"Brot" für alle
Liebe Schwestern und Brüder!
Vor fünf Jahren waren meine Frau und ich zu meinem 60. Geburtstag mit einer Reisegruppe im Heiligen Land und besuchten unter anderem die Brotvermehrungskirche in Tabgha am nördlichen See Genezareth, der auch See von Tiberias hieß, in der Nähe von Kafarnaum. Dort hat sich angeblich das gehörte Brotwunder nach Ansicht der Bibelwissenschaftler:innen ereignet.
Vor dem einfachen Altar der Brotvermehrungskirche ist ein kunstvolles Bodenmosaik aus dem 5. Jahrhundert zu sehen. Es sind 4 Brote und 2 Fische, was ist mit dem 5. Brot, werden Sie fragen. Das 5. Brot wird als das Brot der Eucharistie verstanden, das am Altar zur Erinnerung an Jesu Sterben und Auferstehen verwandelt wird. Das Brot, das auch heute noch verteilt wird und von dem auch wir gesättigt werden sollen. Ich habe das als ein sehr einprägsames und ansprechendes Bild mitgenommen. Das Brotwunder geschieht auch heute noch in jedem Gottesdienst.
Der Evangelist Johannes erzählt diese Wundergeschichte im 6. Kapitel, in dem sich Jesus selbst als das lebendige Brot bezeichnen wird, das von Gott kommt.
Die Brotvermehrung und Sättigung der 5000 ist daher ein einprägsames Zeichen dafür, wer dieser Jesus ist. Der Prophet Gottes, der imstande ist, die Menschen zu sättigen, im umfassenden Sinn.
Ein weiterer Aspekt dieser Erzählung ist auch, dass Glaubensverkündigung nicht an der Not der Menschen vorbei geschehen darf. Menschen, die hungrig sind, oder nicht das Notwendigste zum Leben haben, müssen zuallererst versorgt werden. Das ist notwendig, um die Sorge Gottes zu uns Menschen deutlich und erlebbar zu machen.
In unserer christlichen Gemeinschaft wird das dadurch spürbar, dass wir immer wieder Aktionen und Sammlungen durchführen, die den Menschen zugutekommen, die Hilfe brauchen, in unserer Pfarrgemeinde genauso, wie in den armen Regionen der Welt.
Letzten Sonntag war es die Christophorus-Sammlung der MIVA, im August wird es die Augustsammlung der Caritas sein, um Menschen in den benachteiligten Regionen in Afrika zu helfen, im November unterstützen wir durch die Elisabethsammlung die Not im eigenen Land, vielleicht auch die unserer Nachbarn.
Die Aktion Sei so Frei der Kath. Männerbewegung im Dezember sammelt für Projekte in Lateinamerika, genauso wie die Dreikönigsaktion der Jungschar im Jänner und die Aktion Familienfasttag der KFB im März, die vor allem benachteiligte Frauen unterstützt, und so weiter…
Damit geschieht Brotvermehrung in unserem Land und in der Welt.
Aber die Absicht Jesu geht weit über körperliche Sättigung hinaus. Sie folgen ihm und die Menschen erkennen ihn als den Propheten, der kommen soll. Der Prophet, der aus ihrer Mitte erstehen soll, wie schon Mose verheißen hat. Auf ihn sollen sie hören.
Und sofort wollen sie ihn zum König machen, zum Anführer. Aber darum geht es Jesus nicht, es geht ihm nicht um ein politisches Amt, nicht um sich selbst, die Brotvermehrung ist keine Wahlveranstaltung. Er verkündet die Liebe und Menschenfreundlichkeit Gottes, die sich in Gerechtigkeit und Vergebung ausdrückt. Daher lehnt er diese Bestrebungen des Volkes immer wieder ab. Er möchte den wahren Hunger der Menschen bekämpfen, den Hunger nach Gott, den Hunger nach tragfähiger Liebe, grenzenlosem Vertrauen, nach nachhaltigem Glück und nachhaltigem Frieden – in sich selbst und in der Welt!
Den Hunger nach einer tiefen und innigen Geborgenheit, nach echter Freiheit und wohlwollender Güte.
All das beinhaltet für mich die heutige Erzählung der wunderbaren Brotvermehrung.
Voller Ehrfurcht und Staunen standen wir damals vor dem wunderbaren Bodenmosaik, bei dem ein Brot fehlte. Das Brot, das heute immer noch an uns verteilt wird, weil unser Hunger gestillt werden soll, im umfassenden und nachhaltigem Sinn.