus hatte mit seinen Jüngern in dieser Beziehung seine liebe Not. Einmal fragt er sie schon sehr ungeduldig:
„Versteht ihr denn immer noch nicht?“ (Mk 8,17)
Der Glaube kommt aber vom Hören, so sagt es uns der Apostel Paulus im Römerbrief. Wer auf Gott hört, handelt auch entsprechend.
Darum ist es für unser Leben wichtig, dass wir das Wort Gottes immer wieder hören und es auch richtig verstehen lernen. Wir brauchen deshalb Gottesdienste mit Schriftauslegung, aber auch persönliche Weiterbildung. Auch Bibelgespräche können hilfreich sein.
Glauben und Handeln gehören zusammen. Voraussetzung dafür ist ein gutes Hören. Dazu gehören nicht nur gesunde Ohren sondern auch die Stille und ein offenes Herz.
Wir haben das Evangelium von der Heilung des Taubstummen durch Jesus gehört. Mit dem Wort „Effata“ (öffne dich) löst Jesus ihn aus seiner Verschlossenheit. Der Geheilte kann jetzt hören und „richtig reden“.
Damit ist mehr als nur die körperliche Voraussetzung gemeint. Es geht um das Offensein für Gott und das, was er uns sagen will, und um unsere Bereitschaft, unseren Glauben weiterzugeben.
Schon bei unserer Taufe wurde durch den Effata-Ritus unsere geistliche Hörfähigkeit geweckt und besiegelt. Diese Fähigkeit kann schnell verlorengehen, wenn wir sie nicht täglich fördern und pflegen.
“Effata - öffne dich.“ Das wird heute auch uns zugerufen. Dabei sind wir doch schon hergekommen um uns dem Wort Gottes zu öffnen. Dabei loben wir doch in Lied und Gebet Gott. Also bräuchten wir doch keine Berührung mehr. Oder wäre sie vielleicht manchmal doch notwendig?
Ist es nicht eigentlich so, dass wir zwar zuhören wollen und doch oft nicht verstehen können. Dem Evangelium, dem Partner, dem Freund, der Freundin, dem Kind. Nicht aus böser Absicht, aber weil wir mit uns selber so beschäftigt sind, mit den Gedanken ganz wo anders, oder weil wir unser Gegenüber in eine fixe Schublade geschoben haben wo wir ihn nicht mehr herauslassen können oder wollen.
Rechtes Hören lernen ist eine Lebensaufgabe für uns, in unseren Beziehungen genauso, wie im öffentlichen Leben. Denn wir leben in einer Zeit der totalen Überflutung mit Informationen. Man kann kaum mehr unterscheiden was redlich und wahr und was Lüge oder Schein ist. So wird es immer wichtiger, sich bei den richtigen Quellen zu informieren und nicht jedem Revolverblatt oder reißerischem Newsroom-Informanten zu glauben.
So wünsche ich mir manchmal, wie es in einem religiösen Liedtext heißt: lass uns hören auf die Wahrheit der Weisen auf die Sprache der Liebe und auf das Land der Verheißung.
Übersetzt heißt das, dass ich mich fragen soll: ist in den Worten, die ich höre, Weisheit, Liebe, Verständnis und Hoffnung auf eine gute Zukunft enthalten?
Dabei brauchen wir Unterstützung!
Liebe Mitchristen.
Der Mann im heutigen Evangelium wird gebracht. Er ruft nicht wie Bartimäus nach Jesus. Er lässt nicht nach ihm schicken. Andere Menschen bringen ihn. Sie glauben, dass Jesus ihrem Freund und Angehörigen helfen kann. Ihr Glaube hilft einem anderen zur Begegnung mit Jesus.
Auch wir brauchen die Hilfe anderer und andere brauchen uns. Manche von uns sind Tauf- oder Firmpaten. Könnte der Text nicht auch eine Einladung sein, neu an unsere Patenkinder zu denken? Wir haben sie bei der Taufe gehalten oder bei der Firmung nach vorne geführt. Unser Glaube ist gefragt.
Auch der Partner, die Partnerin kann so eine Hilfe sein, richtig hören und reden zu lernen. Manchmal ist es notwendig, mich korrigieren zu lassen um das Eingentliche zu hören und das Richtige zu sagen.
Effate, öffne dich, das meint auch uns!.
Amen.