"Gebt Acht und bleibt wach!"
„Gebt Acht und bleibt wach!“ – So beginnt das heutige Evangelium. Und so beginnt der „Advent“.
Es ist damit mehr gemeint als ein Zeigefinder: „Passt auf, seid vorsichtig, auf der Straße, am Schulweg, bei der Arbeit…damit euch nichts passiert!“
Die Mahnung Jesu geht tiefer, meine ich. Es geht um eine grundsätzliche Haltung.
Es gibt Zeiten, und wer kennt sie nicht, - wo einem alles zu viel wird. Man möchte sich am liebsten verkriechen. Man ist müde und fertig. Man möchte nichts mehr hören und sehen: die dauernden Probleme, die Kriegsberichte und die schrecklichen Bilder dazu, die Streitereien der Politiker, die vielen Skandale, die Zwistigkeiten in unserer Gesellschaft und überhaupt.
Am liebsten möchte man dann die „Augen“ schließen und die „Ohren“ und auch den „Mund“.
„Ich will nichts sehen, nichts hören, nichts sagen!“
Blind – taub – stumm.
Diese Einstellung ist das Gegenteil von Wachsamkeit.
„Bleibt wach!“ – das heißt: die Augen eben nicht verschließen vor der Realität, vor dem, was sich tut in unserer Umgebung, in unserer Welt.
Es meint: hinschauen, nicht wegschauen. Wahrnehmen, was um mich herum geschieht, auch was in mir und mit mir geschieht.
„Wach-sein“, das heißt nicht „den Mund halten“, sondern „aufmachen“, wo es nötig ist. Nicht verstummen, sondern Stellung nehmen, sich einmischen. Offen und ehrlich – aber nicht verletzend - seine Meinung sagen.
Den Mund aufmachen, das meint auch: die richtigen Worte finden, Worte die aufrichten, die Mut machen, Worte die loben, die trösten - und segnen.
Die Ohren nicht „verschließen“, gehört zum „wach-sein“: Hinhören, wahrnehmen, was in der Luft liegt.
Hören, was andere zu sagen haben. Auch, oder gerade dann, wenn sie es nicht so laut sagen.
Hinhören, auf die Menschen, die mit mir leben.
Hören, wie es ihnen geht: dem Partner/in, den Kindern, den Eltern, den Freunden, auch den Fremden.
„Gebt Acht!
Lebt mit offenen und wachen Sinnen, ehrlich, mutig und aufrichtig. Schämt euch nicht eurer Gefühle, lasst sie zu. Wenn uns nichts mehr zu Herzen geht, uns nichts mehr berührt, dann verkommt das Leben und Zusammenleben.
„Bleibt wach!“
Wenn wir „wach“ bleiben, dann bleiben wir auch kritisch, auch „widerständig“ und unbequem, wenn es „not-wendig“ ist.
Wir dürfen nicht zu allem Ja und Amen sagen.
Wir mischen uns ein. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr. Wir lassen nicht alles mit uns geschehen lassen.
Das meint doch: Wach bleiben und achtgeben.
„Gebt Acht und bleibt wach!“ –
Ich finde, es ist ein gutes und wichtiges Wort am Beginn der Adventzeit.
Manchmal habe ich den Verdacht, dass wir unseren „Advent“ verharmlosen und verkitschen:
ein paar gefühlvolle Lieder und Geschichterl,
putzige Engerl, Lichterketten, Kerzerl und Punsch –
und wir dämmern selig dahin. Und nichts soll uns stören.
Das darf nicht alles sein.
„Gebt acht und bleibt wach!“ - Es kann und soll der Advent für uns eine Zeit sein, in der wir wieder offener werden, bewusster, klarer, hellhöriger für das Leben,
für das Füreinander, für das, was not-wendig und wichtig ist in unserer Zeit.
Advent heißt auch: wir bleiben wach, weil wir etwas „erwarten“. „Adveniat“ - Es kommt etwas auf uns zu.
Was haben wir für Erwartungen? Nicht nur „Befürchtungen“, die haben wir schnell. Welche positiven Erwartungen bestimmen uns. Welche Visionen motivieren uns? - Haben wir überhaupt noch welche?
Glauben wir noch an „Menschlichkeit“, an „Gerechtigkeit“, halten wir „Frieden“ überhaupt noch für möglich?
„Rüsten“ wir uns für den Frieden?
Man hört immer nur: für den Krieg müssen wir „aufrüsten“.
Glauben wir noch an die „Liebe“? –
An all das, was Jesus uns in seiner Vision vom „Himmelreich“ vorgestellt, vorgelebt - und mit dem Einsatz seines Lebens auch bezeugt hat? -
Mein Wunsch für den Advent:
„Gebt Acht und bleibt wach“.