Der Mensch im Mittelpunkt
Liebe Mitchristinnen,
liebe Mitchristen!
Die Sonntagsruhe geht auf das biblische Gebot zurück, basierend auf die Schöpfungsgeschichte: Am 7. Tag ruhte der Herr. Jesus und seine Jünger waren Juden und haben den Sabbat gefeiert und eingehalten. Der Sabbat wird bei den Juden von Freitagabend bis zum Samstagabend gefeiert.
Die ersten christlichen Gemeinden feierten zusätzlich zum Sabbat den darauffolgenden Tag, den ersten Tag der Woche als „Tag des Herrn“, um sich an die Auferstehung Christi zu erinnern. Denn in der Bibel heißt es, dass die Frauen am ersten Tag der Woche zum Grab Jesu gekommen sind und es leer vorgefunden haben. Wir Christen können in diesem Sinne jeden Sonntag als ein kleines Osterfest verstehen. Im 4. Jahrhundert wurde das Gebot der Sabbatruhe dann für die Christen und alle anderen Bewohner des römischen Reiches auf den Tag der Sonne, den Sonntag übertragen. Seither ist er ein christlichen Feiertag.
Und es tut gut den Sonntag auch wirklich zu feiern:
Ein Sonntag tut gut – wir brauchen Zeiten der Erholung und der Ruhe. Wir brauchen eine Pause vom Alltag. Der Sonntag ist eine Zeit für Familie und Freunde und der Sonntag ist der Tag an dem wir als getaufte Christen dazu verpflichtet sind, den Gottesdienst zu besuchen. Das Kirchenrecht nennt dieses Gebot das Sonntagsgebot.
Im Judentum sind die Gebote und Verbote rund um den Sabbat viel ausführlicher und bestimmen das Leben des Einzelnen in allen Bereichen. Da ist nahezu jegliche Aktivität untersagt, so auch Tätigkeiten wie Speisen zuzubereiten und zu heilen … wie wir im heutigen Evangelium gehört haben. Daher sind die Pharisäer auch so empört und fordern den Tod Jesu aufgrund dieser schweren Schuld.
Im Matthäus Evangelium sagt Jesus dazu aber auch folgende Worte: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“
Er will die bestehenden Gesetze nicht als ungültig erklären. Er will sie erfüllen. Aber wie erfüllt Jesus das Gesetz?
Die Antwort lautet: IN LIEBE.
Liebe und Barmherzigkeit – das meint Jesus, wenn er weitersagt: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. Liebe ist das wichtigste – das betont Jesus immer wieder. So auch im Nachsatz nach dem wichtigsten Gebot – das Gebot der Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe. Jesus sagt: An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.
Es hängt also ganz und gar von der Liebe ab – darin besteht die Erfüllung der Gesetze.
So kritisiert Jesus nicht die Gesetzestreue der Pharisäer, sondern den inhaltsleeren Formalismus, der ihre Treue bestimmt. Der entscheidende Punkt in der Lehre Jesu ist also nicht die Geltung des Gesetzes selbst – die bleibt – sondern die Auslegung des geltenden Gesetzes unter dem Blickwinkel der Nächstenliebe und Barmherzigkeit.
So ist für Jesus das Versorgen der Jünger und Jüngerinnen mit Essen und Trinken wichtiger als die Sabbatruhe. Es ist also nicht so, dass Jesus keinen Respekt vor dem Sabbat gehabt hätte, sondern dass er abwägt. Es muss einen guten Grund geben, die Ruhe des Sabbats zu brechen. Die Heilung eines Mannes und die hungrigen Gefährtinnen und Gefährten sind für Jesus so ein guter Grund. Barmherzigkeit ist wichtiger als Gehorsam dem Wortlaut einer Norm gegenüber: Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.
Aber was heißt das für uns?
Auf der einen Seite – da bin ich mir sicher – will Gott auch heute seiner Amtskirche sagen, dass die Einhaltung eines Gesetzes alleine zu wenig ist oder noch einen Schritt weiter, dass Gesetze dahingehend zu überdenken sind, ob es nicht gute Gründe gibt, Gesetze zu ändern. Jesus hat den Menschen in den Mittelpunkt gestellt und unsere Kirche täte manchmal gut daran diesem Beispiel zu folgen.
Sich immer und immer wieder auf das Gesetz zu berufen, führt nur dazu, dass Kirche, Sabbat oder Sonntagspflicht immer weniger Menschen interessiert. Außerdem sind die Gesetze auch irgendwann mal eingeführt worden, d.h. sie sind von Menschen gemacht, wohl unter dem Aspekt des Evangeliums, aber auch unter dem Aspekt der Zeit, in der sie entstanden sind. Sie sind nicht in Stein gemeißelt.
Und für uns, die wir uns hier zum GD versammelt haben gilt genauso: Der Sabbat ist für uns da, nicht wir für den Sabbat.
Wir, die wir Sonntag für Sonntag zusammenkommen, wir wissen, dass wir das Gebet brauchen, dass wir die Worte aus dem Evangelium brauchen, dass wir die gemeinsame Feier brauchen. Das alles gibt uns Kraft und stärkt uns für unseren Alltag.
Ich bin traurig, wenn ich sehe, dass immer weniger Menschen das Bedürfnis haben, den Sonntagsgottesdienst zu besuchen.
Ich weiß, unser Leben hat sich verändert – wir genießen an den Wochenenden die Natur, wollen raus in die Berge, zu den Seen. Ja, unser Leben hat sich verändert – es müssen immer mehr Menschen an Sonntagen arbeiten. Und ja, der Besuch des Gottesdienstes ist nicht immer erbaulich, manchmal fad und scheinbar umsonst, aber trotzdem: wo sonst können wir gemeinsam Gott loben, gemeinsam beten und uns gemeinsam freuen.
Wo 2 oder 3 in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen. Hat Jesus gesagt. Und da können wir ansetzen. Beten wir gemeinsam um die Geistkraft Gottes. Beten wir für die notwendige Veränderung in unserer Kirche. Beten wir für mehr Menschen, Frauen und Männer, die sich in den Dienst der Kirche stellen wollen. Beten wir für andere und sagen wir Ihnen, dass wir für sie beten. Beten hilft, da bin ich mir ganz sicher und wenn wir gemeinsam beten, dann verstärkt sich das Gebet.
Wer es sich zur Gewohnheit macht, den Sonntagsgottesdienst zu besuchen, der möchte diese Zeit dann nicht mehr missen. Der Gottesdienst ist eine Zeit, in der wir Kraft schöpfen für unser Leben.
Wir können Gott begegnen in der Stille, im Gebet und sicher auch dann, wenn wir einander als Schwestern und Brüder begegnen. Gott wirkt in uns. Sonntag für Sonntag – denn der Sonntag ist für uns da. Amen.