Elisabeth Sonntag
Zuerst geht es ums Geld…
In der römischen Republik bezeichnete das Wort Caritas zum einen sowas wie: hoher Preis, Teuerung! „Annonae caritas“ wird übersetzt mit „die hohen Lebenskosten“. Es ist eine bittere Pointe, dass die Teuerung uns seit 2022 so stark beschäftigt. Mehr als uns lieb und teuer geworden ist. Auch im alten Rom war das bereits ein wichtiges politisches Thema, wenn es um Lebensmittelpreise (annonae ursprünglich der Vorrat an Lebensmitteln, der jährliche Ertrag v.a. von Getreide) gegangen ist.
Auch im Deutschen haben wir diese Bedeutung im Wort „teuer“ - das teure Speiseöl, aber auch: der Mensch, der mir lieb und teuer ist… Gehen wir also zur zweiten Wortbedeutung.
Aber „teuer“ ist uns noch mehr…
Daneben war schon in der Antike der Begriff Caritas auch im anderen Sinn geläufig: Caritas bedeutete damals auch schon „Hochschätzung, Verehrung, Liebe“. Eben auch: was mir teuer im Sinne von wertvoll ist…lieb und teuer eben! Im Christentum wird dieser Begriff aufgenommen und neben Glaube und Hoffnung als eine der drei theologischen Grundtugenden verstanden.
Caritas wird zur Nächsten-Liebe, der “Nächste“ wird dazu genommen, auch um diese Art von Liebe abzugrenzen von der erotischen Liebe, auch als Amor bezeichnet. Letztere - Amor - umfasst einen ganz kleinen Kreis, Caritas bezieht sich auf viele/alle...Caritas als Nächstenliebe ist heute auch die geläufigste Übersetzung.
Im Wort Caritas steckt das lateinische Wort carus, übersetzt mit „lieb“ oder „teuer“. Vielleicht sprechen Sie ja auch Italienisch: dann kennen Sie sicher die Worte „caro mio, cara mia“ - „mein Liebling, mein Schatz“…Ist uns die Caritas lieb und teuer? Nun, wenn wir unserer Bibel glauben, unserem gepredigten Anspruch als Kirche, dann ja. Dann sagen wir nämlich: es ist uns ganz viel wert, die Caritas steht im Zentrum, die Caritas ist aller Mühe wert.
Und tatsächlich engagieren sich viele in unserer Pfarrgemeinde im Sinne der Caritas!
Charity und Caritas…
Aber im Wort Caritas steckt noch mehr, und jetzt wechseln wir ins Englische: dort spricht man von „Charity“ und meint damit Wohltätigkeit. Hierzulande verwenden wir das auch oft, zumeist wenn Prominente sich zugunsten einer Sache engagieren, Geld sammeln, medial begleitet für eine bestimmte Zielgruppe etwas auf die Beine stellen.
Scharfsichtiges schreibt dazu der Wiener Schriftsteller Franz Schuh, indem er über den Unterschied von Charity und Caritas nachdenkt:
“Bei der charity denkt man vor allem an seinen eigenen Status. Der gütige Spender würde sagen: Ich spende, also bin ich. Er ist barmherzig. Vom Elend niedergeschmettert, fängt er sich erst, wenn er etwas dagegen tut. Der charity-Typ sagt: Ich bin es, der spendet! Er ist hartherzig und genießt seine Härte in den Absichtserklärungen, die er lauthals und lustvoll verkündet. Dabei will er für seine Härte auch was haben - etwas, das man am leichtesten von Tieren und Kindern bekommen kann. Der Status von Kindern und Tieren ist die Unschuld, und von der möchte man in seinen Spendierhosen mitnaschen. Erwachsene nämlich, und das ist eine Lieblingsideologie in dieser Fraktion der Erben und Emporkömmlinge, sind an ihrem Schicksal selber schuld: Sie geben für Rührung kaum was her, aber so ein Kinderl und Viecherl, da tut einem das Spenden so gut. (...)
Caritas, das wird sofort klar, ist das Gegenprogramm zur charity. In erster Linie kennt die Caritas gar keine Überhöhung, nichts, was dem Glamour, der entzauberten und organisatorisch hergestellten Transzendenz entspräche. Die caritas der Mutter Teresa fasst die Menschen in ihrer Kreatürlichkeit ins Auge. ( ... ) Die caritas ist an Ort und Stelle, genau dort, wo das Elend ist, und wer sich der caritas gewidmet hat, schaut absichtsvoll und planmäßig auf das Elend hin.”
(Aus dem Buch von Franz Schuh, Hilfe! Ein Versuch zur Güte, Wien 2007, einige Gedanken über den Unterschied von Charity und Caritas)
Wir sehen: der Begriff Caritas als Charity verstanden, führt uns eher weg vom ursprünglichen Sinn, Charity kann auch mal zweifelhaft werden in der konkreten Umsetzung. Aber Caritas im engeren Sinn ist Charity eher nicht.
Caritas arbeitet eher nüchtern, verliert sich auch nicht in Sentimentalitäten und ist nicht von den eigenen Gefühlen/der eigenen Betroffenheit gerührt - wer caritativ tätig ist weiß darum, dass es da weniger um einen Überschwang der Gefühle geht, sondern um ein nüchternes Hinschauen und kompetentes Handeln. Fragen Sie mal nach bei Menschen in der Pflege oder der sozialen Arbeit. Das ist auch beim Wort Nächstenliebe eine falsche Spur, hier die „Liebe“ als emotionale Aufwallung zu sehr zu betonen. Vielleicht besser: man muss die Menschen mögen, wenn man caritativ tätig ist - aber manchmal bedeutet das auch die Fähigkeit Menschen auszuhalten in ihrer eigenen Art und Weise, selbst wenn diese sehr herausfordernd ist.
Statt Charity besser ein anderes Wörtchen….
Das führt uns im Englischen zu einem anderen Begriff, der das besser fasst als das Wort Charity:
„to care“ heißt es da. Auf gut Deutsch: sich kümmern, sich sorgen - Sie kennen das aus Ihrer eigenen Sorgearbeit zuhause oder in Ihrem näheren Umfeld. Die alltägliche oft mühevolle Arbeit des sich Kümmerns, ob es einem/einer nun gelegen kommt oder nicht, aber es muss halt getan werden. Weil einem der betreffende Mensch lieb und teuer ist, um den es da geht in der Sorgearbeit.
Und daher ist uns am teuersten…
Und was ist der Kirche am teuersten, wertvollsten? Nun, wenn wir an den Hl. Laurentius in der frühen Kirche denken, so sagen wir mit ihm: „Die Armen sind der Schatz der Kirche!“ Sie sind im Zentrum. Sie sind aller Mühe und Sorge wert. Was uns in der Kirche lieb und teuer ist, sind die Menschen, vor allem dann, wenn sie von Armut und Not betroffen sind.
Das feiern wir an diesem Caritas Sonntag, daher ist die Caritas im Zentrum der Kirche. Daher ist uns auch die Arbeit der Caritas Oberösterreich nicht egal und wir unterstützen sie in ihrer alltäglichen, beharrlichen und oft nicht glamourösen Arbeit für Menschen in Not in OÖ.
Wir sind selber getragen von der Caritas Gottes…
Und noch ein letzter Gedanke: warum leben wir Caritas, warum können wir das? Nicht weil wir so gut sind, uns selbst moralisch auf ein hohes Ross setzen. Sondern weil wir selbst von der Caritas Gottes getragen sind. Wir werden von Gott geliebt, uns umfängt er mit seiner Zuwendung und Zuneigung. Was wir daher tun, ist eine bescheidene Antwort von uns. Nicht weil wir es müssen, sondern weil wir es können. Selbst getragen von dieser Zuwendung Gottes kann man auch für andere Sorge tragen. Die bedingungslose Zuneigung Gottes zu uns ist die Caritas Gottes. Die bedingungslose Zuwendung von uns zu Menschen in Not ist ebenfalls Caritas. Ob nun ehramtlich in unserer Pfarrgemeinde oder hauptamtlich in der Caritas organisiert. Wir empfangen und geben weiter. Und sind so ein Segen für diese Welt und ihre Menschen, die uns lieb und teuer sind.
Danke für Ihre Caritas!
Caritas der diözese Linz