Der gute Hirt
„Der gute Hirt und seine Schafe“. – Das ist ein altes, aber immer noch gern gebrauchtes Bild für „Kirche“. Manche Bischöfe, schreiben immer noch gerne „Hirtenbriefe“ an ihre „Herde“. Auch Pfarrer verstehen sich gerne als „Hirten“ und möchten eine „Herde“: „brav“ und „gehorsam“.
Das ist ein Bild von Kirche, das viele heute gar nicht mehr so mögen. Und ich kann es verstehen. Wer will denn schon auf ein „Schaf“ reduziert werden - „gehorsam und „dumm“?
Aber so sind die Schafe ja gar nicht. Da habe ich einen Bericht gelesen von einem, der von Hirten und Schafen etwas versteht. Der sieht das ganz anders. Im Normalfall, so sagt der, geht der Hirte seiner Herde nicht immer voran, sondern eher mittendrin, oder sogar hinterher. Die Schafe haben selbst das beste Gespür für taugliche Weideplätze. Sie finden die besten Plätze selbst.
Die Aufgabe des Hirten besteht nicht darin, den Weg zu bestimmen. Er lässt den Schafen viel Freiheit. Er geht mit ihnen – aber das wachsam und besorgt. Er passt auf, dass sie sich nicht allzu weit verstreuen. Er greift schon auch einmal ein, wenn er es auf Grund seiner Erfahrung für notwendig findet. Wenn Gefahr droht, ist er ganz für die Seinen da.
Der gute Hirte achtet besonders auf die langsameren Tiere. Auf jene die nicht so mithalten können, weil sie krank oder verletzt sind. Auf die schaut er besonders.
Und ganz besonders sorgt er sich um jene, die sich verirrt haben. Und dadurch den Anschluss an die Gemeinschaft. Wie heißt es: Da lässt der gute Hirt sogar 99 allein, um das eine Verlorene zu finden. Und hat er es gefunden, ist das Grund für ein Fest, für alle.
Er kann auch aber fordernd sein, der gute Hirt:
Jene, die nicht weiterziehen wollen, weil sie sich – faul, fett und bequem geworden - lieber mit den alten „Futterplätzen“ begnügen, die brauchen ab und zu auch einmal – grob gesagt - einen „Tritt in den Hintern“.
Jeder gute Hirte weiß: die Herde muss in Bewegung bleiben. Sie darf nie zu lange am selben Ort bleiben, weil sie sonst ihre eigenen Ausscheidungen mit fressen und davon krank werden können.
Ich meine, da ist viel dran, wie „erfahrene Hirten“ das so sehen.
Wenn Jesus sich als der „gute Hirte“ bezeichnet, dann ganz in diesem Sinn. Sein Verhalten und sein Umgang mit den Menschen beweisen es.
Wenn er sagt: „Ich kenne die „Meinen“ und die „Meinen“ kennen mich“ - dann ist das wohl die grundlegende Voraussetzung für einen „Hirten“: einander kennen, miteinander vertraut sein.
Wenn wir von diesem Hintergrund her von „Hirten und Schafen“ reden und damit unsere „Kirche“ meinen, dann lässt sich da einiges abschauen:
Ich wünsche mir eine Kirche, in der die „Hirten“ ihre „Schafe“ kennen, sie „schützen“ und „behüten“, weil sie ihre Schafe mögen.
Ich wünsche mir eine Kirche, in der die „Hirten“, besonders die „Oberhirten“ das Vertrauen aufbringen, dass ihre „Schafe“ eigentlich einen guten „Riecher“ haben für das, was für sie gut ist.
Ich wünsche mir eine Kirche, in der die „Hirten“, die „Schafe“ sehr frei gehen lassen, dabei aber doch darauf schauen, dass alle mitkommen, dass niemand verloren geht.
Ich wünsche mir, dass sie denen nachgehen, die sich verirrt haben.
Ich wünsche mir „Hirten“, die wachsam sind, die auch ihre Stimme erheben, aber in einer Sprache, welche die „Schafe“ auch verstehen und annehmen können.
Ich wünsche mir eine Kirche, in der die „Hirten“ nicht meinen, nur sie wüssten den besten Weg, oder sie müssten das „Tempo“ bestimmen. Meist in der Sorge, die Schafe wären zu schnell, zu „fortschrittlich“. Man müsse sie „einbremsen“.
Vielleicht wäre es manchmal notwendiger die ängstlichen „Bewahrer“ und „Bremser“ anzutreiben. Weil es stimmt: die Herde muss in Bewegung bleiben, damit sie gesund bleibt.
Für mich kommt unser derzeitiger „Oberhirte“, Papst Franziskus, in seiner Art, in seinen Schriften und Worten, diesem Bild von einem „guten Hirten“ sehr nahe.
Ich wünsche mir vor allem: dass wir füreinander gute „Hirten“ und „Hirtinnen“ sein können: in dieser „jesuanischen“ Art: dass wir uns einen aufmerksamen Blick bewahren, auf alle, die mit uns unterwegs sind. Auf die Schwachen, die Kranken, die Verletzten ganz besonders.
Ich wünsche mir, dass wir darauf achten, dass niemand verloren geht, dass niemand ausgegrenzt wird, dass wir ein gutes Miteinander finden.
Ich wünsche mir, dass wir füreinander „unser Leben geben“, einander schützen, stärken und ermutigen: weil wir einander mögen.
Amen